Die Apokalypse kam nicht mit einem Schlag, kein Atomkrieg, keine Naturkatastrophe ist im Jahr 2022 für die aussichtslose Situation in Richard Fleischers Dystopie verantwortlich. Der Mensch hat halt einfach so weiter gemacht wie bisher. Der Treibhauseffekt läßt Manhattan noch in der Nacht tropische Temperaturen erleben, der Smog hat sich in den Straßen festgebissen. Eigentlich selbstverständliche Dinge wie fließendes Wasser, frisches Gemüse oder gar ein Glas Erdbeermarmelade sind für den Großteil der mit 40 Millionen Menschen überbevölkerten Stadt unerreichbar und schon gar nicht bezahlbar. Nur wenigen ist das Privileg einer Wohnung vergönnt, die anderen schlafen halt einfach in den Treppenhäusern, die von bewaffneten Personal gesichert werden. Auf dem Markt gibt es statt Kartoffeln und Schweinekoteletts lediglich bunte synthetisch hergestellte Kekse, die besten, die grünen des einzig verbliebenen Lebensmittelkonzerns Soylent, nur dienstags, und dann auch nur rationiert. Eventuelle Aufstände bei ausbleibender Versorgung werden von der Polizei mit Bulldozern planiert. Polizist Thorn lebt zusammen mit Sol, dem Alten, der noch die schöne Welt mit eigenen Augen gesehen hat, in einer kleinen miefigen Wohnung. Aber so schlecht ist sie für Thorn gar nicht, auch wenn Sol da anderer Meinung ist. Sol gehört zum Inventar der Wohnung, doch über die Zeit hat sich zwischen den Beiden eine tiefe Freundschaft entwickelt. Sol recherchiert gerne für Thorn in den Archiven der Stadt, so kann Thorn seiner Arbeit auf der Straße besser nachkommen. Als Thorn zu einem Mord im Appartement-Komplex der Superreichen gerufen wird, wird ihm schnell klar, daß es sich nicht um den vermuteten Raubmord handelt, sondern um eine Hinrichtung. Sols Recherche nach war das Mordopfer Simonson ehemaliges Aufsichtsratsmitglied des Soylent Konzerns, aus dem er jedoch kurz vor seinem Mord zurücktrat. Entgegen dem Rat seines Vorgesetzten ermittelt Thorn weiter und kommt dabei hinter das schreckliche Geheimnis Soylents Greens. Sol läßt sich in der Suizidklinik einschläfern.
Es ist schon ein komischer Film, dieser Soylent Green, dem ausnahmsweise mal mit Jahr 2022... die überleben wollen ein sehr treffender deutscher Titel vergönnt wurde. Richard Fleischer hängt über die gesamte Spieldauer seines Zukunftsthrillers zwischen New und Old Hollywood. New sind natürlich die Themen des Filmes. Umweltverschmutzung, Klimakatastrophe, Überbevölkerung und die Macht skrupelloser Wirtschaftskonzerne mit all ihren sozialen Auswirkungen. Der Mensch ist als solcher nichts wert in Fleischers Jahr 2022, er wird nach seinem Tod nicht beerdigt, sondern mit dem Müllwagen entsorgt. Allein dieses Detail macht die Geschichte schon zu einer der pessimistischsten Zukunftsvision der Filmgeschichte, die sich im Kern der gleichen Ängste vor dem Identitätsverlust in einer industrialisierten und technokratischen Gesellschaft bedient wie z.B. George Lucas THX 1138 oder Francois Truffauts Fahrenheit 451, die sich sicherlich komplett anderer Szenarien und Methoden bedienen, in denen der Mensch jedoch gleichfalls austauschbar, von den Mächtigen belogen, manipuliert und auf die reine Funktion als Wirtschaftsfaktor reduziert dargestellt wird. Fleischer gelingt es aber, im Gegensatz zu den gerade genannten, eine absolut nachvollziehbare Welt zu erschaffen, indem er sich konsequent auf die sozialen Veränderungen einer solchen Zukunft konzentriert, technische Spielereien hinten anstellt und sich stattdessen voll und ganz der Detektivstory widmet, die in kleinen und großen Details die Gefahren einer möglichen Zukunft transportiert, die auch damals schon längst ihre realistischen Bezüge in der dritten Welt und der Historie findet. Fleischer versetzt die Schere zwischen Arm und Reich, den Hunger, die ausgeprägte Korruption, die nur mit Waffengewalt verhinderte Anarchie ins New York - das wie keine andere Metropole der Welt das Zentrum des zivilisatorischen Fortschritts darstellt - einer näheren Zukunft. Fleischers Konsequenzen einer immer mehr die Erde ausbeutenden industrialisierten Gesellschaft sind weniger ideologischer Natur als der ganz offensichtliche Zusammenbruch der Wohlstandwelt, deren ehemalige Vorzüge nur noch den Mächtigen und Reichen vorbehalten sind. Greifbare Alpträume für den westlichen Kinobesucher, Realität für die Mehrheit der Menschheit.
