The Warriors - Come out to play-ay

Es gibt Filme, die sieht man als junger Mensch einmal und danach wird man sich ein Leben lang nicht mehr von ihnen lösen. Die den Sehnerv des Rezipienten für immer einjustieren, seinen späteren Filmgeschmack prägen werden, ohne daß es ihm vielleicht bewußt ist. Nein, man darf sie sogar zwischenzeitlich vergessen, manchmal für über zwanzig Jahre. Erst wenn man so einen Film dann nach so einer langen Zeit vielleicht durch Zufall wieder entdeckt, ihn in der Erwartung des Amusements über den eigenen Ungeschmack der Jugend anschaut und sich dann doch wider Erwarten der gleichen Begeisterung ausgesetzt fühlt, die der Film auch bei dem dreihzehn oder vierzehn jährigen Jungen auslöste, dann weiß man, dieser Film ist es. Der hat an allem Schuld...

New York, wo auch sonst. Cyrus, der größte aller Gangbosse der Stadt, der Mann mit der Medizin, hat zur Verkündung seiner Vision in die Bronx geladen. Wie ein Erlöser steht er da, auf dem eigens für ihn errichteten Podest, die Augen weit aufgerissen, die Arme zum Himmel empor gestreckt, einem religiösem Führer gleich in seinem weitem seidenem Gewand. Um ihn herum die von seiner Rede elektrisierte jubelnde Masse. 100.000 Gangmitglieder gegen gerade mal 20.000 Polizisten. Sie könnten die wahren Herrscher der Stadt sein, würden sie nur das Kriegsbeil untereinander begraben. Doch dann fällt plötzlich der Schuß, Cyrus sackt tot zusammen. Tumult, Panik und anrückende Polizei. Vom wahren Täter werden die Warriors des Attentat beschuldigt, deren Anführer von den Mitgliedern Cyrus Gang gestellt wird und noch bevor er seine Unschuld belegen kann in der Menschentraube des auf ihn einprügelnden Mobs untergeht. Der für diesen Abend ausgerufene Waffenstillstand ist aufgehoben und die restlichen Warriors müssen sich zu Fuß und per Bahn mit ihrem neuem Anführer Swan zurück nach Coney Island durchschlagen. 50 Meilen durch Feindesland.

