Barbarella

1968. Die erste bemannte Umkreisung des Mondes. Der Mensch wird nur ein Jahr später zum ersten Mal in seiner Geschichte Boden betreten, der nicht auf der Erde liegt. Stanley Kubricks wegweisender Science-Fiction Film erregt bei seiner Uraufführung in Washington D.C. großes Aufsehen. Space Age, ausgelöst durch den Wettlauf zweier politischer und gesellschaftlicher Systeme, die ihre Vormachtsstellung auf der Erde mittels technischen Fortschritts untermauern wollen. Einen Kilometer unter der Erde erschüttert die bis dahin größte atomare Detonation die Wüste Nevadas und verdeutlicht die Kehrseite dieses technischen Fortschritts. Heute streiten sich Experten über die wirkliche Gefahr einer atomaren Apocalypse, ob dieses Horrorszenario, ausgelöst durch das Wettrüsten der mittlerweile verfeindeten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und ihrer konventionell geführten Stellvertreterkriege in Korea, Vietnam und Afghanistan, tatsächlich hätte stattfinden können. In Kubricks Zukunftsvision findet der Kalte Krieg immer noch statt. Zwar teilen sich Ost und West die äußerst beeindruckende Weltraumstation, doch gehen die Beziehungen der russischen und amerikanischen Wissenschaftler nicht über das höfliche Gespräch hinaus, der Fund des Beweises einer außerirdischen Intelligenz auf dem Mond wird vor der anderen Partei geheimgehalten.

In Roger Vadims Science-Fiction Welt hingegen scheinen die Wünsche der '68er Friedensbewegung wahr zu werden. Love and Peace und Lavalampen im ganzen Universum. 40.000 Jahre nach Christi Geburt ist Krieg keine Option mehr. Barbarella ist geradezu erstaunt, daß auf dem fernen Planeten, auf dem der abtrünnige Erdenwissenschaftler Durand-Durand mit seinem Raumschiff havariert ist, genau dieser eine Super-Waffe entwickeln sollte. Warum? Was hätte das für einen Sinn? Ausgerüstet mit allerlei Schießwerk aus dem Kriegsmuseum macht sich die Astronavigatrice auf den Weg, um die Unterjochung der Milchstraße zu verhindern. Wir merken schon, so ganz ernst meint es das Drehbuch des Filmes, der großzügig und ganz locker auf Jean-Claude Forest gleichnamigen Erwachsenen-Comics basiert, mit dem Frieden nicht. Der Status quo kann anscheinend doch nur mit Kriegsgerät aufrecht erhalten werden, auch wenn es dazu im Museum lagern muß. Aber da hätten wir ja noch die Liebe, und von der macht Barbarella im Verlauf der Handlung noch genug Gebrauch. Nettigkeiten wie die Rettung aus der Gefangenschaft einer äußerst bösen Kinderbande, die Barbarella ihren fleischfressenden Puppen zum Abendbrot anrichten, gleicht sie gerne mit einer Runde Beischlaf aus. Da Barbarella bisher nur die moderne Methode mittels Verzückungspillen und Handkontakt kannte, ist sie vom Liebesakt in der traditionellen Art und Weise mit Austausch von Körperflüssigkeiten, der eigentlich nur noch von den ganz Armen auf der Erde praktiziert wird, da sie sich die Pillen nicht leisten können, ganz angetan. Das Alte ist halt doch immer noch das Beste. Und des weiteren lernen wir auch, daß im Jahr 40.000 A.D., trotz intergalaktischen Friedens, Armut immer noch die Gesellschaft aufzuteilen scheint. Nachdem Barbarella durch einen erneuten Defekt an ihrem Raumschiff mitten im Labyrinth vor der Stadt Sogo aufschlägt, trifft sie auf Pygar, einem Engel, der nicht mehr fliegen kann. Er wurde, wie auch alle anderen Bewohner des Labyrinths, aus Sogo verbannt da er zu gut ist. In Sogo leben nur die Bösen, deren negative Aura als Nahrung für das Matmos dient. Das Matmos ist die Materie unter der Stadt, die ihr wiederum als Energiequelle dient. Nach einem Schäferstündchen mit Barbarella kann Pygar wieder fliegen und so geht es aufgerüstet mit den Museumswaffen gegen die Luftsicherheitsstaffel des großen Tyrannen auf nach Sogo. Pygar wird gefangen genommen und gequält, Barbarella korpuliert sich abseits der Kamera bis in den Schlafsaal des Tyrannen und kann schließlich auch Durand-Durand das Handwerk legen.

