E tu vivrai nel terrore - L'aldilà aka Über dem Jenseits

Lucio Fulci, der Vielfilmer. Nicht selten weißt seine Filmographie mehr als einen Film pro Jahr auf, eigentlich waren zwei Filme in zwölf Monaten bei ihm Standard, gerne auch mal drei. Nein, ein Auteur des Kinos, wie seine Ziehväter Fellini oder Visconti es waren, war dieser Fulci nie. Er blieb Zeit seines Lebens eher der Pragmatiker, der Handwerker der sich der künstlerischen Mittel bediente, um seine Filme effektiver zu gestalten, jedoch nie um der Kunst willen. Sein Ziel war es seit je her das Publikum neunzig Minuten zu unterhalten, nicht das Herr der Filmkritiker.

Louisiana 1927. Langsam gleiten die Boote durch die Nacht, Fackeln erleuchten die angespannten Mienen der Männer und das nahe Ufer, außer dem leisen Plätschern der Riemen beim Eintauchen in das ruhige Wasser und dem Zirpen der Grillen herrscht Stille. Kein Wort wird geredet, auch nicht als sie sich mit den anderen Männern der Stadt vor dem großen Haus treffen, das in seiner Erscheinung ein wenig an das Bates Anwesen erinnert. Ein Lynchmob, fest entschlossen der nicht beachteten Warnung die angedrohte Strafe folgen zu lassen. Das Opfer weiß wie es um ihn geschehen wird, doch wird es bis zum letzten Augenblick nicht davon ablassen sein Werk zu vollenden, während die Prophezeiungen des Buch Eibon vom Ende künden. Die schweren Ketten der Männer reißen das Fleisch des Malers auf, das Gesicht, die Brust. Schwere Fleischwunden. Dann treibt der Mob große Eisennägel durch die Unterarme seines Opfers, begleitet vom grandiosen Score Fabio Frizzis. Doch es reicht den Männern nicht den Frevler an der Wand zu kreuzigen, um das Leid zu steigern, sein Gesicht auf immer zu entstellen, übergießen sie ihn mit ungelöschten Kalk. Das Fleisch löst sich von seinen Knochen, schmilzt dahin. Dann mauern sie ihn ein.

„And you will face the sea of darkness, and all therein that may be explored.“

Vierundfünzig Jahre später erbt die New Yorkerin Lisa Merrill das alte Hotel und beginnt mit der Renovierung. Knapp bei Kasse geht diese aber nur nach und nach vonstatten. Nachdem der Anstreicher vor Schreck über eine Geistererscheinung im Fenster des Hotels vom Gerüst fällt und sich dabei das Genick bricht, stößt Joe der Klempner (kein Witz) im Keller des Anwesens auf den eingemauerten Maler Schweick, der ihm, auferstanden von den Toten, kurzerhand nicht nur ein Auge sondern auch das Lebenslicht auskratzt. Von nun an geben sich Untote und mysteriöse Todesfälle die Klinke in die Hand. Das Hotel wurde laut dem Buch Eibon auf einem der sieben Tore zur Hölle erbaut, das Joe durch die Freilegung des einst gekreuzigten Malers geöffnet hat.

