The Wrestler

Er hatte seine große Zeit, damals in den 80ern. Randy „The Ram“ Robinson. Sein größter Erfolg der große Kampf gegen den „Ajatolah“ vor 20.000 begeisterten Zuschauern in der Halle und 1.500.000 vor den Fernsehschirmen. Doch irgend etwas muß dann auf dem Weg zur Legende schief gelaufen sein. Wir können es nur erahnen, denn erstens steht Randy immer noch im Ring, bereit die beste Show zu liefern, die sein geschundener Körper noch zu liefern bereit ist, und zweitens macht er dies nicht mehr in der Eliteklasse des Wrestling Zirkus mit seinen fetten Gehältern und Erlösen, sondern in einer der vielen halb-professionellen Independent Ligen, die die ländlichen Schulaulen und Sporthallen an den Wochenenden für kleines Geld füllen. Die Gagen reichen noch nicht einmal für die regelmäßige Begleichung des Mietzinses seines White-Trash Trailers. Den richtigen Zeitpunkt diesem Leben freiwillig Adieu zu sagen hat Randy längst verpaßt, und so hofft er doch noch auf die Chance eines Comebacks, von irgendeinem Manager der großen Veranstalter wieder entdeckt zu werden. Er liebt das Rampenlicht, die Show, den Ruhm. Die Anerkennung erfährt er jedoch nur noch von seinen Kollegen, die sich nach den Kämpfen bei ihm für die gute Arbeit bedanken. In der Umkleidekabine, hinter dem Vorhang wird schnell klar, daß sie Randys einziger Halt sind, eine Art Ersatzfamilie für jemanden, der nicht nur seinen einstigen Ruhm einbüßen mußte, sondern von dem sich auch Frau und Kind abgewendet haben. Der Mann hat es vermasselt, so richtig. Doch meint es das Leben noch einmal gut mit ihm, schenkt ihm die Warnung zum rechten Moment in Form eines Herzinfarktes, der ihn zur Aufgabe seines naiven Traumes zwingt und Randy zurück ins echte Leben spülen will. Auch in seinem Alter kann man nochmal neu anfangen, Fehler wieder gerade rücken und die echten Chancen am Schopfe packen. In Hollywood glückte dies schon auf unzähligen Filmrollen.

