Nachdem Wes Craven Mitte der 90er Jahre mit Scream dem Horrorfilm zur vollen Gesellschaftsfähigkeit verhalf, indem er seine totgeweihten Teenies und das Publikum mit einem trotteligen Schlitzer konfrontierte, der keine Chance ausließ über die eigenen Beine zu stolpern und sich selbst zu verprügeln, war es dann Anfang des neuen Jahrtausends nach etlichen Plagiaten mit unendlich langen Titeln an der Zeit die gewollten Lacher wieder der Komödie zu überlassen und dem Horrorfilm das zurückzugeben, was ihn eigentlich ausmacht. Horror. Den Anfang sollte 2002 Danny Boyle mit seiner Zombiefilm-Renovierung 28 Days Later machen, und damit sind wir auch schon wieder in den glorreichen 70ern. Dem Jahrzehnt, dessen Filme mittlerweile vielleicht die größte Vorbildfunktion nicht nur für das aktuelle Genrekino einnehmen.
West Virgina, viel Natur, viel Hinterwald und ein Stau auf dem Highway. Um dennoch pünktlich zum vereinbarten Vorstellungsgespräch zu erscheinen, entschließt sich Chris zu einer Alternativroute über die Bear Mountain Road. Wie das so mit zufällig gefundenen Umgehungsstraßen, Abkürzungen und vermeintlichen Geheimtipps ist, erweist sich dies als fatale Fehlentscheidung. Auf der einsamen Straße stößt sein schöner Mustang unverhofft auf den Landrover einer Ausflugstruppe, die in der Natur das Wochenende verbringen wollte, doch nun aufgrund eines fies ausgelegten Stacheldrahts und vier platten Reifen ebenfalls auf dem Schlauch steht. Mustang Totalschaden, Landrover platt und, wie sollte es auch anders sein, kein Cellphone Netz. Da bleibt nur der Fußmarsch und die Suche nach einem Festnetzanschluß. Und tatsächlich, da trifft man doch unversehens auf die Rettung versprechende Hütte, die Besitzer scheinen jedoch nicht zu Hause zu sein und statt eines Telefons stoßen Chris und seine neuen Freunde auf eine unappetitliche Sammlung von eingelegten menschlichen Körperteilen. Während die zwei Männer und Frauen noch angewidert und verstört in der Hütte herum stehen, kommt auch schon die deformierte Inzucht-Kannibalenbande von ihrer erfolgreichen Jagd zurück.
Standen für das Drehbuch offensichtlich vor allem Tobe Hoopers Blutgericht in Texas und Wes Cravens Hügel der blutigen Augen Pate, würzen Schmid und McElroy das eigentlich dünne Geschehen auf der Leinwand mit allerhand anderen erfolgreichen Zutaten des Genres, ohne jedoch dem Fehler zu erliegen eine reine Zitatensammlung abzuliefern. Die menschenfressenden Hinterwäldler erinnern mit ihren übernatürlichen Nehmerqualitäten ebenso an Jason Vorhees, wie Pfeil und Bogen an Boormans Deliverance. Es sind eher gut versteckte Verweise, mit denen Rob Schmid arbeitet und keinesfalls auf die Nerven geht. Mehr als solide ist dann auch die Art Schmids Inszenierung. Wohlwissend, daß es an der Zeit ist, die Beverly Hills 90210 Schiene zu verlassen, läßt er geerdete Twens in den Wäldern West Virginias abmurksen. Und ganz im Gegenteil zu seinem Kollegen Marcus Nispel, der im gleichem Jahr mit einem direkten Remake der Mutter aller Redneck Terrorfilme aufwartete und dabei mit unglaublich infantilen Bildern zu glänzen wußte – ich erinnere hier immer wieder gerne an die Kamerafahrt durch den zerschossenen Schädel der Anhalterin anfangs seines Filmes –, nicht auf explizite Gewaltdarstellung setzt, sondern ganz auf dramaturgische Kniffe baut. Sicherlich, ein