Es gibt wohl nur wenige Horrorfilme, die eine ähnlich dichte Atmosphäre aufbauen und sie auch bis zum Ende durchhalten – ja, sie sogar noch permanent steigern können. Das war unumstritten Fulcis Ziel für das er konsequent Logik, Handlung oder gar ein schlüssiges Drehbuch in den Hintergrund stellt. Streng genommen ist Über dem Jenseits nichts anderes als ein Remix seiner beiden vorherigen Filme Ein Zombie hing am Glockenseil und das Haus an der Friedhofsmauer, indem er nun vollends seinen Hang zum Surrealismus austobt. In dem nicht nur Fulcis oftmals schräge Kamera mit Groß- und Detailaufnahmen mit der Unterstützung des schon erwähnten creepingen Scores für ein entrücktes Filmerlebnis sorgt, sondern auch eines der skurrlisten Sounddesigns der Horrorfilmgeschichte für die Aufhebung der Grenzen zwischen irdischen und übersinnlichen Erfahrungen. Da hört sich das Zerschneiden eines Totenhemdes in der Pathologie des örtlichen Krankenhauses in etwa so an als ob dickes Papier zerrissen wird und die Spinnen, die Lisas Freund Martin im Katasteramt ins Reich der Toten holen als ob sie von einem mechanischen Aufziehmechanismus angetrieben werden, fünf Kilo wiegen und gerade über irgend etwas knautschiges krabbeln. Herrlich wie es im nassem riesengroßen Keller Plitschert und Plätschert wie an einem Gebirgsbach. Das alles im Zusammenspiel mit den natürlich ungemein gorerigen Momenten, an denen Fulci auch dieses Mal nicht spart, erinnert an eine zirkuseske Horroroperette deren Charme man sich nur schwer entziehen kann. Da darf man ein im wahrsten Sinne des Wortes traumhaftes Setdesign bewundern. Ob es die völlig leere Autobahnbrücke mitten im Meer ist, auf der Lisa zum ersten Mal Emily begegnet. Diesem warnenden Geist, den Lisa aufgrund des Hundes für eine blinde Frau hält. Oder eben Emilys romantisch vom Grün überwuchtertes Südstaatenhaus. Im Kontrast dazu die sterilen Krankenhausräume, deren Persilweiß auch gleich von Fulci für einige tolle Szenen genutzt werden kann. Zuvorderst natürlich diese, in der des Klempners Witwe vor Schreck bewußtlos auf dem Boden liegend von einer ätzenden Lösung in ein schäumendes Gemisch aus Blut und Fleisch aufgelöst wird, dessen Rot sich langsam über den Fußboden verteilt. Blutende Wände, Nebel und Gewitter zur rechten Zeit und aus dem Nichts auftauchende Untote, die ihre Opfer mit der typischen Fulci Ruhe zerlegen. Gemälde, die die Hände derer bluten lassen, die sie berühren. Und natürlich das unvergeßliche Finale, indem die Gesetze von Zeit und Raum vollends aufgehoben werden und sich die Protagonisten in einer neuen Dimension wiederfinden. Wessen romantisches Horrorherz geht hier nicht auf? The Beyond ist eine Achterbahnfahrt auf dem Rummel des Surrealen und supernaturalen Horrors. Wer möchte sich da über die sprunghafte Erzählweise aufregen, wenn gerade diese dazu führt, daß das Ganze in einem absolut außergewöhnlichen und vielleicht Fulcis eigenständigsten Film endet. E tu vivrai nel terrore - L'aldilà kann kaum in Worte gefaßt werden, der muß gesehen werden.

8,5/10 Punkte

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja, ja, ja! Die Liste für die Bärse am 28. steht schon!

P.S.: Du solltest mal an Deiner Interpunktion arbeiten und die Texte nochmal drüberlesen. :p ;-)

(das mit Joe dem Klempner is aber echt saugeil! :D)

tumulder hat gesagt…

Danke, ich muß mir mal angewöhnen die Texte vorher nochmal auszudrucken. Kleiner Fulci Tipp am Rande. Sollte Dir Don't torture the Duckling über den Weg laufen - zugreifen.

Anonym hat gesagt…

Schönes Review, besonders das Finale ließ mich den Film damals ins Herz schließen + der echt fantastische Score.

"Don't Torture A Duckling" ist nicht nur ein kleiner, sondern ein großer Tip! Hab ihn hier selber stehen, kommt zwar nicht ganz an die großen Gialli von Argento ran, aber viel fehlt da nicht.

Rajko Burchardt hat gesagt…

Auch hier wieder Zustimmung, wenngleich ich weniger euphorisch wäre.

Aber das ist schon ein sehr uriger Film, i like it.

tumulder hat gesagt…

ein sehr uriger Film

Ja, das ist der richtige Ausdruck dafür. Urig - Klasse.:D Vielleicht war ich wirklich ein wenig zu euphorisch, aber ich wollte einfach seine Einzigartigkeit herausstellen.;)

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