Das Eye of The Tiger bleibt jedoch verschlossen, stattdessen schenkt uns Aronofsky einen Film von seltener Aufrichtigkeit, der seine Figuren ernst nimmt und ihnen die Glaubwürdigkeit zugesteht, die vonnöten ist, um das Herz des Zuschauers für diese niemals melodramatische Tragödie zu öffnen. Dazu ist Aronofski bereit auf jegliches filmisches Brimborium zu verzichten, hier gilt die Aufmerksamkeit ausschließlich Randy Robinson. Die Kamera weicht nicht einen Moment von The Rams breiten Schultern, nimmt dabei die Perspektive eines Betreuers ein, der den imaginären Weltmeistergürtel auf dem Weg zum Ring hinter ihn her trägt. Da wird sogar Randys erster Arbeitstag hinter Wurst- und Fleischwarentheke im Supermarkt zur Showeinlage. Er liebt einfach das Rampenlicht und umso schmerzlicher wird für ihn die Erfahrung ohne seinen Künstlernamen dem Leben zu begegnen. Eine Hilfe dabei ist ihm Cassidy, die ihren Lebensunterhalt ähnlich wie er bisher auf einer fragwürdigen Bühne verdient, doch im Gegensatz zu ihm zwischen ihren Rollen als Stripptänzerin und Mutter zu unterscheiden vermag. Das Selbstbewußtsein nicht aus der Show zieht, die sie Abend für Abend vorführt, sondern aus ihrer Fähigkeit ihr Leben handeln zu können. Ein toller Gegenentwurf zu Randy, dem dies noch nie gelungen zu sein scheint. Ihrem Rat folgend versucht er wieder Kontakt zu seiner Tochter aufzunehmen, was ihm nach anfänglichen Schwierigkeiten auch tatsächlich gelingt, indem er es wirklich einmal schafft sein Ego hinten an zu stellen, seine Rolle als Showman, dem man doch nicht wirklich böse sein kann zu verlassen und ihr seine Fehler und Schwächen eingesteht. Mehr als ein Bitten um Versöhnung, mehr als eine Geste. Umso tragischer erscheint es wie fragil Randys Willen ein neues Leben zu beginnen wirklich ist, mit welch einer Schwäche er den Versuchungen seiner alten Welt begegnet. Ein schlechter Tag im Supermarkt reicht da schon aus, um das wackelige Gerüst, das er gerade errichtet hat, einstürzen zu lassen. Hier erreicht Aronofsky eine Effizienz, die nur wirklich guten Regisseuren vorbehalten ist. In wenigen Szenen konkretisiert er Randy „The Ram“ Robinsons Charakterschwächen, die sein Leben dahin führten, wo es jetzt ist. Erzählt vom Schmerz dem er seiner Familie in der Vergangenheit aussetzte, läßt die tiefen Wunden Randys Tochter Stephanie wieder aufplatzen, alles nur für ein wenig Spaß und vermeintlichen Ruhm auf der Groupietoillete. Randy „The Ram“s Schwächen nehmen die Rolle des unbesiegbaren Antagonisten nicht nur seines Lebens ein. Daß dies alles nicht zu der vielleicht erwarteten Schmonzette verkommt, liegt zum einen an der vorwiegend zurückhaltenden Inszenierung des Regisseurs, die dennoch immer nah an ihren Figuren dran ist und auch mal einen Hauch von Überschwänglichkeit mit sich bringt sobald Randy in den Ring steigt. Auf der anderen Seite ganz bestimmt an den klasse Darstellern, die sich trotz Mickey Rourkes phänomenaler sowohl körperlicher als auch spielerischer Präsenz nicht unterordnen müssen, denen Aronofsky immer wieder auch die Möglichkeit dazu läßt. Marisa Tomei interpretiert die Rolle der alleinerziehenden Mutter derart geerdet und glaubhaft, daß einem schon der Atem stocken kann wenn man sie dabei beobachtet wie sehr ihr doch die Angst vor einer Enttäuschung im Nacken sitzt, und auch Evan Rachel Wood nehmen wir die Wut und Verzweiflung der Tochter über eben jene Enttäuschungen mehr als gerne ab. So sehr fühlt man sich mit den Figuren des Films auf eigenartiger Weise verbunden, daß man auf eine Fortsetzung der Geschichte mit einem gutem Ende hofft wenn dann plötzlich schon der Abspann zu Bruce Springsteens melancholischer Ballade voll von Wehmut die Leinwand füllt. Wir wissen, dies kann nur ein naiver Traum sein. Da dürfte dann auch dem gestandenen Kerl die eine oder andere Träne über die Augenlider schwappen. The Wrestler – Ruhm. Liebe. Schmerz. Genau in dieser Reihenfolge.

9/10 Punkte

7 Kommentare:

C.H. hat gesagt…

Wie ist denn die Synchro gelungen? Oder hattest du das Glück den Film OV zu sehen. Die Synchro im Trailer hat mich nämlich erschreckt...

tumulder hat gesagt…

Synchro, OV, OmU, das ist bei diesem Film absolut zweitranging. Ich würde Dir jedoch zu OmU raten, da Mickey schon heftig nuschelt. Synchro war meines Erachtens o.k..

Anonym hat gesagt…

Ich würde Dir jedoch zu OmU raten, da Mickey schon heftig nuschelt

Naja, geht eigentlich.

Ansonsten Zustimmung, wirklich gelungen der Film.

Anonym hat gesagt…

"Mietzins" so so Herr Immobilienhai:-)

So siehts aber aus. Toller Film, kann mich dem Review nur anschliessen, abseits jeglichen Kitsches, fast schon dokumentarisch inszeniert und toll gespielt. Bewegend ung vor allem gehen die 2 Stunden rum wie nix.
Gut gemacht Hr. Aronofsky.

tumulder hat gesagt…

Ich find den Kontrast zwischen Mietzins und White-Trash-Trailer so schön.:D

Rajko Burchardt hat gesagt…

Oh schön, dass du als Aronofsky-Fanboy (ohne Wertung) jetzt nicht auch auf den alle-finden-den-gut-ich-fand-die-anderen-aber-besser-Gegenzug aufspringst.

Würde übrigens sagen, dass OV Pflicht ist. Aber das sage ich eh immer. ;)

tumulder hat gesagt…

Naja Fanboy... Ich habe jetzt drei sehr unterschiedliche Filme von ihm gesehen, die mir gut gefallen haben. Ob man da schon Fanboy ist weiß ich ja nicht.;)

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