Sonntagnachmittagsfilm ist Wrong Turn ganz bestimmt nicht, doch hält sich Schmid im Großen und Ganzen eher zurück. Die verstörenden Bilder deutet er in den meisten Fällen nur an, filmt sie aus der Perspektive des geheimen Beobachters oder gönnt ihnen nur Sekundenbruchteile Screentime, was der Suspense des Filmes unheimlich gut tut. Und auch das Timing Schmids ist beachtenswert, Längen sind so gut wie nicht vorhanden, keine Szene geht über das Nötige hinaus, was sich auch in der knackigen Spielzeit von nur knappen achtzig Minuten wiederspiegeln soll. Sobald die Hauptcharaktere Gefahr laufen sich in genretypischen Lächerlichkeiten zu verfangen, treibt Schmid die Ereignisse voran und vermeidet somit peinliche Logikfehler oder lenkt zumindest von ihnen ab. Davon gibt es natürlich einige. Daß zum Beispiel die Hütte der Kannibalen über keinen Telefonanschluß verfügen kann, erschließt sich dem aufmerksamen Zuschauer sofort. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, daß AT&T und Co. ausgerechnet in dieser kaum urbanisierten Gegend Telefonkabel unterirdisch verlegen. Und auch den Sprung aus einem brennenden Feuermeldeturm in das Geäst der umstehenden Botanik sollte wohl eher... Naja, lassen wir das lieber, wir sind hier ja im Kino und außerdem sind die Szenen in den Baumwipfeln eindeutig ein Spannungshöhepunkt des Filmes. Menschen, die unter Höhenangst leiden, werden definitiv kurz vor dem Herzstillstand stehen. Für das Mitfiebern sorgt aber auch der wirklich sympathische Cast, der Schmid für Wrong Turn zur Verfügung steht. Denn von Eliza Dushku bis Jeremy Sisto kann man von tatsächlichen Schauspielern sprechen. Jederzeit nimmt man ihren Charakteren Reaktionen und Handeln ab, auch wenn sie vom Drehbuch nicht gerade mit so etwas wie Tiefe ausgestattet sind, doch würde dies dem Spaß sowieso nur abträglich sein. Schmid gibt jeder Figur jedoch genug Entfaltungsmöglichkeiten, um sich mit ihr anzufreunden. So nimmt man Scott und Carly gerne ab, daß sie lieber gestern als morgen heiraten möchten. Jessie und Chris überzeugen hingegen durch ihren Tatendrang, der sich aus ihrer Rationalität ergibt. Ein herzliches Dankeschön übrigens an Rob Schmid dafür, daß er die obligatorische Knutschszene im Schneideraum beließ. Besitzer der DVD werden wissen, daß das Drehbuch hier anscheinend doch eine andere Entwicklung vorsah. Einmal soll der Zuschauer aber dann doch schmunzeln können, und zwar nach dem einfach nur als gelungen zu bezeichnenden actionreichen Finale des Filmes, an der nicht wegzudenkenden und für das Genre so bezeichnenden Einsiedler Tanke.
Nein, die Neuerfindung des Genres ist Rob Schmid mit Wrong Turn selbstverständlich nicht gelungen. Daß er es gar nicht erst versuchte, sollte dem Zuschauer jedoch ebenso klar sein. Wrong Turn ist einfach eine sehr straighte und temporeiche Blaupause des Backwood-Slashers, die befreit vom jeglichen Subtext stringent den Regeln des Genres folgt. Und genau das macht diesen kleinen Reißer aus.
7,5/10 Punkte
5 Kommentare:
Mist, 0,5 Punkte daneben.
Aber macht Lust sich den Streifen mal wieder anzugucken.
Jau, damit kann ich sehr gut leben.
5 Punkte zu viel für diesen Mist...
Yep, sehr schöner und straffer Backwood-Horror. Sehe ich immer wieder gern!
Ich habe mich in Dir getäuscht! Sehr schön! :-)
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