Willkommen an der Carver High, Omaha NE-US. Ja, wir ahnen es schon, mittlerer Westen, Provinz, ganz klar. Aber das soll für das weitere Geschehen der Geschichte keine weitere Rolle spielen, der Ort ist in unserem Fall wie so oft nur territorialer Highschool-Allerweltsfaktor oder autobiografische Referenz des Erzählers. Mal schauen, wen haben wir denn da? Ah ja, Jim McAllister, Lehrer für Geschichte, Politik und Geographie. Zweifelsohne ein Vorbild altruistischer Lebensart, seinen Auftrag als Bildner der Jugend immer ernst nehmend. Was macht da schon die vergebene Chance der Karriere und des großen Geldes in der Großstadt, wenn er doch in seinen Job so aufgeht. Er ist glücklich, rund um. Beschützer und Förderer der Gesellschaft. Die Beliebtheit bei der Schüler- und Lehrerschaft kommt da ganz von allein. Gut daß ihn die Carver High hat, was sie ihm in der Vergangenheit schon zweimal mit dem Titel des Lehrers des Jahres danken konnte. Dann ist da aber auch noch diese Tracy Flick. In der Vergangenheit hatte sie sich schon für wirklich jedes Projekt und jeden Ausschuß an der Carver High engagiert. Solang eine Führungsposition für sie dabei herausspringen konnte. Immer ordentlich gekleidet, einsatzbereit, smart, korrekt. Man darf sie ohne Umschweif als Musterschülerin bezeichnen, der Traum eines jeden Lehrerkollegiums. In Anbetracht ihres Teenagerdaseins höchst verdächtig. Doch noch nicht einmal ihr Verhältnis zu McAllisters Kollegen Mr. Novotny darf man ihr zum Vorwurf machen. Ohne Zweifel hat der notgeile Sack sie auf's übelste verführt, indem er ihre Einsamkeit als eben jene Musterschülerin auszunutzen wußte. Da können ihm beim Entlassungsgespräch mit dem Direktor noch so die Tränen aus den Augen schießen, während er ihm die aufrechte Liebe zwischen Schüler und Lehrkörper beteuert.
Jim McAllister sieht das ein wenig anders, ihm ist Tracy Flick nicht geheuer, zumal Novotny sein bester Freund ist. Mit ihr kann etwas nicht stimmen. Und jetzt sitzt sie auch noch hier im Flur der Schule an ihrem Tisch, macht früh morgens vor dem Unterricht Wahlkampf für sich selbst, zur Wahl des/der Schülersprechers/in. Und das, obwohl es noch nicht einmal einen Gegenkandidaten gibt. Ganz klar ist Tracy Flick die Teufelin in Person, eine aus unehrenhafter Motivation dem eigenen Vorteil hinter laufende Streberin der allerübelsten Sorte. McAllister ist davon überzeugt ihren unvermeidlichen Wahlsieg verhindern zu müssen, um die Schulgemeinschaft vor dieser Ausgeburt des Bösen beschützen zu können. Sein Flick-Verhinderungsplan besteht in der Aufstellung eines Gegenkandidaten mit guten Siegeschancen, und wer eignet sich dafür nicht besser als der beliebte Football Star der Schule, Paul Metzler. Qualifikationen scheinen da eher Nebensache. McAllisters Plan bekommt zudem noch unerwarteten Rückenwind, nachdem Metzlers Adoptivschwester Tammy sich aufgrund ihrer Enttäuschung über die Beziehung ihres Bruders zu ihrer Freundin und Liebe Lisa dazu entschließt ebenfalls als Schülersprecherin zu kandidieren. Ihre entwaffnende und entlarvende Rede zur Funktion der Schülervertretung läßt die Turnhalle der Carver High beben, während Tracys und Pauls direkt aus der Hölle der Wahlkampfplattitüden zu sprudeln scheinenden Luftblasen lediglich müdes Gelächter und geschockte Gesichter in der Schülerschaft hinterlassen. Aber erstens kommt es auch hier anders als man zweitens denkt, und drittens erzählt Election von allem anderen, nur nicht von überraschenden Wahlsiegern.
