Nemesis

Albert Pyun, kaum zu glauben, daß der hawaianische Garant für zweit- und drittklassige Videotheken-Fließbandware tatsächlich in Akira Kurosawas Lehre ging. Pyuns Filme sind vor allem eines, ziemlich schlecht. In Zahlen ausgedrückt pendelt sich die durchschnittliche Bewertung seines an die 45 Filme zählenden Lebenswerkes in der IMDB irgendwo zwischen 3 und 3,5 von 10 Punkten ein. Da kann man nicht mehr von einigen wenigen Ausrutschern sprechen, die die Wertung seines Gesamtwerkes nach unten ziehen. Und obschon ich der trashigen Seite des Kinos keinesfalls abgeneigt bin, würde ich doch behaupten, daß nur die allerwenigsten seiner Werke soetwas wie ein Lächeln auf des Zuschauers Gesicht zaubern dürften. Dabei setzen seine Filme nicht selten auf bekannte und vor allem nicht unbeliebte Namen der Branche. Von Van Damme bis Seagal, von Hopper bis Lambert, erstaunlich, wer schon alles in einem Albert Pyun Debakel mitwirken durfte. Wer Dr. Uwe Boll für einzigartig im Geschäft hält, kennt Albert Pyun nicht.

2027 AD, Polizist Alex jagt im Auftrag des L.A. Police Departments Terroristen, dabei wird er mal wieder ordentlich in seine extenziellen Einzelteile zerlegt. Macht aber nichts ist er doch die Luxusvariante des Sechs-Millionen-Dollar-Mannes und besteht zu großen Teilen aus mechanischen und elektronischen Implantaten. Wie er versichert, ist er aber noch zu 87,4 % menschlich. Cyborgs gegen Menschen gegen Roboter. Kein uninteressantes Science-Fiction Genre, das mit Blade Runner, Terminator und Robocop drei echte Großkaliber des fantastischen Kinos in den 80er Jahren hervorbrachte. So hält sich Pyun dann auch in den knappen 90 Minuten an die großen Vorbilder, ohne jedoch mehr als deren Oberflächen abzubilden. Film Noir, poliertes Metall, Action, Muskeln und fette Ballermänner. Viel Farbfilter sorgt für einen edlen Look, der die von Pyun gewählten Drehorte bei weitem sensationeller aussehen läßt, als sie es in Wirklichkeit sind. Doch, das sieht alles in allem schon sehr endzeitlich aus. Gerade zu Anfang, wenn der Maestro des schlechten Films seinen Protagonisten in einem herzerfrischenden Oldschool Shootout inmitten einer industriellen Abrißszenerie mit viel Schwung und schmackhaften Detonationen gegen avantgardistisch kostümierte Terroristen Weibsbrut antreten läßt. Nach dem verlorenen Kampf muß Alex erst einmal wieder zusammengeflickt werden, das L.A.P.D. gönnt ihm Rehabilitation in der Wüste, bevor es Alex in den nächsten Einsatz schicken möchte. Und schon befinden wir uns in den Abgründen eines Pyun Drehbuchs. Alex rächt sich per Zufall an der Kontrahentin, die ihn zuvor noch in die Werkstadt schoß, erkennt dabei, daß ihre letzten Worte seinen Status als Mensch betreffend Wahrheit beinhalten, und sagt dem L.A.P.D. Adieu, ihr Lieben. Er hat keinen Bock mehr auf Menschen töten und schlägt sich in New Rio de Janeiro als Datenschmuggler durch, bei dem die Mehrzahl seiner Geschäftspartner ins Gras beißen müssen. Das Drehbuch und die Logik sind halt Pyuns ärgste Feinde, was aber nicht bedeutet, daß Nemesis als Film nicht funktioniert. Viel zu kurzweilig stellt sich die Cyberterroristen Jagd auch im Mittelteil dar. Nachdem Alex von Polizeichef Farnsworth zu einer erneuten Zusammenarbeit per transplantierter Bombe gezwungen wird, Escape from New York läßt grüßen, fliegt er nach Java, wo er in einem Kaff seine mittlerweile zu den Terroristen übergelaufene Ex-Partnerin, ein echter Roboter, aufspüren und den Saft abdrehen soll. Alex bekommt es am Zielort schnell mit den Terroristen namens Red Hammerheads zu tun und, na klar, kommt dabei einer schrecklichen Verschwörung auf die Spur. Die Roboter planen alle Menschen durch ihresgleichen auszutauschen.

