Ja, die Außerirdischen, die lassen uns ja irgendwie doch nicht los, seitdem die Amerikaner irgendwann vor mehr als 60 Jahren einige Flugexperimente in der Wüste Nevadas durchführten und die Landbevölkerung die Überreste eines Absturzes fand. Im Kino durften die Aliens, was nichts anderes als Ausländer bedeutet, dann erst als Anti-Kommunismus Propaganda herhalten, bevor Steven Spielberg und noch einige andere Regisseure dann ihr Potential als Retter, Freunde und Verfolgte erkannten. Seit ungefähr 15 Jahren dürfen sie im Kino aber wieder ihren in den 50er Jahren angedachten Erdannexionsplänen nachgehen. Kein Wunder, daß die in Neill Blomkamps Film District 9 gezeigten Aliens jüngerem Kinopublikum äußerst neu und frisch vorkommen dürften. Die sind nämlich am Anfang seiner Arpartheidsallegorie schon auf der Erde, genauer gesagt Johannesburg/South-Afrika, angekommen bzw. gestrandet und fristen nun aufgrund ihrer Andersartigkeit ein aus menschlicher Sicht bedauernswertes Leben in einem Township. Eben jenem titelgebenden District 9. Und das schon seit 20 Jahren.
Von den Menschen wird der unangemeldete Besuch aus dem All, eine Mischung aus Dr. Zoidberg (sie haben ungefähr die gleichen Tischmanieren), Dreamworks Antz (ja, ja es gibt auch niedliche und schlaue) und einer Horde Paviane, die gerade über die Feldküche Dr. Livingstones herfällt, der Einfachheit halber abfällig Prawns, in der deutschen Synchro Shrimps, genannt. Man kann sich die Debatte, nach welch geltendem Recht sie denn nun behandelt werden sollten - internationales Artenschutzabkommen oder Genfer Menschenrechtskonventionen - gut vorstellen. Aufgrund der kulturellen und biologischen Gegensätzlichkeit mit den Menschen scheint ein friedliches Nebeneinander oder gar Miteinander einfach nicht möglich. Ganz im Gegenteil, Johannesburg wird immer mehr zum Brennpunkt von Unruhen und Konflikten. Die MNU, ein privates Sicherheits- und Militärunternehmen, überwacht nicht nur District 9, sie soll auch für die Umsiedlung der mittlerweile auf 1,8 Millionen Aliens angewachsenen Bevölkerung in das neu eingerichtete und 250 Km vor Johannesburg liegende Zeltlager District 10 sorgen. Als Leiter der Aktion wird Wikus van de Merwe auserkoren, ein trottelig naiver Bürokrat, der mit Leichtigkeit auf dem ersten Blick mehr als Opfer seiner Berufung denn als des Teufels General ausgemacht werden darf. Daß die Umsiedlung unter der Leitung eines solchen Idioten in Verbindung mit dem Haufen verwegener Hunde, den die Söldner der MNU darstellen, nicht gut gehen kann, ist dabei so klar wie Kloßbrühe.
Es ist schon irgendwie schade, daß Blomkamp den eingeschlagenen Pfad der dokumentarischen Satire, den er in der ersten Hälfte verfolgt, immer mehr zugunsten einer vermeintlich sicheren Actiondramaturgie in der zweiten Hälfte verläßt. Ja, unnützer Weise sogar seinem Stoff den Boden unter den Füßen wegreißt, indem er zwei nur allzu menschliche Außerirdische auswählt, von deren Überleben die Rettung Wikus und der übrigen Alienbevölkerung abhängt. Es ging doch in der ersten Hälfte um die Unfähigkeit der Menschheit sich mit dem Fremden zu arrangieren. Wie blöd nur, daß seine Opferhelden dann doch nichts anderes als die üblichen Kandidaten altbekannter Kinomechanismen darstellen. Da wünschte man sich Blomkamp hätte sein Publikum doch vor eine schwierigere Aufgabe gestellt. Der Film wirkt dadurch in seiner Gesamtheit als hätte Michael Moore zusammen mit Terry Gilliam Paul Verhoevens Robocop und Starship Troopers adaptiert, und nach 50 Minuten kapern McG und Michael Bay den Vorführraum des Kinos und zeigen ihr gemeinsames Remake Steven Spielbergs E.T.. Ob das gutgehen kann darf sich jeder selbst ausmalen. Dabei sollte man nicht die Verquickung von Arthouse- und Mainstreamkino verdammen - diese schreckliche Selektion von Anspruch und hirnfreien Popcorn im Kino der letzten Jahre ist ja gerade das große Ärgernis, und daß Blomkamp mit District 9 hier offensichtlich ein Zeichen setzten möchte, ist wirklich äußerst begrüßenswert -, sondern einfach die unnötige Plattheit, mit der Blomkamp seinen Stoff zu Ende bringt. Die Frische und Verve, mit der sein Film nicht nur dem Genre anfangs begegnet, endet dann doch im Einheitsbrei der inhaltlichen Langeweile. Untermalt von Ethno Tunes XIV CD 2 Track 6.
6,5/10 Punkten
6 Kommentare:
hmmm, also als Action-Narr hatte ich natürlich meinen Spaß an der zweiten Hälfte und den "Alien-Waffen" vorne weg! :D
Aber auch wenn der Wechsel vom Doku-Stil hin zum Action-Mainstream relativ unauffällig war, wäre er trotzdem nicht nötig gewesen.
Insgesamt würde ich noch einen Punkt drauflegen, dann is aber auch jut.
Da hätte dir der Feuilleton-Liebling von von Trier sicher besser gefallen ;-)
@doc
Das Problem ist ja noch nicht mal die Äktschn, sondern einfach nur die 08/15 Dramaturgie. Ich fand das echt langweilig.;)
@flo
Ach Gott, wie oft hast du schon versucht mich einzuschätzen?^^
Sehen wir ja wirklich exakt gleich!
Ah... toller Banner! DAS ist Science-Fiction. :D
@rajko
Ich bin ja mal auf unsere Antichrist Reviews gespannt. Ich habe ja schon fast ein wenig Angst vor dem Film, so unglaublich schön und böse er doch sein soll. Hoffentlich kein Schritt zurück auf dem Weg zur Überwindung meines latenten Kulturpessimismuses.;)
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