Fear and Loathing in Las Vegas

Gonzo. Was ist eigentlich Gonzo? Irgendetwas Verrücktes muß Gonzo sein. Ein Genre im Pornofilm, der Dorftrottel im kleinem Ort in der Nähe Palermos, meine Lieblingsfigur neben Beaker in der Muppet Show oder der Typ, der in einer Bostoner Kneipe das Saufgelage als letzter auf beiden Füßen stehend überstanden hat. Und da wären wir auch schon fast am Ziel. Gonzo-Journalismus, so nennt sich auch der subjektive, von Sarkasmus und Überspitzungen vereinnahmte Schreibstil zwischen Berichterstattung und Fiktion, dessen Ursprünge sich in den 30ern Jahren finden, jedoch erst durch Hunter S. Thompson zu Beginn der 70er Jahre eine große Popularität erfuhr. 1971 erschien Thompson Roman Fear and Loathing in Las Vegas, in dem er sein Alter Ego Roaul Duke mit dem samoanischen Rechtsanwalt Dr. Gonzo nach Las Vegas, der amerikanischsten aller amerikanischen Städte schickt, um über das Mint 400 Rennen in der Wüste Nevadas zu berichten. Im Kofferraum und Blutkreislauf eine schon bald unüberschaubare Flut von psychedelischen Drogen, begeben sich die beiden auf die Suche nach den Überbleibseln des neuen amerikanischen Traumes, die schon bald in einen paranoiden Selbstzerstörungstrip endet.

Wo Duke und Dr. Gonzo auflaufen, übernimmt das Chaos die Herrschaft über die Szenerie. Verwüstete Hotelzimmer, mit dem Messer bedrohte Fotografen, Kellnerinnen, unbezahlte Rechnungen und Suizidversuche. Unmöglich in diesem Zustand über das Mint 400 zu berichten, aber es wäre ebenso unsinnig über dieses Wüstenrennen, das sich nach wenigen Minuten durch den aufgewirbelten Wüstenstaub selbst für den Außenstehenden als unüberschaubares Chaos gibt, auf konventioneller Art und Weise Bericht zu erstatten. So des Dukes Überzeugung, der stattdessen versucht seine Drogenerfahrungen in einem Roman zu verarbeiten. Fear and Loathing in Las Vegas. Am Ende wird Roaul Duke jedoch wieder unverrichteter Dinge nach Los Angeles zurückkehren, nicht ohne vorher noch völlig breit einem Anti-Drogen Kongress der Staatsanwälte beigewohnt und ein noch größeres Trümmerfeld hinterlassen zu haben.

Man könnte meinen, Gilliams Film wäre einfach nur eine Achterbahnfahrt zweier Spinner, die sich auf einem Drogentrip befinden und dabei die Kontrolle verlieren. Und ja, warum sollte man dies nicht gelten lassen? Schließlich bietet der Film oberflächlich betrachtet nichts anderes als einen 120 minütigen Drogenexzess mit all den Auswirkungen eines solchen. Spaß, Hysterie und Katerstimmung nach dem morgendlichen Erwachen. All die Überheblichkeit und Arroganz gegenüber dem Establishment, seinem Irrwitz, die im Rausch Dukes und Dr. Gonzos in übersteigerten Ausmaß zur Entfaltung kommen, was für einen Sinn sollte dies alles sonst haben? Der Witz, die Satire, die sich weniger auf Dukes und Dr. Gonzos Opfer bezieht, als auf die beiden Protagonisten selbst, wird jedoch während der genaueren Betrachtung des Filmes erkenntlich. Was hat all die Provokation, der äußerliche und innerliche Aufstand gegen das konservative Amerika gebracht? Die Rebellion gegen die Borniertheit des reaktionären Bürgertums, der Kampf um die Freiheit, um die Veränderung der Welt. Versinnbildlicht durch das Gebären seiner Hauptfiguren, das noch nicht einmal mehr wirklich provozieren kann. Die beiden werden nicht einmal mehr von denen beachtet, gegen die sie ankämpfen wollen, die sie verachten. All ihre LSD Paranoia nichts als ein schlechter Witz. Kein Mensch in Las Vegas und Umgebung interessiert sich für sie. Am Ende ist nichts geschehen. Kein Knast, keine Prügel, kein Tod auf dem Highway. Was hat das Aufbegehren letztendlich gebracht, außer der Beliebigkeit, mit der die einstiegen Feinde nun den Dissidenten entgegentreten? Ein Irrglaube, die Welt allein durch Acid, Gras und dem Vertrauen in die Kraft eines Zeitgeistes verändern zu können. Dukes und Dr. Gonzos Drogeneskapaden sind nichts anderes als die Flucht vor dem Kater, den das Scheitern der Hippie Bewegung Ende der 60er Jahre mit sich brachte. Nixon und Vietnam, statt Love and Peace.

