Infernal Affairs

Hongkong und Kino, da brauchen wir nicht um den heißen Brei herumzureden, verbindet man in erster Linie mit John Woos Heroic Bloodshed Action, Jackie Chans Martial Arts Komödien und Bruce Lees Weg der abgefangenen Faust. Unbestritten hatten die Erfolge des asiatischen Films immensen Einfluß auch auf den westlichen Action- und Genrefilm, und haben ihn immer noch. Ob nun in George Lucas Star Wars Universum Jedi Ritter auf Sith Lords, Neo in der Matrix auf Mr. Smith, oder im letzten Fantasy Action Flick Gulliermo del Toros Hellboy auf Prinz Nuada treffen, Kung Fu, Karate und Co. sind omnipräsent. Da ist es schon erstaunlich, daß ausgerechnet Hongkongs und vielleicht auch Asiens erfolgreichster Export der letzten zwanzig Jahre mit ästhetisierter Gewalt, Box-Action und platzenden Blutsäckchen überhaupt nicht protzen kann, das auch gar nicht muß und schon gar nicht möchte.



Infernal Affairs kann noch nicht mal auf einen sonderlich bemerkenswerten Handlungsplot zurückgreifen. Die Story um jenem Lau, der als Mafiaspion die Hongkonger Polizeiabteilung für organisiertes Verbrechen unterwandert, seinen Boss jederzeit mit Informationen vor der sicheren Verhaftung bewahren kann und Yan, dem schon seit zehn Jahren unter falscher Identität für eben diese Polizeiabteilung als Spitzel im Untergrund agiert, hätte zwar auch so ein genügend stabiles Grundgerüst, doch sind es vielmehr die kleinen Dinge, die unter anderen Regisseuren vielleicht nur zur bloßen Staffage eines gewöhnlichen Copthrillers degradiert worden wären. Die jedoch unter Andrew Laus und Alan Maks Regie den Film zu dem machen was er letztendlich ist und ihn so sehr aus der Masse herausheben. Anstatt der Versuchung zu verfallen die Faszination des Zuschauers über die Ausstellung von Technologie, rasanten Verfolgungsjagden, ausufernden Ballerorgien oder andere übliche Verdächtige, die Stoff und Genre hergeben, zu erlangen, verläßt sich der Film ganz auf die differenzierte Darstellung seiner Charaktere. Verleiht ihnen mittels nur weniger jedoch viel sagender Szenen eine für das Genre unübliche Tiefe und Menschlichkeit. Wenn Yan durch Zufall auf der Straße die Ex-Freundin nebst glücklicher Familie trifft, dann weiß der Zuschauer, daß sein Job mehr fordert als die immer präsente Gefahr seines Todes durch die Kugel eines Polizeikollegen oder Mafiamitgliedes. Dann kann er mitunter auch Yans zögernde Art bei der Eroberung seiner Psychologin nicht mehr als sympathische Schüchternheit interpretieren, sieht Yans regelmäßigen Schlaf auf der Psychatercouch vielleicht nicht mehr als Gag, sondern als einzigen gebliebenen Zufluchtsort für jemanden, der schon so lange nicht mehr der sein darf, der er eigentlich ist. Während Lau wiederum nicht der übliche Bösewicht sein darf. Nein, das ist er ganz und gar nicht. Seine Rolle als Mafiaspitzel sieht er weit weniger als Berufung denn als lukrativen Nebenjob, der ihm das neue Arpartement ermöglicht, die Luxushifianlage oder den fetten LCD Fernseher im Wohnzimmer. Sein Aufstieg zum Chefermittler vollzieht sich mehr aus reinem Zufall als daß er ein machtgieriger Karrierist zu sein scheint. Er hat halt die sauberste Akte. Doch in seiner neuen Position erweißt sich ziemlich schnell, daß er die Tragweite seines Handelns völlig unterschätzt und auch die Brutalität und Kaltherzigkeit seines Auftraggebers. Als er seinen Fehler bemerkt, ihn wieder gut machen will, ist es schon zu spät. So ergibt sich die Tragik der Geschichte weitestgehend aus der glänzenden Ausarbeitung ihrer Figuren, die Andrew Lau und Alan Mak grundsätzlich in die stringente Fortführung der Handlung einbauen, ohne auf ausladende Nebenplots zurückzugreifen. So kann sich der Schleier der Suspension über die Atmosphäre des Films ganz allmählich immer weiter ausbreiten, da braucht es noch nicht einmal auf die Spitze getriebene Spannungszenen. Die Bedrohung wird vielmehr über kleine Gesten transportiert, einem Blick, einer harmlos erscheinenden Frage. Wie viel weiß der andere, was ahnt er gerade, wann fliegt alles auf? An dramaturgischer und inszenatorischer Effizienz sind Lau und Mak kaum zu schlagen. Zwei, drei Einstellungen anfangs des Films und die fiebrige, exotische Atmosphäre Hongkongs ist abgehakt. Eine Szene mit dem Polizeichef auf der Drivingrange auf dem Dach eines Hochhauses vor Hongkongs Skyline und der skurril surreale Wahnwitz der Metropole ist im Kasten. Dabei fällt auf, daß der Film die entscheidenden Szenen generell auf die Dächer der Stadt verlegt, sie in gleißendes Sonnenlicht tränkt. Als ob er einen Kontrast setzen möchte, zu seiner abgrundtief düsteren Geschichte, deren Figuren man eher in den dunklen Hinterhöfen einer immer währenden verregneten Nacht erwartet. Da konnte auch Scorcese mit einem Remake nur scheitern.