Fleischers Film ist ein Appell für mehr Verantwortung gegenüber der Welt in der wir leben, 30 Jahre vor Al Gore vermittelt Soylent Green ohne CGI und wissenschaftlichem Getöse die Auswirkungen eines ungebremsten Kapitalismus, der sich das nimmt, was er kriegen kann. Den Horror einer Welt, die die Menschheit nicht mehr ernähren kann, deren Ressourcen aufgebraucht sind vermittelt er in Nebensätzen. Da wird ein Apfel zum absoluten Luxusbankett und eine warme Dusche zum Ausdruck privilegierter Lebensart. Menschen nehmen einen Job als Wohnungsinventar an, ein Dach über dem Kopf gleicht die Demütigung des für den Mieter frei verfügbaren Sklaven aus. Der Polizist, Hüter des Gesetzes, Symbol für Sicherheit, wird zum Freibeuter wenn er sich ganz ungeniert an dem bedient was der Tatort noch an Annehmlichkeiten bieten kann. Materielles wird mit den Kollegen geteilt, jeder muß sehen wo er bleibt. Eine nihilistische Gesellschaft, die an nichts mehr zu glauben scheint. Die kirchliche Mission ist schon längst überfüllt und selbst der Geistliche stößt an die Grenzen der christlichen Leidensfähigkeit. Daß dieser Film nur inhaltlich ein moderner ist, oftmals durch Beleuchtung und das Schauspiel vor allem seines Hauptdarstellers an das alte Hollywood erinnert, mag da vielleicht nicht mehr so ins Gewicht fallen, verwirrt und verärgert dennoch an mancher Stelle. Der alte Umweltaktivist Heston interpretiert seine Rolle dann doch ein wenig zu heldenhaft, angereichert mit dem Charme eines damals schon längst auslaufenden Kinomodells. Auch wenn er sichtlich bemüht ist seinem bis dahin aufgebauten Klischee zu widersprechen, Heston ist Ben Hur, Heston ist Old Hollywood durch und durch. Das ist keine Schmach, aber zu Fleischers Soylent Green will dieser Typus Heston einfach nicht recht passen. Als ob Arnold Schwarzenegger Theo in Children of Men spielen würde. Man darf hier ganz unverhohlen von einer Fehlbesetzung sprechen, die den Film älter aussehen läßt als er es müßte. Ganz im Gegenteil zu Edward G. Robinson, der schon während der Dreharbeiten stark an seinem Krebsleiden litt und kurz nach der Fertigstellung des Films verstarb. Sein Sol steht für die im Jahr 2022 abhanden gekommene Integrität, die mit dem Nihilismus der neuen Gesellschaft nicht zurecht kommt und letzten Endes freiwillig das Feld räumt. Seine letzte Rolle verleiht Soylent Green das Quäntchen Menschlichkeit, die er benötigt, um nicht ganz und gar in der Hoffnungslosigkeit zu versinken. Soylent Green ist wahrlich weit von einem perfektem Film entfernt, doch hat er etwas ganz eigenes an sich, das ihn immer wieder sehenswert erscheinen läßt.
7,5/10 Punkte
3 Kommentare:
Schöner Film. Sollte ich mir auch endlich einmal zulegen.
Ein Hauch Unfairness wie ich finde durchflutet den Bericht. Vergleichbare Filme auf dem Niveau sind eher selten zu finden. Auch Logans Run hat eine düstere Zukunftsperspektive, okay mit Happy End, aber eine Vision.
Die Zukunftsprognose mit den Menschmassen ist einfach eine Richtig gute Fiktion. Auch das Ernährungsproblem, also ich steh auf den Film. Ich beantrage eine 9/10.
Ich beantrage eine 9/10.
Ich stehe selbst auf den Film, aber so ganz rund ist er halt nicht.
@moviescape
Wird gerade bei Saturn für 4,99 verramscht.;)
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