Da gerät ein führender Angestellter eines weltführenden Futtermittelunternehmens unter Druck, da seine Abteilung monatlich an die 7 Mio Dollar Verlust einfährt. Zum Selbstschutz erdichtet Withacre einen Spion in der Firma, der die Lysin-Kulturen seiner Abteilung mit Bakterien verunreinigt. Das von der Unternehmensleitung kontaktierte FBI wird schon bald nicht mehr von der Unternehmensleitung unterstützt, wohl aber von Witharcre mit einem Berg von Halbwahrheiten und Lügen über Archer Daniels Midlands Geschäftsgebaren versorgt. Withacre wird zum wichtigen FBI Informanten in einem Fall, den es vielleicht gar nicht gibt und schon bald Mittelpunkt staatsanwaltlicher Ermittlungen, denn Withacre unterschlägt selbst mehrere Millionen Dollar während seiner Tätigkeit als ADM Manager und Bundespolizei Spitzel. Die außen- als auch innenpolitische Brisanz des Falls liegt auf der Hand. Ein Weltunternehmen, das den Markt für landwirtschaftliche Futtermittel mittels Preisabsprachen manipuliert, und ein Betrüger, der unter den Augen der Staatsorgane illegal privates Vermögen aufbessert, ohne daß diese Augen das jemals mitbekommen würden. Welch ein Stoff für die Grishams und Crichtons dieser Welt, ist aber tatsächliche Begebenheit vom Journalisten Kurt Eichenwald aufgezeichnet und von Steven Soderbergh nun sehr frei verfilmt.
Es erscheint logisch, daß ein Regiequerkopf wie Soderbergh es nun einmal ist, dies nicht in der gewohnten Form des Wirtschaftsthrillers nach altbekannten Konventionen mit ihren üblichen Einteilungen in Gut und Böse und den absehbaren Spannungsbögen inszeniert, an deren Ende eine halbstündige Gerichtsverhandlung steht. Ganz im Gegenteil, The Informant! versteht sich als lockere Groteske, die die Verbrechen über die sie erzählt schneller aufklärt, als es einem Thriller gut zu Gesicht stehen würde. Daß erkennt man nicht nur am Dixie-Score und den pink-poppigen Einblendungen der Ortsangaben, die so konträr dem eigentlichem Thema Wirtschaftsverbrechen gegenüberstehen. Witharcre wird von Matt Damon als leicht untersetzter Naivling in schlecht sitzenden Bundfaltenanzügen mit noch grausigeren Krawatten dargestellt, dessen Erscheinung mit der komischen 80er Jahre Frisur samt Schnurbart zum Schmunzeln einlädt. Wie er da so in seinem beigen Trenchcoat und mit dem Aktenkoffer durch die Großraumbüros, Empfangshallen und Meetingräume stiefelt, glaubt man eher an einen hoffnungslosen Handelsvertreter, der sein Glück im Verkauf von Fluxkompensatoren sucht, als an den leitenden Angestellten eines Weltunternehmens, der mit Millionen Budgets jongliert. Withacre strahlt diese Aura eines harmlosen Nerds aus, dem man nie Übles unterstellen würde. Vielleicht auch der Grund dafür, daß sich Withacre die Türen so lange offen halten kann, denn er spielt das Spiel beider Seiten genau in dem Maße mit, wie er es für seine weitere Karriere für nützlich hält. Jedesmal wenn ihm das FBI auf die Pelle rückt, spinnt er neue Konspirationen, die vermeintlich von seinen Verfehlungen ablenken, und gleichzeitig gibt er sich als loyaler Mitarbeiter der Unternehmensleitung. Ein Vabanquespiel, selbstverständlich.