9/10 Punkte

10 Kommentare:

Flo Lieb hat gesagt…

Mir fehlt da noch ein Punkt, werter Tumulder.

tumulder hat gesagt…

Ach, Formalitäten lenken nur vom wesentlichen ab.;)

C.H. hat gesagt…

Tja, ich bin nur froh, dass ich "Infernal Affairs" NACH "The Departed" gesehen habe. Sonst hätte ich den Scorsese beim ersten Sehen wohl ziemlich bescheiden gefunden...

Anonym hat gesagt…

Volle Zustimmung, der wohl beste HK-Film der letzten 20 Jahre. Und wegen DEPARTED - Scorsese scheint die Vorlage wirklich nicht verstanden zu haben, schaut man sich das Ganze mal an. Er setzt nämlich auf genau jene Faktoren, die Du anführst um den heutigen Actionthriller zu beschreiben. Zudem macht er klassisches Hollywooderzählkino daraus, was IA nie war.

Schön übrigens auch die beiden Frauenfiguren, die Du anführtest - diese sind nämlich genau das Abbild dessen, was sich die Männer an ihrer Seite jeweils wünschen, aber nicht bekommen (können) ...

tumulder hat gesagt…

Bescheiden ist irgendwie bei Scorceses Remake das falsche Wort. Unbeholfen trifft es meiner Meinung nach wohl eher.;)

tumulder hat gesagt…

@cleriker
was sich die Männer an ihrer Seite jeweils wünschen, aber nicht bekommen (können) ...

Schon so desillusioniert?:D

Timo K. hat gesagt…

Du hast wohl jetzt jeden Tag nen neuen Banner, oder was?! :D

tumulder hat gesagt…

War bisher zu faul das passende Script für Zufallsbanner zu googlen.;)

Flo Lieb hat gesagt…

So, wie immer Text erst später gelesen. Will trotzdem den letzten Punkt, stimme Cleric nämlich zu. Gehe sogar weiter, einer der besten Cop-Thriller der letzten Jahrzehnte. Muss den mal wieder schauen. Epic win das Teil, Tony Leung rult die Scheiße sowieso fett.

tumulder hat gesagt…

Achso, da hatte ich Dich ein wenig mißverstanden. Einen zusätzlichen Punkt möchtest Du? Hier isser, nur für Dich. -> .

[hierfünfgrünegrinsesmileysvorstellen]

Kommentar veröffentlichen

Kommentare zu Blogeinträgen, die älter als sieben Tage sind werden weiterhin von mir moderiert. Sei freundlich, fair und bleib beim Thema.