Albert Pyuns Steckenpferd ist eindeutig die Action, die er gekonnt und gut dosiert über die ganze Lauflänge seines Endzeit-Cyborgstreifens verstreut. Das liegt insbesondere an den durchweg gelungenen Special Effects, für die sich mitunter Schwergewichte wie Fantasy II FX, die nicht nur für James Camerons Terminator Filme zuständig waren, sondern auch in diesem Jahrzehnt z.B. Underworld und Hellboy die richtige Würze verliehen, gewonnen werden konnten. Natürlich darf man in Anbetracht des zwischen zehn und zwanzig Millionen Dollar geschätzten Budgets keine Wundertaten erwarten, Cameron sprengte zwei Jahre zuvor die 100.000.000 $ Marke, doch kann kaum ein Effekt dank Widescreen und überaus elegischer Kamera nicht überzeugen. Sicherlich, das Finale im Stop-Motion-Verfahren erinnert mehr an King Kong 1933 als an Cyborgfilm im letzten Jahrzehnt vor der Jahrtausendwende, aber irgendwie unterstreicht es auch die fantastische Komponente des Films und verleiht ihm eine Prise Oldschool Science-Fiction Kinomagie. Höhepunkt bleiben jedoch die schönen Ballerein durch Wände, Türen und Fußböden. Immer pompös mit fetten automatischen Kanonen, die die Umgebungen in Kleinholz verwandeln. In einer meiner liebsten Szenen des Films schießt sich Alex während seiner Flucht aus einem Hotel durch drei Etagen ins Erdgeschoß. Womit wir auch schon bei den Darstellern wären. Eigentlich hatte Albert Pyun für Nemesis Bundfaltenhosen Fighter Jean-Claude Van Damme vorgesehen, doch letztendlich erhielt Olivier Gruner den Zuschlag für die Hauptrolle. Ich weiß nicht, ob es an Van Dammes Gagenforderung oder an der unglaublich schrecklichen Perücke lag, die das Drehbuch in einigen Szenen für die Hauptrolle vorsah. Ich denke jedoch, daß Gruners unverbrauchtes Gesicht einen Gewinn für den Film darstellt, zumal er seinen Job für die erste Hauptrolle recht gut macht und erstaunlich sympathisch rüberkommt. Auch wenn er in den wenigen Szenen, die Schauspielerei erfordern doch arg an die Grenzen seiner Fähigkeiten stößt. Die mit namhaften B-Film Akteuren wie Brion James, Tim Thomerson, Deborah Shelton oder Thomas Jane besetzten Nebenrollen können vollends überzeugen und lassen keine Wünsche an einem ordentlichen Science-Fiction Reißer offen. Insgesamt ist Albert Pyun mit Nemesis ein doch recht ansprechendes Kleinod der B-Movie-Geschichte gelungen, das auch heute noch in keiner gut sortierten Videothek fehlen sollte. Atmosphäre, Look und Verve stimmen, Drehbuch, Logik und feine Dialoge dürfen auch mal außen vorbleiben. Interessierte, die bisher noch keinen Kontakt mit dem 80er Jahre - nicht vom tatsächlichen Drehzeitpunkt verwirren lassen - Actionkino hatten, sollten dennoch Vorsicht walten lassen. Zum Genuß des Filmes gehört schon eine gewisse Liebe zum Genre und natürlich zum B-Film überhaupt.

7/10 Punkte

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jep Nemesis ist schon ein ääh guter Film.
Wobei die Kategorien gut und schlecht beim ollen Albert eh nicht greifen.
Aber die Fortsetzungen mit Sue Price mocht ich gerne, zumindest in dem Sinne, wenn die nachts um 2 auf RTL2 kamen und man nicht einschlafen konnte.

Doc Savage hat gesagt…

Ich betrachte Nemesis immer als ein Ausrutscher von Pyun. Ein positiver Ausrutscher, denn er ist ein absolut unterhaltsamer B-Actioner.

Übrigens hast du Thomas Jane vergessen, der seinen nackten Hintern in die Kamera halten darf! xD

tumulder hat gesagt…

@jmk
Ja, die Fortsetzungen sind dann wirklich wieder 100 % pyunsches Debakel.^^

@doc
Thomas Jane, wußte ich es doch beim schreiben. Mann, Mann, Mann. Wird nachträglich eingefügt.:D

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