Als Tobe Hooper 1974 das Bild der friedlichen Landbevölkerung ins Gegenteil umkehrte und den Backwood des amerikanischen Südens zu einem Hort menschlicher Degeneration erklärte war das sicherlich nicht nur eine filmische Verarbeitung des Falles Ed Gein. Nein, es war vielmehr auch ein Angriff auf das konservative Familienbild Amerikas mit ihren Waltons und Andersons, die die puritanische moralisch unanfechtbare Keimzelle der Nation wiederspiegeln. Familie Hewitt brachte all die wichtigen Vorraussetzungen für ein familiäres Glück nach konservativen Weltbild wie Zusammenhalt, Tradition und Respekt vor dem Familienvorstand mit. Doch anstatt Sonntags Applepie zu backen und die Kinder in die Kirche zu schicken, gabelten die Familienmitglieder Hippies an ihrer Tankstelle auf um sie später zu Sülze zu verarbeiten. Welch eine Symbolik. Fortan wurde Hoopers Grundidee von den Rednecks und Hillbillies, die sich fürchterlich an der urbanen Bevölkerung vergehen adaptiert, neu interpretiert, über das Genre hinaus kolportiert. Egal ob Wes Cravens The Hills have Eyes oder viel später Charles Kaufmanns Muttertag, alle finden ihren Ursprung in Tobe Hoopers Lowest Budget Produktion, die auch heute nach über dreißig Jahren nicht an Kraft verloren hat.
Seit Beginn des neuen Jahrtausends erfährt das ungeschönte Terrorkino der 70er eine Renessaince. Ein Remake jagt das andere in die Multiplexkinos, die sich doch eigentlich auf Popcornunterhaltung spezialisiert haben. Dabei überbieten sich die groß budgetierten Hollywoodproduktionen gegenseitig in ihrer Gewaltdarstellung, ihre Vorbilder haben sie in dieser Disziplin erst recht abgehängt. Doch den Kern, den wahren Terror ihrer Ahnen, der sich aus dem künstlerischen Pool des intellektuellen Independentkinos generierte, erreichen sie höchstens ansatzweise, wenn überhaupt. Rob Zombie, in erster Linie Musiker, Musikvideoregisseur und Horrorfan, versuchte sich 2003 an einer Hommage an das Horrorkino im allgemeinen und mit Blick auf das der 70er im besonderem. In Fankreisen erntete er für sein Haus der 1000 Leichen viel Lob aber auch berechtigte Kritik vom Feuilleton. Zu unausgegoren, zu ungestüm erwies sich seine in einzelnen Szenen doch sehr gelungene im ganzen doch recht redundante Vision. Zuviel Jahrmarktattraktion, zu wenig Horrorfilm obschon er nicht mit Abscheulichkeiten sparte. Vielleicht ein Beweis dafür, daß jede Ekelhaftikeit ihre emotionale Wirkung verliert ist sie nicht mit dem filmischen Handwerk der Inszenierung von Suspension und Tension verbunden. 2005 folgte sein zweiter Film, der sowohl als Sequel seines ersten Films als auch ganz bestimmt als eigentständiges Werk anzusehen ist.
Die Fireflys sind ganz sicher als Essenz der Psychopathen-Terror-Familie anzusehen. Wie sie da so auf der staubigen Farm abseits der Stadt ihr Unwesen treibt. Fern von allem moralischen Konventionen junge Frauen und Männer wie selbstverständlich in Käfigen gefangen hält. Ihre Opfer wochenlang aus Spaß an der Freude quält, foltert und terrorisiert bevor sie dann vergewaltigt werden, vor oder nach ihrem Tod, was Zombie zum Glück direkt am Anfang seines Filmes in nur wenigen Einstellungen andeutet. Doch vor der Tür ihres heruntergekommenen Hauses wartet schon das Gesetz in Form von Sheriff John Quincy Wydell und seinen bis an die Zähne bewaffneten Deputies. Ohne Kampf wird er keines der Familienmitglieder verhaften können und so endet die Polizeiaktion in einer wilden Schießerei und der Stürmung des Anwesens. Während die Familie mit Rufus ihr erstes Mitglied verliert und Otis mit Baby Firefly die Flucht gelingt kann Wydell lediglich Mother Firefly festnehmen. Otis und Baby Firefly verabreden sich mit ihrem Vater James Cutter, besser bekannt als Captain Spaulding, im Kahiki Palms Motel. Bis Cutter, der nicht mehr bei der Familie lebt, eintrifft widmen sich Otis und Baby ihrer Leidenschaft, dem terrorisieren von Menschen. Die Country Band, die die beiden Fireflys aus Naivität in ihr Motelzimmer läßt wird nicht überleben. Nachdem Cutter seine Kinder am Treffpunkt aufgegabelt hat finden sie Unterschlupf in Charlie Altamonts Bordell. Doch der Zuhälter hat die drei schon längst an den Sheriff verraten. Der plant fürchterliche Rache an der Familie Firefly, die seinen Bruder und Ex-Sheriff Geroge Wydell auf dem Gewissen hat.
