Halloween 2007

Rob Zombie landete vor 7 Jahren mit seinem ersten Spielfilm Haus der 1000 Leichen einen Überraschungserfolg. Die als Konsolidierung des Genres zu verstehende Achterbahnfahrt des schlechtes Geschmacks avancierte trotz einiger in der zweiten Hälfte deutlich erkennbaren Macken zum Geheimtipp unter Horrorfilm-Fans. So richtig in Fahrt kam Zombie doch aber erst mit der Fortsetzung The Devil's Rejects, in der er die kindliche Gore- und MTV Clip Attitüde seines Debütfilms gegen die Rückkehr des echten Schmuddel-Terrors des 70er Jahre Redneck-Horrors einzutauschen wusste und dem Zuschauer obendrein noch gekonnt einen Gewissenskonflikt aufhalste, indem er ihn mit seinem Hang zur Faszination mit dem unterbewusst als Outlaw empfundenen Serienmörder konfrontierte. Ted Bundy, Charles Manson, Dahmer ... Als John Carpenter Zombie 2007 für ein Remake des vielleicht wichtigsten Film seiner eigenen Karriere verpflichtete, war die Erwartungshaltung dementsprechend groß. Zumal Zombie mit seinem Fake-Trailer für Tarantinos und Rodriguez Grindhouse Doublefeature auch noch eine Art Ritterschlag der Gralshüter des postmordernen Genrekinos erfuhr, von dem sich Zombies Filme jedoch so erfrischend distanzierten. Zombie erhielt mit Halloween eine völlig neue Aufgabe, denn obwohl Mord und Totschlag immer Mord und Totschlag bleiben, sind die Topoi des Teenslashers doch völlig andere als die des von Zombie bisher so verstörend auf den Punkt gebrachten Backwoodslashers.

Halloween unterschied sich 1978 von den bis dahin manifestierten 70er Jahre Horrorfilmen, die von der Gesellschaft selbst erschaffenen Monstern am Rande der Zivilisation erzählten. Filme, die zu einem guten Stück von der bitteren Erkenntnis des Scheiterns der Ziele der Studentenbewegungen in den 60ern, von den verstörenden Bildern des Krieges in Vietnam und der gefühlten Resistenz des amerikanischen Konservatismus motiviert waren. In Halloween kommt das Grauen nicht vom Rande der Gesellschaft, ist das Grauen nicht die Rache der Vergessenen, die sich selbst überlassen in den hintersten Winkeln des Landes hausen. In Halloween ist das Grauen Teil der eigenen gutbürgerlichen amerikanischen Suburbia. Michael Myers Name, seine anonyme Erscheinung mit gesichtsloser Maske und nichtssagendem Overall, ein Symbol für die Konformität Laurie Strodes und der anderen Teenagers Vorstadtumwelt. Konformität in der Architektur, den Garagenauffahrten, den Mittelklasse Autos, in ihren Werten und Regeln. Auch wenn Carpenter es vielleicht gar nicht im Sinn gehabt haben könnte, Halloween ist ein Film über das Erwachsenwerden in einer gesellschaftlich stark reglementierten Welt, in der Regelverstöße streng überwacht und aufs fürchterlichste bestraft werden. Das Ausbrechen aus der eigenen Kindheit, die Pubertät mit all ihren Regelüberschreitungen als Sinnbild der Rebellion gegen diese Konformität. Myers beobachtet die Teenager im Film minutenlang aus seinem Auto, fährt durch die Straßen der Siedlung, belauscht mit dem Zuschauer die Gespräche der Jugendlichen. Laurie Strode darf am Ende nur überleben, da sie lediglich mit den Gedanken spielte die Regeln zu brechen. Diejenigen, die es wirklich taten bekamen Myers blitzendes Küchenmesser zu spüren.