Das ist schon ein schräger Film, den Jane Fondas damaliger Gatte auf die Menschheit losläßt. Ständig zwischen herzerfrischender Naivität, psychedelischem Firlefanz und subtiler Ironie gegenüber der Flowerpower Generation schwankend. Da läßt er die Untergrundrebellen Sogos als chaotisch trotteligen Haufen Gutmenschen auflaufen, der noch nicht einmal den richtigen Ausgang aus seinem geheimen Versteck findet, was gerne als gelungener Seitenhieb auf so manch unorganisierten Aufstand gegen das Etablishment der damaligen Studentenunruhen gesehen werden darf. Auf der anderen Seite läßt er jedoch seine Barbarella, der Gegenentwurf zur Apple Pie backenden, treuen und artig nur zwecks Zeugungsabsichten ins Bett steigenden Hausfrau wie sie seit Jahren von Doris Day verkörpert wurde, dann leider doch die sexuelle Selbstbestimmung zugunsten rein männlicher Phantasie ausüben. So eignet sich Barbarella wohl eher als Vorreiterin des aufkeimenden Sexploitation Kinos, als zum Sinnbild der neuen Frau in einer selbstbestimmten Gesellschaft. Immerhin, der schreckliche Durand-Durand schafft es nicht sie zu Tode zu orgeln. Der gute Wille ist durchaus erkennbar. Witzigerweise war Jane Fondas Bruder nur ein Jahr später in Easy Rider zu sehen, der Film, der bis heute in der allgemeinen Auffassung als Sprachrohr seiner Generation gilt. Vadim hingegen orientiert sich dann auch inszenatorisch eher am alten Studiofilm und erinnert in weiten Teilen an frühe italienische Science-Fiction Werke, obwohl Vadim zu keiner Sekunde an den künstlerischen Genius eines Mario Bava anzuknüpfen vermag. Viel zu schludrig kommt Barbarella gerade von der technischen Seite daher. Beleuchtung und Kamera lassen einem oftmals die Haare zu Berge stehen, gerade in Anbetracht der teilweise wirklich gelungenen und phantasievollen Studiobauten, Kostüme und sonstigen Einfälle. Dino de Laurentiis hat eine Reihe handwerklich wirklich hervorragender Werke in seinem Produzentenportfolio, Barbarella gehört garantiert nicht dazu. Was doch recht schade ist, denn Barbarella hat eigentlich mehr Potenzial als zur 68er Trashikone. Ein ganz dunkles Kapitel ist der Score, selten findet er die richtigen Töne, besonders gegen Ende des Filmes mutiert er vollends zum kontraproduktiven nervtötenden Gedudel, das überhaupt nicht mehr zum Geschehen passen möchte. Ob das damals modern war, möchte ich bezweifeln. Warum läßt dann aber Barbarella, bei all ihren Unzulänglichkeiten, immer noch die Herzen so mancher Filmfreunde höher schlagen? Die Story ist haarsträubend, die technische Ausführung in weiten Teilen mangelhaft und dann, wie schon erwähnt der gruselige Score. An seinen Trashqualitäten allein kann es nicht liegen. Es ist natürlich Jane Fonda, immer knapp bekleidet in mindestens fünf verschiedenen Kostümen verströmt ihre unbeschwerte Nudity eine zeitlose und einzigartige Erotik, wie sie nur selten im Kino anzutreffen ist. Von der ersten Sekunde an übernehmen Jane Fondas Schönheit und Körper die Herrschaft über Vadims mäßigen Film und lassen alle Unzulänglichkeiten so erträglich, ja nahezu den ganzen restlichen Film zur Nebensächlichkeit werden. Das ist Vadim zuvor schon einmal gelungen. 1956 ließ seine erste Ehefrau Brigitte Bardot einen ähnlich mäßigen Film zum Erfolg werden ... und ewig lockt das Weib. Roger Vadim wußte es zu nutzen.

5,5/10 Punkte

7 Kommentare:

orangedoe hat gesagt…

OMG ist das David Hemmings in dem Bild? Was hat ihn denn dazu getrieben? Seh gerade in der IMDb: Die Rolle heißt "Dildano"?! Da reicht OMG gar nicht mehr. ZOMFG!

tumulder hat gesagt…

LOL. Es ist nicht gerade so, daß sich die beteiligten Schauspieler für Barbarella schämen müßten. Hemmings beweißt in dieser Beischlafszene übrigens komödiantisches Talent. Barbarella gehört schon in jeden Filmkanon, da bin ich mir sicher.^^

Rajko Burchardt hat gesagt…

Dir fehlt eindeutig das nötige Camp-Potential, um dieses Meisterstück ausreichend zu würdigen. :)

tumulder hat gesagt…

Nö, nö. Da wäre doch soviel mehr drin gewesen. Nicht eine Gesangseinlage und so weiter und so fort. Wenn schon Camp, dann aber richtig.;) Das hat der Dino bei Flash Gordon besser machen lassen, obwohl da auch nicht gesungen wird.:D

Yjgalla hat gesagt…

Och mönsch. Da freu ich mich, dass es außer mir noch andere Leute gibt, die Team America gut finden (daran hatte ich schon gezweifelt) und dannn schneidet Barbarella so schlecht ab. Der Film ist so Banane, da sehe ich doch über technische Unzulänglichkeiten und von mir aus schreckliche Musik (war das so?) gerne hinweg.

tumulder hat gesagt…

Ist wahrlich ein Film, der in der Erinnerung besser haften bleibt als er sich dann tatsächlich gibt. Ich war dann doch selbst ein wenig enttäuscht, nachdem ich die DVD mal wieder eingelegt hatte.

Frau Flinkwert hat gesagt…

Echt, nur 5,5 Punkte? Ich liebe diesen Film immer noch, wobei ich natürlich zugeben muss, dass ich "Barbarella" durchaus wegen des Trash-Faktors schaue. Gerne im Doppelpack mit "Flash Gordon" :)

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