Seit dem 9/11 scheint die Welt nicht mehr sicher. In den Horrorszenarien der Innenminister geistern die abstrusesten Anschlagszenarien umher über die Experten nur mit den Köpfen schütteln können. Eines ist die schmutzige Bombe, ein mit radioaktivem oder giftigem Material angereicherter konventioneller Sprengsatz. Politische Hardliner nutzten in den vergangenen Jahren immer wieder die schmutzige Bombe um ein Bedrohungsszenario für die Bevölkerung zu suggerieren und erhofften sich dadurch mehr Rückendeckung für ihre die Freiheit beschneidenden Maßnahmen. Mag sein, daß sie wirklich an die Gefährlichkeit eines Vergiftungs- oder Verstrahlungsszenario glauben, nicht nur laut dem Bundesamt für Strahlenschutz besteht jedoch bei einem Anschlag mit einer schmutzigen Bombe keine größere Gefahr für die Bevölkerung sofern sie sich nicht in unmittelbarer Nähe der Detonation aufhält.
Brad, ein arbeitsloser Musiker, ist gerade mit seiner Frau Lexi in sein neues Heim in die Suburbias von Los Angeles gezogen. Da stehen überall noch Umzugskartons im Haus herum, das Heim ist noch von leichtem Chaos geprägt. Der Fernseher funktioniert nicht mehr und so dudelt selbstverständlich schon früh morgens das Radio. Lexi macht sich auf zur Arbeit nach L.A. und der Hausmann überlegt sich derweil wie er den Tag verbringt. Während er seinen Kaffee schlürft meldet das Radio mehrere Detonationen im Zentrum Los Angeles'. Reporter vor Ort berichten von Massenpanik, brennenden Gebäuden und dem großem Chaos. Von seinem Vorgarten aus sieht er eine riesige Rauchwolke über der Stadt und vereinzelte Feuer. Brad versucht Lexi auf dem Handy zu erreichen, doch das funktionierte schon beim Abschied nicht mehr, da der Akku entladen war. So macht er sich auf sie mit dem Auto zu suchen. Die Polizei hat jedoch schon alle Wege zum Stadtzentrum abgesperrt, aus dem Autoradio erfährt Brad, daß es sich bei den Bomben um schmutzige handelte, die mit einem unbekannten Gift angereichert waren. Die Bevölkerung soll in ihre Häuser zurückkehren und Fenster und Türen hermetisch abisolieren. Brad versucht zwar noch weiter in die Stadt zu kommen, gibt sein Vorhaben aber auf nachdem er Zeuge wird wie ein Mann von der Polizei erschossen wird, der sich nicht an die Anweisungen der Ordnungshüter hält. Zu Hause angekommen stellt er fest, daß der Handwerker der Nachbarn ebenfalls Zuflucht in seinem Haus sucht. Zusammen verkleben sie Fenster und Türen mit Folien und dem zufällig noch im Haus massenweise herumliegenden Verpackungsmaterial des Umzuges. Das Radio verkündet weiterhin die Meldungen der Rettungsbehörden, die die Bevölkerung anweisen nicht von selbst die Krankenhäuser der Stadt aufzusuchen und niemanden ins Haus zu lassen, der mit der giftigen Asche der Brände, die mittlerweile auch die Vororte Los Angeles' erreicht hat, kontaminiert ist. Rettungsteams sind unterwegs und werden die Bevölkerung mit Medikamenten versorgen sobald feststehe mit welchem Gift die Bomben verunreinigt waren. Plötzlich steht Lexi vor der Tür, doch Brad wird sie nicht ins Haus lassen.
Obwohl Right at Your Door Chris Goraks erster Film ist, ist Gorak selbst kein unbeschriebenes Blatt im Filmgeschäft. Als Art Director und Production Designer ist er unter anderem maßgeblich für den Look von Fight Club oder Minority Report verantwortlich, ja selbst mit den Coen Brüdern hat er schon bei The Man who wasn't there zusammengearbeitet. Ein durchaus imposantes Portfolio von Referenzen, die sich der studierte Architekt in den letzten Jahren erarbeitet hat. Das sieht man seiner Low-Budget Produktion auch jederzeit an. Gekonnt konzentriert er sich auf die Handlungsteile, die sein kleines Budget zuläßt und überläßt die Katastrophe selbst den Radiosprechern und den Schilderungen Brads Ehefrau. So ergibt sich schnell ein Kammerspiel, daß zu wesentlichen Teilen auf der psychologischen Situation der Beteiligten aufbaut. Ganz so wie es schon George A. Romero einst mit der Nacht der lebenden Toten vormachte. Und auch Romeros The Crazies scheint Vorbild für Goraks Geschichte zu sein. Das Militär und die Behörden agieren ebenso hysterisch, rabiat und unbeholfen wie in der ähnlich angelegten Horrorkatastrophe aus den frühen 70ern. Die narrative und visuelle Genialität des Filmpolitikers Romero erreicht Gorak dabei mit seinem Erstlingswerk höchstens ansatzweise. Zum einem stört es doch gewaltig, daß sich seine Protagonisten ziemlich schnell mit ihrem Schicksal abfinden. So mag man doch kaum glauben, daß sich Lexi einfach so