In den teilweise amüsanten Off-Kommentaren darf der Zuschauer ein wenig mehr über diesen Withacre erfahren, oder auch nicht. Denn so sehr sie sich auch um die Ironie in Withacres Gedankenwelt bemühen, bleiben sie in ihrer Gänze ein genauso großes jedoch belangloses Geheimnis wie die Figur selbst. Offenbaren sie doch lediglich Withacres große Naivität, wenn er sich ständig in einem Agentenfilm anstatt in einer mißlichen Lage sieht. Wenn er tatsächlich glaubt immer noch der Good Guy zu sein, da das bisschen Schmiergeld, welches er auf Schweizer Konten hinterlegt doch im Vergleich zu den Preisabsprachen seines Arbeitgebers wie Peanuts erscheinen. Freilich, das alles erfährt der Zuschauer auch über die Handlung selbst. Und so läßt Soderbergh jeglichen Spannungsbogen vermissen. Reiht Gespräch an Telefongespräch, Meeting an Geschäftsessen, Büro an Empfangshalle, immer wieder unterlegt von Withacre nichtssagender Gedankenwelt. Da läßt Soderbergh in seiner Detailversessenheit mit der er die Wirtschaftswelt darstellt einfach die Türen für den Zuschauer verschlossen. Der muß sich die Unterhaltung in den Details suchen, etwa in der Nancy Reagan Garderobe Withacres Ehefrau Ginger, die natürlich als Symbol für das Sujet verstanden werden möchte.
Trevor Chan entwickelte in der Mitte der 90er Jahre mit Capitalism eine Computer-Wirtschaftsimulation für den Spielemarkt. Sie war so ausgereift, daß sie an den Universäten von Stanford und Havard zu Unterrichtszwecken eingesetzt und von Experten in den Himmel gelobt wurde. Trotzdem war das Spiel kein wirklicher Erfolg, denn Chan war vielleicht ein guter Programmierer und Mathematiker, aber ein selten schlechter Gamedesigner. Das Spiel bot auf Dauer trotz oder gerade wegen seiner Akkuratesse in der Darstellung wirtschaftlicher Zusammenhänge keine eigentliche Unterhaltung, die über seine Detailgenauigkeit hinausging. Genauso zwiespältig wirkt Soderberghs The Informant!. Es wird schwer sein, Soderbergh im Detail einen schlechten Film zu unterstellen. Matt Damon darf sich aus seinem zuletzt so schrecklichem Typecasting herausstrampeln, die Nebenrollen sind göttlich gegen den Strich besetzt, das formale Können Soderberghs steht eh außer Frage und auch der Film selbst funktioniert irgendwie als das was er sein möchte. Doch fehlt ihm im Ganzen die Herzlichkeit, der Biss überhalb der formalen Detailversessenheit, vielleicht auch ein wenig Boshaftigkeit gegenüber seinen Figuren, um letztendlich wirklich überzeugen zu können. Es ist nicht die Trockenheit der Wirtschaftskriminalität, die The Informant! ab einen gewissen Punkt doch so belanglos und langweilig erscheinen lassen. Es ist die sture Art in der Soderbergh den Fall Marc Withacre gegen ADM, das FBI und nicht zuletzt auch gegen sich selbst inszeniert. Die zwischen der 15. und der 95. Minute des Films einfach nichts neues zu erzählen weiß.
6/10 Punkte
5 Kommentare:
Very Right! Dem kann so absolut beipflichten. Habe den Film ebenso wahrgenommen (nicht wirklich gut, aber irgendwie auch nicht schlecht), und werde den somit demnächst auch mit 6 Punkten besprechen. Außer Damon hat mir im Übrigen insbesondere der quere Soundtrack, sowie das überakzentuierte Verwirrungsgesicht von Bakula gefallen.
Ich weiß auch nicht, ich habe die ganze Zeit gedacht, daß da doch noch was kommen müsse. Irgendein Goodie, kam aber nicht. Noch nicht einmal der Schlußgag, wenn man ihn denn als Schlußgag verstehen möchte, ist der Rede wert.;)
Naja, das klang bei dir im Twitter ja doch um einiges schlechter. 6 von 10 ist doch voll okay.
Also 6 Punkte sind höchstens so gerade noch okay. Ausreichend halt, und das lediglich aufgrund des Handwerks.
6 Punkte heißt eher "ganz gut".
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