Kein leichter Stoff den Zombie dem Zuschauer vor die Nase setzt. Die ersten fünfzig Minuten gestalten sich als psychologische Mutprobe, der in der zweiten Hälfte des Filmes noch ein ziemlich heftiger Arschtritt des Regisseurs folgt und den Kinogänger mit all seiner inneren Verwirrtheit über seine eigenen Gefühle allein dastehen läßt. The Devil's Rejects ist nicht einfach nur Horrorfilm, eine Hommage an das 70er Terrorkino, Zombie fordert sein Publikum heraus, spielt mit ihm und führt es letzten Endes sogar vor. Da gibt es nichts zu lachen wenn Otis und Baby die Mitglieder der Country Band erst demütigen, foltern und wie eine Selbstverständlichkeit anschließend ermorden. Und dies nicht nur in nur fünf Minuten abgehandelt wird. Keine Ironie weit und breit, alles absoluter Ernst. Kein harmloses Spielchen aus dem sich die Opfer irgendwann durch einen lustigen Zufall befreien können. Wenn Otis Mrs. Sullivan dazu auffordert sich vor den Augen ihres Mannes zu entblößen, er ihr den Lauf seiner Pistole in den Slip hält, er ihre Brüste betatscht und sich an ihren Hintern reibt während ihr die Tränen und die Angst im Gesicht geschrieben stehen, dann ist das nicht der lustige Klamauk, der seit Mitte der 90er zelebrierten Teenieslasherkomödien. Nicht der durchkalkulierte Special Effect Bonbon Horror eines Marcus Nispel, der das Kino johlen läßt wenn Leatherface mit seiner Kettensäge durchs Schlachthaus rennt. Das ist wirklicher Terror, echter Horror, der einem ein ungutes Gefühl in der Magengegend bereitet, der in einem Scham aufkommen läßt weil man es sich anguckt. Doch das ist nur der erste Teil von Zombies Plan.
Ab der Hälfte der Geschichte tauscht Zombie die Rollen seiner Figuren. Aus den gerade noch so brutalen und menschenverachtenden Psychopathen macht Zombie eine Outlawgemeinschaft, die sich auf der Flucht befindet. Läßt sie an den schönen Dingen des Lebens Freude haben, sie sympathisch wirken wenn sie sich am Genuß eines Eishörnchens erfreuen und dabei Späße machen. Sie in Charlie Altamonts Etablissement zu schönsten Southrock Balladen Parties feiern während sich John Quincy Wydell von dem Klischee eines vielleicht ungnädigen und kompromißlosen Texas Sheriffs zu einem haßerfülltem nach persönlicher Rache dürstenden Polizeipsychopathen entwickelt. Wunderbar in zwei hervorragenden Szenen von Zombie vollzogen. Wie er da im Traum seinem toten Bruder im Keller des Fireflyanwesens begegnet, der von ihm den Tod der Sippe fordert. Oder wie Wydell allein vor dem Spiegel seine Worte an Captain Spaulding einübt, was unweigerlich an Travis Bickle aus Scorceses Taxi Driver erinnert. Da konnte er sich noch vor wenigen Filmminuten der Unterstützung der Zuschauer gewiß sein, hätte man ihm gerne einen Hunderter zukommen lassen um seine beiden leicht depperten Gorillas zu bezahlen, die ihm die Fireflys auf dem Silbertablett servieren sollten und da entreißt Zombie seinem Publikum doch glatt die einzige annehmbare Indentifikationsfigur der Geschichte. Welch eine perfider Plan. Wenn Wydell die Fireflys im Keller ihrer ehemaligen Farm an Stühlen gekettet erst die Bilder ihrer Opfer auf die Brust tackert, er mit einer Eisenstange auf ihre Köpfe einschlägt und schließlich lange dicke Nägel durch ihre Hände ins Holz der Armlehnen jagt, dann ist er keinen Deut besser als sie es in der ersten Hälfte des Filmes waren. Wie er da Baby Firefly erst laufen läßt, nur um sie durch die Nacht zu jagen wie einst Leatherface Sally Hardesty. Das ist nicht die Art eines Happy Ends wie es sich der Zuschauer vielleicht vorgestellt hat. Lebenslang Huntsville, na klar, gegen den elektrischen Stuhl könnte man auch nur schwer plädieren, aber dieser Einpersonen Lynchmob in Persona eines Sheriffs, der doch eigentlich das Gesetz vertreten sollte. Nein, das ist keine Auflösung zum Guten. Rape'n Revange schön und gut. Doch Zombie setzt noch einen drauf, besitzt er doch die Frechheit seine Psychopathenfamilie am Ende zu Lynard Skynards Free Bird in einer minutenlangen Szene den blutigen Heldentod sterben zu lassen, was den Zuschauer angesichts der Taten der Fireflys vollends in die emotionale Verwirrung stürzen wird. Purer Terror. Wahrlich keine Durchschnittskost.
8/10 Punkte
Run, Fatboy, Run (1927)
vor 1 Stunde
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