In der zweiten Hälfte des Filmes, der sich insgesamt stark an den als unverfilmbaren Stoff Thompsons hält, kommt dies verstärkt zum Ausdruck. Duke und Dr. Gonzo sind nicht mehr die Agitatoren, die sie noch anfangs zu sein schienen, sondern nur noch auf der Flucht vor dem Chaos, das sie zuvor hinterließen. Drogen, na klar, wie soll man sich sonst vor der Realtität retten können? Die Party ist schon längst vorbei, alle Versuche, sie noch einmal in Gang zu bringen, können nur scheitern. 1965, das war eine andere Zeit, sechs Jahre später sollte man lernen den Spaß in der Niederlage zu erkennen. Gilliams weiß dies alles in seinem Film unterzubringen, der selbst durch und durch auf den Pfaden des Gonzos wandelt und nur an den Stellen halt macht, die sich nicht mit dem Medium Spielfilm vereinbaren lassen. Johnny Depp, eng mit Hunter S. Thompson befreundet, und Benicio del Toro ist der Spaß an ihrer Performance zwischen Karikatur und Overacting, das für Gilliams Chaos überaus wichtig ist, deutlich anzusehen. Gilliam steuert diesem Wahnsinn ansatzlose CGI Montagen, schräge Kameraeinstellungen und einen überbordenen Symbolismus bei. Formalitäten, die aber nie zur Hauptattraktion des Filmes werden, sondern sich immer ganz dem Geschehen und Thompsons Erzählung unterzuordnen wissen. Es ist schade, daß dieser Film wohl 30 Jahre zu spät entstanden ist und dadurch einem Publikum vorgeführt wird, das sich doch gar nicht mehr mit seinem eigentlichen Inhalt identifizieren kann. Der diesem irgendwie so fremd erscheinen muß, daß da letztendlich nur noch Gilliams Inszenierung Dukes und Dr. Gonzos Wahnvorstellungen übrig bleibt. Keine Frage. Doch besser ein zu spät verfilmter Stoff, als nie verfilmter Stoff. Und vor allem, was ändert das an der Tatsache, daß Gilliam hier einen der wunderbarsten Filmbeiträge zum Kino der 90er Jahre abseits der Tarantino und Boyle Hinterherhechelei erschaffen hat?

8/10 Punkte

18 Kommentare:

Flo Lieb hat gesagt…

Hab den Film, wie schon 12 Monkeys, seit ein paar Jahren nicht mehr gesehen. Würde ihn aber aus der Erinnerung heraus besser einstufen.

Kaiser_Soze hat gesagt…

Die erste Filmhälfte ist wunderbar schräg und total amüsant... nach 45 Minuten kann ich mir das Paranoia-Gehüpfe und Gelabber nicht mehr anhören.

Doc Savage hat gesagt…

Es gab Zeiten, da konnte ich große Teile aus dem Film zitieren. Die "Ich als dein Anwalt rate dir" Sache ist immer wieder ein Brüller!

Ja, ich mag ihn und das nicht nur wegen der Darstellung der Wahnvorstellungen, sondern ich mag ihn vor allem als Gesamtkonzept.

C.H. hat gesagt…

Der Kaiser ist mein Mann: Die erste Filmhälfte ist wunderbar schräg und total amüsant... nach 45 Minuten kann ich mir das Paranoia-Gehüpfe und Gelabber nicht mehr anhören. Das kann ich so zu 100 Prozent unterschreiben.

tumulder hat gesagt…

@flo
8 Punkte gleichen bei mir doch schon einem Ritterschlag.:D

@Kaiser
So ein Kater macht ja auch im richtigen Leben keinen echten Spaß.;)

Anonym hat gesagt…

It's full of stars, ... äh colors. Oder so. Bekifft immer gerne, nüchtern naja, geht so. Ich finde ja dass der Subtext anhand der überbordenden Farben, Figuren schon sehr leidet.

Doch besser ein zu spät verfilmter Stoff, als nie verfilmter Stoff
uuuuuuuh!!

tumulder hat gesagt…

@c.h.
Ich kann das irgendwie nicht nachvollziehen. Die zweite Hälfte hebt den Film doch erst von solchen Werken wie etwa "Cheech & Chong" ab, da der Film hier wirklich anfängt etwas zu erzählen.

tumulder hat gesagt…

@jmk
uuuuuuuh!!
Naja, Ausnahmen bestätigen die Regel.:D

C.H. hat gesagt…

@ tumulder:

Ach, ich würde das doch auch gerne verstehen. Aber das ist ja mein Problem: Ich hab den Film bei meinen drei Versuchen noch nie bis zum Ende durchgehalten. Aber irgendwann bestimmt, vielleicht.... eventuell... ;-)

tumulder hat gesagt…

Ich hab den Film bei meinen drei Versuchen noch nie bis zum Ende durchgehalten.

Dann wird das wahrscheinlich auch nichts mehr mit dir und dem Film werden. Und das, obwohl du ja schon so einiges durchgehalten hast.;)

HappyHarryMitDemHarten hat gesagt…

Gibt es vielleicht demnächst eine Kritik zu West and Soda von dir?

jenny hat gesagt…

Mich hat der Film nach einer Weile nur noch genervt. Das ist aber ein Problem, das bei vielen Gilliam-Filmen in variiernden Graden auftritt.

Anonym hat gesagt…

Ich liebe diesen Film. Danke für die tolle Kritik!

tumulder hat gesagt…

@harry
Ja, aber das wird noch ein wenig dauern. Ich habe bisher lediglich kurz reingeschaut.^^

@kwyjibo
Danke.

HappyHarryMitDemHarten hat gesagt…

@tumulder:

WEST AND SODA wird bei mir auch noch was dauern, als nächstes (vielleicht noch heute) kommt erst mal THE MAN CALLED FLINTSTONE...

Flo Lieb hat gesagt…

So, den unmerklich verlängerten Director's Cut gesichtet. Generell ist dem Kaiser in einer Hinsicht zuzustimmen: die zweite Hälfte fällt etwas ab. Dennoch ein wunderbarer Anti-Kriegsfilm, vielleicht sogar einer der besten des Genres, auch wenn du recht hast: der Film kam fast 30 Jahre zu spät.

tumulder hat gesagt…

Anti-Kriegsfilm?

Flo Lieb hat gesagt…

Jupp.

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