Unverfilmbar. Sicherlich wird auch Frank Herberts Science Fiction Zyklus Dune dieses Prädikat noch eine ganze Weile für sich beanspruchen dürfen. Nicht daß man es nicht schon längst versucht hätte, diese Zeilen sind ja nur aufgrund eines Versuches entstanden, aber verfilmt wurde Herberts wegweisende Zeitgeistbetrachtung noch nie wirklich. Jodorowsky, Scott, um nur die bekanntesten zu nennen, versuchten sich lange am Stoff. Doch am Ende standen entweder ein zu langes Script, Zerwürfnisse mit den Produzenten oder abgelaufene Filmrechte. Die Liste der Unwägbarkeiten ist lang. Schließlich, Dino de Laurentiis besaß inzwischen die Rechte, wurde das Projekt dem jungen David Lynch angetragen. Der hatte zuvor den Elefantenmensch gedreht und ein Angebot zu Georges Lucas Rückkehr der Jedi Ritter ausgeschlagen. Warum er sich ausgerechnet Laurentiis Angebot zu Dune annahm, ist fraglich, denn eigentlich hatte Lynch nach eigenen Aussagen überhaupt kein Interesse an Science Fiction und kannte schon gar nicht Herberts Werk. Es wird wahrscheinlich für immer sein Geheimnis bleiben, Lynch spricht nicht über Dune. Jodorowsky plante zuvor einen 10 stündigen Film, um dem Stoff gerecht zu werden. Scott hingegen sah die einzige Möglichkeit Dune ins Kinoformat zu bringen in einem Zweitteiler, Lynch dampfte Dune schließlich auf knappe vier Stunden ein. Noch immer zu lang für Laurentiis. So sorgten Nachdrehs und eine unglaublich grobe Schere für die endgültige etwas länger als zweistündige Kinoversion Herberts literarischen Meisterwerks, das in seiner detaillierten Erschaffung einer vollkommen fiktionalen Welt mit all ihren Metaphern zur Realität vielleicht noch am ehesten mit Tolkiens Herr der Ringe zu vergleichen ist.
Um es gleich vorweg zu nehmen, das Ergebnis ist erschreckend schön und erschreckend unfertig zugleich. Ja, unfertig. Über eine Stunde baut Lynch eine dichte, fantastisch ausgestattete Geschichte um Paul Atreides, dem als Erlöser des Universums auserkorenen Sohn des beliebten und gutmenschlichen Herzog Letho. Herzog Letho wird die Überwachung der Spiceproduktion auf dem Planeten Arrakis übertragen. Die Produktion des für das System so überlebenswichtigen Spices darf nicht erliegen. Doch dem Imperator ist Letho schon längst ein Dorn im Auge, zu mächtig, zu beliebt ist Lehto mittlerweile in diesem Universum. So unterstützt der Imperator das Haus Harkonnen, angeführt von Baron Vladimir und Erzfeind der Atreides, in seinen Angriffsplänen gegen eben diese. Die Atreides erfahren auf Arrakis eine erschütternde Niederlage, Herzog Letho stirbt, Paul und seine Mutter Jessica können jedoch in die Wüste, in die verbotene Zone flüchten, wo sie von den Fremen, den Ureinwohnern Arrakis, aufgenommen werden. Paul wird zu ihrem Anführer im Kampf gegen die Harkonnen und den Imperator.