Als authentisches Bild großstädtischer Straßengangs der ausgehenden 70er Jahre darf Walter Hills The Warriors ganz bestimmt nicht betrachtet werden. Hill und der Film machen daraus auch von der ersten Sekunde an keinen Hehl. „... there is a futuristic fantasy element running through the whole thing.“ schreibt Darren Collete auf DVDCult und könnte keine genauere Punktlandung bei der Beschreibung der Attitüde dieser Odysee hinlegen. Clockwork Orange und Assault on Precinct 13 waren Walter Hills Inspiration, kopieren wird er sie in den knappen nie langweiligen 90 Minuten jedoch nicht, in denen die Warriors von Polizei und den anderen Gangs durch das nächtliche New York gehetzt werden, begleitet von einem dynamisch diskoeskem Soundtrack aus der Feder Barry de Vorzons. Da gibt es nur zarte Verweise wie die Baseball Furies mit ihrem weißem Outfit, geschminkten Gesichtern und eben mit Baseballschlägern bewaffnet wie einst Kubricks und Alexander DeLarge Droogs. Die dunklen Straßen, Bahnsteige und Parks sind dann auch so menschenleer wie sie es schon kurz zuvor in Carpenters heruntergekommenen Vorort von Los Angeles waren. Für eine Kopie ist Hills comichafter Film viel zu eigenständig, bringt er selbst zu viel filmische Kreativität mit sich. Mixt düstere Zukunftsvision mit dem antikem Epos Homers, garniert mit einer gehörigen Portion Pathos und Indianer auf dem Kriegspfad Romantik. Ein Cocktail, der so blendend funktioniert, daß es schon erstaunlich ist, daß dem Film außerhalb der USA eher wenig Aufmerksamkeit abseits der Jugendgewaltdebatte vergönnt war. Denn filmisch ist The Warriors keinesfalls ein Leichtgewicht, angefangen bei der umwerfend stylisch montierten Anfangssequenz, in der es sogar einen jungen Samuel L. Jackson als Statisten zu entdecken gibt, über den schon erwähnten Soundtrack, den hervorragend choreografierten Straßenkämpfen, den äußerst fantasievollen Gangs bis zu Andrew Lazlows atmosphärischer Kameraarbeit. Hier deutet nichts auf einen aufgrund der Handlung vielleicht zu erwartenden B-Movie hin. Schon gar nicht die Darsteller von denen David Patrick Kelly als hinterhältiger Psycho Luther, dessen krankhaft ekelhafter Auftritt nicht nur gegen Ende des Filmes schon als popkulturelles Zitat gilt, besonders erwähnenswert ist. Was den Film neben den erwähnten Faktoren jedoch letztendlich so besonders macht, ihn trotz der ständig unterstellten fehlenden Substanz, der manchmal arg dated wirkenden Dialoge dennoch über seinen Status als Genrefilm hinaus interessant macht, ist die Art in der Hill seiner Geschichte und besonders ihren Protagonisten begegnet. Die Warriors sind keine homogene Gang von aus Pech in die Kriminalität gerutschten jungendlichen Gutmenschen. Ganz und gar nicht, Hill läßt die einzelnen Charaktere in den verschiedensten Situationen gerne Arschloch sein. Und selbst dem Anführer Swan, dieser Mischung aus extra introvertiertem die Gefahr witterndem Häuptlingssohn und Bravo Pinup, spendiert er eine Arroganz, die eher aus kleinbürgerlich reaktionären Moralvorstellungen resultiert als aus großer LebensKriegserfahrung, die jedoch keinesfalls als unterschwelliger Subtext des Filmes daherkommt, sondern gekonnt von ihrem Opfer entwaffnet werden darf. Das zeugt nicht nur von einer gewissen Distanz des Filmes zu seinen Figuren, sondern verstärkt die ihm generell innewohnende rohe und bedrohliche Atmosphäre noch einmal ungemein. Ja, sie gibt ihm sogar noch einen Hauch von New Hollywood Sozialdrama mit, was inmitten der ganzen clownesken Kostüme der New Yorker Banden ziemlich grotesk erscheint, aber ganz gut zur Stadt und zur Zeit paßt. Wie sang damals Grandmaster Flash noch in seinem Hit? New York New York, big city of dreams / And everything in New York ain't always what it seems. Walter Hill ist mit The Warriors bestimmt kein Meisterwerk gelungen, aber ein verdammt guter Film, der ständig zwischen den Genres wechselt, den Anti-Hero zelebriert und nicht zuletzt, das erscheint mir am wichtigsten, außerordentlich gut unterhält. Walter Hills The Warriors ist echte(r) Kult(ur).

8/10 Punkte

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Keine Tv-Tipps diese Woche?

tumulder hat gesagt…

Sind auf morgen verschoben. Kommen aber ganz bestimmt.

Anonym hat gesagt…

Er hat das K-Wort gesagt.
Jehova, Jehova!!
aber guter Film, in der Tat.

tumulder hat gesagt…

Lieber JMK, da sind wohl in meiner Begeisterung die Gäule mit mir durchgegangen. Ich, der in grenzenloser Naivität verfassende Filmliebhaber, der das böse K-Wort frei von jedweden marktschreierischen Attributen verwendet, habe dann noch schnell meine ganz eigene und freie Übersetzung für die jüngeren und von den K-Wort Marketingstrategien moderner Filmverleihe vergraulten Generationen beigefügt. Ich hoffe ich konnte das schlimmste noch verhindern.

C.H. hat gesagt…

"da sind wohl in meiner Begeisterung die Gäule mit mir durchgegangen" - "Ich hoffe ich konnte das schlimmste noch verhindern."

Zu Spät: Ich hätte da schon ein wenig mehr Objektivität erwartet... :D ;-)

tumulder hat gesagt…

Arrghh, was hat das schlechtes texten zu einem guten Film mit einem herbeigeführten Verriß zu einem sehr ordentlichen Film zu tun?

C.H. hat gesagt…

Hey, take it easy! War doch nur ein Scherz. Why so serious? ;-)

tumulder hat gesagt…

War mir schon klar, hatte ja nur meinen Zynismus spielen lassen und -> ;P vergessen.

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