von Brad aussperren läßt, ein wenig mehr Widerstand ihrerseits wäre doch glaubhafter. Und auch Brad verdrückt lediglich ein paar Tränen während er seiner Frau erklärt, daß er sie nicht ins Haus lassen kann. Zwar versucht Lexi dennoch ins Haus zu kommen, doch geschieht dies eher zurückhaltend und ihre Gegenwehr ist nur von kurzer Zeit. Echte Verzweiflung läßt Menschen wesentlich rigoroser handeln. Auch die Tatsache, daß beide anscheinend kein Bedürfnis haben Kontakt mit ihren nächsten Verwandten aufzunehmen, ihnen schließlich vormachen alles wäre in Ordnung um sie nicht zu beunruhigen, ist höchst unglaubwürdig. In solch einer Situation würde jeder fragen, was das Fernsehen berichtet, ob sie wissen wann und welche Hilfe zu erwarten ist. Brad und Lexi haben nur das Radio, das immer nur die gleichen Meldungen verkündet, dabei jedoch kaum Aufklärung betreibt. Und wenn man vielleicht noch darüber hinwegsehen kann, daß von den über zwanzig regionalen Sendern der Stadt offensichtlich nur noch einer sendet, überregionale Sender anscheinend nicht empfangbar sind, glaubt man es doch kaum, daß weder Brad noch Lexi den Versuch unternehmen Bekannte oder Verwandte, die außerhalb Los Angeles wohnen, telefonisch nach der Lage der Nation zu befragen. Noch nicht einmal versuchen Kontakt zu den Nachbarn aufzunehmen. Aber das Drehbuch bewegt sich nicht nur hier auf dünnem Eis. So kann die kontaminierte und schon erkrankte Lexi nicht nur von der Innenstadt Los Angeles offenbar ohne Probleme nach Hause laufen, sondern sucht sogar in der Nacht per Pedes den Hafen der Stadt auf um dann am nächsten Morgen wiederum nur leicht geschwächt zum trautem Heim zurückzukehren. Spätestens jetzt müßte Brad doch eigentlich auffallen, daß das Gift in der Luft gar nicht so gefährlich für Leib und Leben sein kann. Immerhin läßt es Erkrankte wahrlich sportliche Leistungen vollbringen, Los Angeles ist kein Dorf und Lexi dürfte in nur wenigen Stunden locker Entfernungen von Meilen im höherem zweistelligem Bereich zurückgelegt haben. Solch offensichtliche Logiklöcher können einem auf Realismus geeichten Film schnell stolpern lassen. Right at Your Door torkelt dann auch an so mancher Stelle vor sich hin. Das Ende mit seinem Plottwist kann höchstens den Aufprall ein wenig mildern, was vor allem an Goraks inszenatorischer Kreativität liegen dürfte. Wenn das Licht aus Brads Haus ausgesperrt wird und er erkennt, daß er falsch handelte als er den Anweisungen der Behörden folgte, erweisen sich des Zuschauers Ahnungen als richtig, doch auch Brads Schicksal ist lediglich eine Variation des Endes der Nacht der lebenden Toten und hebt sich keines Falls von den Mindfuckern der letzten Jahre sonderlich ab.
Inszenatorisch kann sich Right at Your Door gemessen an seinem Budget durchaus einige Meriten verdienen. Die gerade zu Anfang redundant eingesetzte hektische Handkamera ist sicherlich Geschmackssache, die Schauspieler grundsolide. Doch die wesentlichen Logikfehler und das unglaubwürdige Handeln der Protagonisten trüben das Bild des Gesamtwerks erheblich. Chris Gorak hat hier doch viel Potential, welches sicherlich in erster Linie im Vorgehen der Behörden oder auch gerade im Gewissenskonflikt Brads steckt, liegen lassen. Weniger ist oft mehr, in diesem Fall aber zu wenig.
5,5/10 Punkte
2 Kommentare:
"Echte Verzweiflung läßt Menschen wesentlich rigoroser handeln."
Da behauptest du aber das was du kritisierst. So sind die Verhaltensmuster ja höchst individuell insoweit und kaum nachvollziehbar. Daher spaltet der Film wohl auch viele, gerade auf diese Logikebene, die manche nachvollziehen können, andere eben nicht. Was dann auch Gorak anzukreiden ist, ein wenig konsequenter hätte sein können
So sind die Verhaltensmuster ja höchst individuell insoweit und kaum nachvollziehbar.
Touché. Aber ich denke, wenn das Konzept des Filmes in der visuellen Reduziertheit liegt, das Ende finde ich z.B. richtig gut inszeniert, sollte es doch einen Gegenpol geben. Und er wäre hier ja gerade in der Emotionalität der Hauptcharaktere zu finden gewesen. Es paßt halt irgendwie nicht zusammen, daß Lexi zweimal quer durch L.A. läuft, aber relativ schnell klein beigibt wenn es darum geht in ihr eigenes Haus zu kommen.
Was dann auch Gorak anzukreiden ist, ein wenig konsequenter hätte sein können.
Ja, genau das ist der Punkt. Er hätte sein Konzept bestimmt nicht konterkariert, hätte er an der einen oder anderen Schraube noch ein wenig gedreht.
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