Von einem Meisterwerk wird schnell geschrieben, sobald ein Regisseur den Pfad der üblichen Konventionen verläßt, auf den ersten Blick nicht sofort durchschaubares, in jedem Fall aber offensichtlich gesellschaftskritisches auf der Leinwand hinterläßt, vielleicht noch grenzüberschreitende Provokation implementiert und das alles in eine gewisse filmische Ästhetik gießt. Takashi Miike ist ganz vorn dabei wenn es um Ästhektik geht, der Fließband Filmer mit seinen TV Wurzeln und oftmals verstörenden Blick auf gesellschaftlich ausgeübte psychologische Gewalt. Ichi The Killer ist sein wohl kontroversester Film, gerade aufgrund des hohen Gewaltgrades, mit dem er versucht die von Homogenität und Hierachidenken geprägte gesellschaftliche Struktur Japans anhand eines sadomasochistischen Yakuza-Streifens ihre tief innewohnende Unmenschlichkeit vorzuführen. Das Yakuza Sujet scheint ihm aufgrund der ausgeprägten hierarchischen Gliederung eine perfekte Plattform für seine Intention. Daß er gleichzeitig mit Ichi the Killer eine Dekonstruktion dieses Yakuza Mythos und auch dem des kalten Auftragskillers vorantreibt, ist dabei nur ein gern gesehenes Nebenprodukt. Von Anfang an konzentriert sich Miike auf die Darstellung der Demütigung, der Hilflosigkeit mit der man ihr gegenübersteht, weniger mit der Genugtuung der Täter. Steigert die Gewaltausbrüche im Laufe des Filmes auf ein immer mehr überspitztes Format bis sie letztendlich für den Zuschauer nicht nur als hinnehmbar, sondern auch als spaßige Unterhaltung gelten werden. Um dies zu erreichen, verläßt Miike zu keiner Zeit die Distanz zu seinen Figuren, vergrößert sie noch mit fortschreitender Handlung. Was jedoch von der Mehrzahl der Analysen über Zusammenhänge gesellschaftlicher Gewalt- und Machtstrukturen als Ergebnis akzeptiert wird, wird von Miike noch einmal aufgebrochen indem er Opfern und Tätern eine sadomasochistische Haltung zufügt, die die Aufrechterhaltung eben jener auf Gewalt basierenden Strukturen erklären soll. Doch läuft sein Film nicht wirklich rund, wirkt vieles der Realität enthoben, zu kryptisch auf den Zuschauer, der zwar sicherlich in seinem Sitz zusammenzuckt, dem es der Ekel eiskalt über den Rücken laufen läßt, wenn Kakihara das Gesicht seines Opfers mit spitzen Nadeln spickt. Wenn Miike den fragwürdigsten Rape and Revenge Film mit Leichtigkeit an visueller und emotionaler Brisanz in den Schatten stellt und als Kontrast zu den Ausbrüchen perverser Gewaltphantasien natürlich die langsame Gangart seiner Inszenierung stellt, die gewollt auf Suspension und Tension im eigentlichen Sinn verzichtet. Das ist kein unbekanntes Mittel der Regie. 1975 verarbeitete Pasolini seine persönliche Abscheu gegen Italiens faschistische Gesellschaft mit Salo ebenso anhand des Sadomasochismus, bediente sich dabei der literarischen Vorlage des Marquis des Sades. Pasolini wurde noch vor der Uraufführung seines Filmes ermordet, und bis heute hält sich das Gerücht, daß es sich um einen Auftragsmord rechter Kreise Italiens handelte. Takashi Miike braucht sich vor niemanden zu fürchten, abseits der visuellen Gewaltdarstellung kann Ichi the Killer keine außerordentliche psychologische Tiefenwirkung attestiert werden. Dafür ist Ichi the Killer einfach zu dahingeschludert, zu unausgegoren, was auch Miikes grundsätzliche formale Qualität nur in Teilen verschleiern kann.
4,5/10 Punkte
4 Kommentare:
An den Miike habe ich mich noch nicht ran getraut, obwohl Rainy Dog und der Agitator bei mir schon eine Ewigkeit rumliegen (will ja nicht gleich mit Audition anfangen^^). Kannst du von dem was empfehlen?
Ja ich würde sagen ... fange mal ruhig mit Audition an. Ich bin jetzt kein Miike Spezialist und irgendwie auch nicht gerade ein großer Fan der fünf Filme, die ich von ihm gesehen habe. Aber Audition war eindeutig der beste von ihnen.^^
OT: Fred is au bald weg, wa?
@flo
Das muß eventuell der neue Kahnager entscheiden.^^
Kommentar veröffentlichen
Kommentare zu Blogeinträgen, die älter als sieben Tage sind werden weiterhin von mir moderiert. Sei freundlich, fair und bleib beim Thema.