Das ist nicht unbedingt ein David Lynch Stoff, dessen Arbeiten ihren Ursprung eigentlich im Intimstem finden. In unseren Urängsten, dessen Geschichten in kleinen überschaubaren Räumen stattfinden. Der winzigen Wohnung in Eraserhead, dem Wandschrank Dorothy Vallens in Blue Velvet, dem lediglich 1201 Einwohner zählenden Ort Twin Peaks oder dem Schlafzimmer der Madisons in Lost Highway. Wem mag es da überraschen, daß Dune immer dann stark ist, wenn Lynch auf Themen seines eigentlichen Interesses stößt. Wenn es darum geht das mulmige Gefühl der bevorstehenden Gefahr, die Angst vor der unabwendbaren Zukunft, das absonderliche der Geschichte darzustellen. Baron Harkonnen, wie er sich da auf seinem Industrieplaneten Giedi Prime die eitrigen und übergroßen Pocken im Gesicht behandeln läßt, wie ihm des Wahnsinns Geifer aus dem Mund quillt. Da kehrt er noch einem Cronenberg gleich das häßliche Innere des Barons nach außen. In den intimen Momenten Pauls finden sich dann schließlich die wirklichen für Lynch typischen Momente. In Pauls Visionen, die leider im fertigen Film viel zu kurz kommen. In den Momenten höchster Gefahr, als er anfangs den Test des Benet Gesserit Ordens ausgesetzt wird, dessen nicht Bestehen seinen unweigerlichen Tod zur Folge hätte. Später auf Arrakis, während des versuchten Attentats in Pauls Gemächern. In den zweifelnden beobachtenden Blicken der Charaktere des Films. Lynch schafft es spielend über die erste Hälfte hinweg, in der das Haus Atreides und Paul eingeführt werden, eine beachtenswerte und keineswegs unterschwellige Aura des Verrats und Mißtrauens zu legen. Es ist diese außergewöhnliche Atmosphäre der ersten Hälfte, die in ihrer Art so konträr zum damaligen Abenteuerkino steht, die die Erwartungen an Lynchs Film in seinem weiterem Verlauf so sehr enttäuschen wird.
Unumstritten hat auch der Schneideraum Dino Laurentiis großen Anteil an der Zerfahrenheit der zweiten Häfte des Films, in der Paul Atreides, jetzt Paul Muad'Dib, die Fremen im Krieg gegen die Ausbeuter des Planeten Arrakis anführt. Gehetzt von einem Ereignis zum anderen, unausgegoren, die für das Popcornkino so existenziellen großen Leinwandmomente vernachlässigend, sie nur anschneidend, geht es schnurstracks auf das Ende zu. In den letzten vierzig Minuten eilt die Story voran, als ob jemand ständig seinen Zeigefinger auf der Fastforward-Taste der Fernbedienung hält. Als ob der Abspann nicht schnell genug kommen könnte. Unbegreiflich, immerhin stellte Dune mit 40 Millionen Dollar den bis dahin dritt-teuersten Film der Geschichte Hollywoods dar. Lediglich für Mankiewicz Cleopatra und Donners Superman mußten die Produzenten vormals tiefer in ihre Taschen greifen. Ein Wahnsinn, den man gerne auch mit Perlen vor die Säue geworfen beschreiben darf. Aber auch in den übrig gebliebenen Fetzen des verhinderten Epos ist erkennbar, wie ungeeignet Lynch für Herberts Science Fiction Mythos war. Wie sehr Dune gar nicht sein Film sein konnte. Uninteressiert die Actionsequenzen, geradezu schluderig unimposant trotz der visuellen Wucht der Ritt auf dem Wurm, wie undramatisch das Finale daher kommt. Ein kurzer Kampf Mann gegen Mann und Muad'Dibs zerstörende Worte. Da kann Totos Melodic Rock Score noch sehr versuchen dem Film eine Relevanz über die stilistische Brillanz der ersten Hälfte hinaus einzuverleiben. Es hilft alles nichts. Am Ende bleibt ein Film, der zwar mit seinem Setdesign zwischen viktorianischer Industrialisierung, WWII Militarismus und Cyberpunk, einem überraschend edlem Cast und einigen Querköpfigkeiten seines Regisseurs immer noch faszinieren kann – gerade im Vergleich zu den üblichen Science Fiction Produktionen seiner Zeit -, doch der die berechtigten Erwartungen an eine Dune Verfilmung am Ende ebenso wie die spätere TV Verfilmung für den Sci-Fi Channel nicht ansatzweise zu erfüllen weiß. Sondern höchstens einen kleinen Einblick in die Science Fiction Welt Frank Herberts gewährt. Ob das die für das kommende Jahr angekündigte Neuverfilmung besser machen wird, ist fraglich. Momentan sucht man noch nach einem neuem Regisseur.
6/10 Punkte
3 Kommentare:
Jaja, "schön" kann er ja, der Lynch. "Dune" fehlt mir (wie eigentlich fast alle frühen Lynchs)noch, aber gerade auf "Dune" hab ich noch nie große Lust gehabt.
@C.H.
Geht mir ja genauso... und die schlechten Scheiben hier in Deutschland machen auch nicht auf mehr Lust.
Anschauen sollte man sich die Kinoversion aber schon alleine wegen des erwähnten grandiosen Designs und der fast gelungenen ersten Hälfte. Den Rest kann man ja als überlangen Spoiler-Trailer betrachten.;)
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