Fast Forward

Oldboy

Fünfzehn Jahre saß er ein, für welche Tat, das war ihm nicht bewußt. Nun ist er draußen, auf einmal in einer für ihn surrealen Welt, die er lediglich aus dem Fernsehen kennt. Das hatten sie ihm gelassen, dieses Guckloch nach draußen. Ausgestattet mit teurem Anzug und modernstem Handy begibt er sich erst auf die Suche nach seinen Peinigern, um sich fürchterlich an ihnen zu rächen. An seiner Seite die schöne junge Unbekannte, im Verborgenem der mysteriöse Unbekannte. Doch schon bald steht das Warum im Mittelpunkt seiner Suche und am Ende die große Läuterung. Park Chan-wooks poetische Kinopoer um die zerstörerische Kraft der Erinnerung, deren beide Hauptfiguren die Erlösung in der Rache suchen, jedoch auf diesem Weg ihr seelisches Gomorrha finden, zieht alle Register des postmodernen Kinos. Da wird narrativ aufgebrochen, die visuelle Emotionskeule geschwungen, einer Montage folgt die nächste und über allem schwingt Vivaldi. Da läßt einer inszenatorisch die Schwarte krachen, seine Schauspieler an ihren physischen als auch psychischen Grenzen agieren. Daß die in all dem Bilderwust überhaupt noch Luft zu atmen haben, grenzt schon an ein Wunder. Allen voran natürlich Choi Min-sik, dessen körperliche Präsenz neben seinem einnehmenden Spiel von bestaunenswerter Dynamik ist. Er ist es, der den Film über seine viel zu lange Spieldauer trägt, die sich aus dem Hang des Regisseurs sich in Nebensächlichkeiten zu verlaufen ergibt. Gerade im Mittelteil des Films läßt Chan-wook zu oft die Zügel schleifen, opfert die Stringenz der ersten vierzig Minuten überflüssigen Ausmalungen der Geschichte. Zum Teil kann man ihr nicht mehr richtig folgen. Wirklich gute Regie äußert sich anders, formidable Bildsprache hin, stilisierter Asiakitsch her. Letzterer findet sich dann in der Inszenierung der Auflösung des reispapierdünnen und unerträglich konstruierten Plots, in der Chan-wook einfach nicht zum Ende kommen möchte, er immer noch einen drauf setzt obwohl sein Tintenfischsushibuffet schon längst abgeräumt ist. Das mag das koreanische Herz erwärmen, meins bleibt kalt wie Mi-dos Hände.

6,5/10 Punkte

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Oh, Old Boy, den hab ich damals sogar im Kino gesehen. Und mich in dem Urteil bestätigt, dass ich mit diesen neuen "asia flix" nicht viel anfangen kann. Zwar amüsant, aber einfach zu abgefahren.

Flo Lieb hat gesagt…

Den schau ich demnächst auch mal wieder. Hab ihn jedoch stärker in Erinnerung, als du ihn hier "abwatschst" ;)

tumulder hat gesagt…

Na ich mußte mich jedenfalls durch die zweite Hälfte des Filmes durchkämpfen. Findest Du ich habe ihn abgewatscht? War nicht meine Absicht, fand ihn halt nur ziemlich leer innerhalb seiner audiovisuellen Hülle. Aber mein Gott, Park Chan-wook hatte seine Extra-Palme ja selbst nicht so recht verstanden. Lady Vengeance ist aber schon auf den postalischen Weg zu mir, ich bin gespannt.

Flo Lieb hat gesagt…

Die LADY fand ich selber ziemlich langweilig. Den MR. neulich allerdings zu einem Großteil auch. Vielleicht büßt BOY ja auch bei mir ein und pendelt sich auf dein Level. Das "abwatschen" meinte ich ja eher ironisch :P

tumulder hat gesagt…

Erschreck mich nicht so, nach den Vorschußlorbeeren der Lady erwarte ich Großartiges. Zu Oldboy gab es ja auch einige kritischere Reviews, die dann auch letztendlich mit meinem Eindruck konform gingen. Gott sei Dank, ich dachte ja schon ich wäre der einzige, dem das alles zu überladen war.;)

Flo Lieb hat gesagt…

So, gesehen. Find den Film immer noch sehr sehr stark, trotz seiner Konstruiertheit. Allein der Soundtrack ist ein Gedicht. Zum Glück besitz ich den schon, sonst müsste ich ihn kaufen.

tumulder hat gesagt…

Ich fand Vivaldi ziemlich redundant.;)

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