Rob Zombie scheint diesen Kern Carpenters stilistisch perfekten Horrorfilms jedoch nicht verstanden zu haben. Sein Michael Myers ist nicht mehr der anonyme Schrecken, zwar von Grund auf böse – ja, das kann Zombie sehr gut -, aber bis Myers in Haddonfield angekommen ist, haben wir ihn schon bestens kennengelernt. Ein unverstandener Junge, aufgewachsen am Rande der Gesellschaft in einer Unterschichtenfamilie. Von der Mutter, die abends in der Tabledancebar die paar Kröten verdienen muss, um sich und ihre Kinder über die Runden zu bringen, ihrem besoffenen Freund und der Schwester vernachlässigt. Später in der Psychiatrie von den Wärtern misshandelt, verhöhnt. Zombie wandelt Carpenters Symbol einer Gesellschaft zu einem bösartigen Opfer der Gesellschaft. Macht aus Michael Myers einen Jason Vorhees, einen Leatherface. Gleichsam abgewrackt und monströs dann auch Myers Erscheinung. Michael Myers Maske ist nicht mehr weiß, Weiß die Farbe der Unschuld, sie ist braun, schwarz oder was auch immer. Zombie versteht Myers Maske als Zeichen seiner individuellen Bösartigkeit, seines Zorns, der so offenkundige Gründe hat . Für sie hätte es doch aber gar kein Symbol mehr gebraucht, so wie er sich da nach Haddonfield durchslasht.

In der zweiten Hälfte liefert Zombie dann endlich was sich die meisten Zuschauer wohl unter einem Teenslasher vorstellen. Der böse Mann kommt in den Vorort und schlitzt unartige Teenager auf. Völlig losgelöst von der ersten Hälfte Zombies Michael Myers Vision, völlig losgelöst von Carpenters Grundthema, das Zombie schon in der ersten Hälfte mit seiner Neuausrichtung – nicht zu verwechseln mit einer Neubetrachtung des Themas – ad absurdum führt. Es fällt schwer Zombies Film in dieser zweiten Hälfte überhaupt noch Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Ist das Gezeigte doch nur eine weitere Wiederholung schon gefühlt tausendmal gesehener Mordszenen. Sicherlich, mit Zombies eigener Wucht inszeniert, jedoch aller psychologischen Kraft über den Goregehalt hinaus befreit. Die Mittelschichtjugendlichen, denen Carpenter 1978 soviel Aufmerksamkeit schenkte, scheinen Zombie gar nicht zu interessieren. Sie sind nur Mittel zum Zweck, Futter für Zombies eigentliches Opfer. Seinem urbanisierten Backwoodslasher.

4/10 Punkte

5 Kommentare:

Dr. Borstel hat gesagt…

Sonderlich spannend fand ich auch das Original nicht; aus ebenden Gründen, die du beschrieben hast, aber immer noch sehr unterhaltsam - auf seine Weise ein Spiegelbild seiner Zeit, das auch dann noch fasziniert, wenn man die ungleich härteren Horrorfilme der Zweitausender gewohnt ist. Einen solchen Stoff modernisieren zu wollen ist schlicht und ergreifend Blödsinn, weshalb ich mir das Remake auch gar nicht erst angeschaut habe.

Kaiser_Soze hat gesagt…

Bereits DEVILS REJECT gefiel mir nicht sonderlich. Film ist okay, aber ich mochte HD1000L doch um einiges mehr, vor allem weil Zombie hier augenzwinkernd. DR war mir dann doch zu ernster Horror. Scheinbar mag Zombie das ohne Zynismus nicht gelingen.

Kaiser_Soze hat gesagt…

augenwzinkerT heißt es natürlich^^

David hat gesagt…

Haus der 1000 Leichen aka. der einzige Film, bei dem ich je eine Sneak vorzeitig verlassen habe :-)

tumulder hat gesagt…

Ich kann euch alle verstehen.

@kaiser_soze
Wie meinst du das mit dem Zynismus? TDR strotzt doch nur so vor Zynismus, oder habe ich dich da falsch verstanden.?

@david
Ich meine mich erinnern zu können, dass du der allergrößte Horrorfan überhaupt bist.XD

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