Louise Hires a Contract Killer

In Frankreich reagiert das Volk dann doch schon ein wenig heftiger, wenn es um den Arbeitsplatz geht. Während hier in Deutschland vielleicht mal für ein paar Stunden die Autobahn blockiert wird, um die restliche Bevölkerung auf die bedrohte Exisztenz der Kumpel aufmerksam zu machen, fliegen dort gerne mal nicht nur Computermonitore durch die von der Schließung bedrohten Betriebe. So ist der Entschluß der weiblichen Belegschaft des gerade geschlossenen Textilbetriebs tief in der nordfranzösischen Provinz – also dort, wo es definitiv nichts außer dem nun geschlossenen Textilbetrieb gibt – zwar überspitzt, aber gar nicht mal so weit hergeholt. Die Frauen beschließen die beleidigend mickrigen Abfindungen, die ihnen die Geschäftsführung doch noch zugesteht, zusammenzuwerfen und etwas sinnvolles mit ihnen anzufangen. Die zuerst vorgeschlagene Pizzeria und der mögliche, doch wahrscheinlich nicht erfolgreiche, Nacktkalender werden nicht gerade mit Begeisterung von den Frauen aufgenommen. Als Louise, dieses groß und stabil gewachsene transexuelle Mannsweib, das nur im ersten Augenblick an Mutter Flodder erinnert, den Vorschlag unterbreitet, mit den 20.000 Euro einen Auftragskiller zu engagieren, der den ungeliebten Ex-Chef ins Jenseits befördert, ist man hell auf begeistert.

Doch erweist sich der von Louise angeheuerte Killer Michel, Sicherheitsbeauftragter eines Trailer Parks, alles andere als erfahren im Geschäft des Auftragsmords. So verfügt er mit Sicherheit über ein stolzes Arsenal an von seinem Hausingeneur entworfenen Handfeuerwaffen, kann aber ebenso mit Sicherheit selbst niemanden ein Haar krümmen. Da schickt er doch lieber diejenigen ins Rennen, die seiner Ansicht nach eh nicht mehr zu verlieren haben, da sie in den nächsten Tagen und Wochen in der Folge ihrer unheilbaren Krankheiten das Zeitliche segnen werden. Geschmackslos, keine Frage, aber wen stört das schon weiter, ist doch der ganze Film des französischen Regieduos Gustave de Kevern und Benoît Delépin so grotesk, rücksichtslos und zynisch wie so viele existenszerstörende und nicht nur für die Arbeitnehmerschaft kaum nachvollziehbaren Entscheidungen des Turbokapitalismus, über die ihr Film erzählt. Louise-Michel, so der Originaltitel in Anlehnung an die anarchistische Freiheitsrechtlerin des 19. Jahrhunderts, ist von einem rabenschwarzen lakonischen Humor durchzogen, der nur in einer der Ohnmacht gegenüber der eigenen Lebenssituation durchfluteten gesellschaftlichen Atmosphäre entstehen kann. Von sozial-romantischen Arbeitskampf ist hier weit und breit nichts zu sehen. Warum auch? Das haben wir doch schon längt hinter uns und es brachte nur für eine kurze Zeit eine leichte Verbesserung. Der Film schlägt nicht nur in gewisser Weise, sondern gezielt mit der selben Rücksichts- und Skrupellosigkeit derjenigen zurück, die aufgrund einiger weniger Prozentpunkte an der Börse ganzen Regionen die Lebensgrundlage entziehen.

Louise Hires a Contract Killer ist dabei ganz bestimmt keine aufklärerische Angelegenheit, ertrinkt keineswegs in Selbstmitleid, und ist auch sicherlich kein Aufruf zum Manager-Massenmord. Dazu ist seine satirische Ader einfach zu dick angeschwollen. Aber ganz sicher schwingt in ihm der Geist des Widerstandes, der doch in Zeiten der von Wirtschaftsskandalen überquellenden Seiten der Zeitungen schon längst hätte europaweit auf die Straßen getragen werden müssen. Mit welch einer sarkastischen Feinarbeit Kevern und Delépin hier den nicht nur gefühlten Hohn der Wirtschaftsführer auseinander nehmen, beweisen sie schon gleich zu Anfang des Filmes. „Ihr habt auf die 35 Stundenwoche verzichtet, ihr habt Lohnerhöhungen abgelehnt, nun nehmt doch wenigstens die Kittel an, die wir euch schenken möchten.“ , was nur noch im Epilog während der Geburt des neuen Erdenbürgers getoppt werden kann. „Ist es ein Junge oder ein Mädchen“, fragt da die glückliche Mutter. „Ach, das ist doch egal. Das entscheiden später eh die Chefs.“ Auf so viel bitterbösen Mut und politisch unkorrekte Unverschämtheiten, wie sie in Louise Hires a Contract Killer ununterbrochen von der Leinwand tröpfeln, rinnen und auch mal platzen - der Titel erinnert nicht von Ungefähr an Kaurismäki -, hat man sich im aktuellen Kino der letzten Jahre selten eingelassen. Dafür allein gebührt dem Film Respekt, selbst wenn einem das Lachen an so mancher Stelle vielleicht im Halse stecken bleiben sollte. Aber das ist beabsichtigt.

7,5/10 Punkte

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