Natürlich kann man Alexander Paynes Verfilmung der gleichnamigen und von der Kritik sehr warm aufgenommenen Novelle Tom Perrottas als High School Komödie in der Tradition der großen Vorbilder aus den 80ern wie dem Breakfeast Club, Ferris macht blau oder Fast Times at Ridgemont High (ich verzichte hier lieber einmal auf den deutschen Titel) sehen. Dazu birgt er alle Zutaten, die dieses Genre so erfolgreich und beliebt machten. Eine Coming of Age Geschichte, dämliche Lehrer, Humor, den verzweifelten, den naiven, wie auch den obligatorisch unbeliebten Sieger-Teenie. Nicht zuletzt Matthew Broderick, der neben John Cusack wohl wie kein dritter für diese Ära des amerikanischen Jugendfilms stehen dürfte. Er funktioniert gut aus dieser Sichtweise, als mit schwarzem und zynischem Humor gespickte Milieustudie, die das Leben an einer High School sehr genau betrachtet, ein Gefühl für den richtigen Ton entwickelt, in der sie die großen und kleinen Probleme ihrer Protagonisten niemals der Lächerlichkeit preisgibt, sondern auf äußerst sympathische Weise die ihr anvertrauten Figuren an die Hand nimmt und die Untiefen ihres eigenen Handelns konkretisiert. Election würde sich in dieser Paradedisziplin Hollywoods gut schlagen, denn am Ende bekommt jeder was er verdient, auch wenn dies vielleicht nicht auf dem ersten Blick sofort ersichtlich ist. Doch Perrottas Stoff bietet noch eine andere Ebene, die des Konflikts zwischen Moral und Ethik. Zwei dem Anschein nach gleichlaufende Disziplinen unserer menschlichen Gesellschaft, die jedoch im Alltag oftmals gegeneinander antreten müssen. Daß die Darstellung dieses Konfliktes nicht in einer moralinverseuchten Versuchsanordnung endet, ist Alexander Paynes hervorragender Eigenschaft als liebe- und humorvoller Kenner der menschlichen Schwächen zu verdanken, die er in seinem noch folgenden Filmen fast zur Perfektion ausbauen können wird. Und selbstverständlich auch den beiden glänzenden Hauptdarstellern Reese Witherspoon und Matthew Broderick, denen ihre Rollen auf dem Leib geschneidert scheinen. Selbst wenn sich der Zuschauer auf dem Weg zur Erkenntnis die eine oder andere kleine Länge gefallen lassen muß …
8/10 Punkten
11 Kommentare:
töten, töten töten. Das war mein erster Gedanke zu Witherspoons Charakter. Der Film lebt in der Tat von der "Harmonie" zwischen den beiden und so fies muss man erstmal spielen.
Das führte soweit, daß ich Reese Witherspoon selbst eine zeitlang nicht mehr ertragen konnte.;)
haha! Dito. Bis Walk the Line kam, da war sie grossartig und stahl dem Joaquin so ein wenig die Schau
Die war auch schon oftmals vorher das Beste an den Filmen, in denen sie mitspielte. Aber der Flick wollte ich das einfach nicht zugestehen.^^
Wenn ich schon alleine Sitzposition, die dürren Beine, Pullunder und Doris Day Gedächtnisfrisur auf dem Bild sehe geht es schon wieder los.
Nichts umsonst heisst es:
die Axt im Hause, erspart die Witherspoon
Ist der einzige Film in dem ich die Witherspoone ertrag, auch weil sie sich hier quasi selbst spielt.
Wie es der Zufall so viel hab ich zu dem Film auch ein Review irgendwo in einem Ordner der selber nur ein Ordner innerhalb vieler Ordner ist. Langer Rede kurzer Sinn: bei mir kam der Film noch ne Ecke besser weg, wobei ich ihn wahrscheinlich auch primär aus einem anderen Blickwinkel heraus rezipiert habe, der für dich hier nur am Rande eine Rolle spielt (was keineswegs schlimm ist - nicht, dass das falsch rüber kommt).
Und wenn man "viel" mit "will" austauscht, dann macht der obige Post sogar Sinn.
Welchen Blickwinkel meinst du denn? Ich denke der Film funktioniert beinahe aus jeder Sicht heraus, selbst wenn man ihn aus rein formaler Sicht betrachtet. Daher würde mich deine Sicht schon interessieren.
Das wollte ich ja nicht abstreiten, dass er aus jeder Sicht heraus funktioniert. Ich rezipier ihn halt hauptsächlich als High School "Komödie"/Film, und weniger als Spiel auf Moral und Ethik, wobei das natürlich auch eine (große) Rolle spielt. Daher meine Äußerung, dass der Film bei mir wohl deswegen noch besser wegkommt, weil ich ihn hauptsächlich als Film über die High School sehe.
Ja natürlich funktioniert er als High School Komödie großartig, habe ich ja auch extra betont. Ich denke er ist mehr High School Komödie als Road Trip oder American Pie, alles an ihm Schule.;)
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