Mad Max

Rache ist ein Gericht, das am besten Eiskalt serviert wird. Nein, kein klingonisches Sprichwort – als ob Klingonen irgendetwas eiskalt servieren könnten -, ein Zitat aus Mario Puzos Der Pate, das aber im Kontext zu dem aufbrausenden Star Trek Volk erst die volle Ironie entfalten kann, welche in ihm liegt. Rache also, oder ziviler ausgedrückt Selbstjustiz. Und die führt seltenst zur erhofften Erlösung von den auferlegten Qualen, die das zuvor erlebte Unrecht auslöste. Jedenfalls im körperlichen und der Realität verbundenem Kino. Vergessen wir einmal Beatrixe Kiddo, die ist ja eh nur Kino im Kino. Gehen wir zurück ans Ende der 70er Jahre und von da aus wieder ein Stückchen voraus in die nähere Zukunft.

Australien? Vielleicht, aber ehrlich gesagt spielt der Ort hier keine größere Rolle. Die zivile auf einer Rechtsordnung begründete Gesellschaft steht kurz vor ihrem Exitus. Nur das scheint wichtig. Die Wirtschaft ist zusammengebrochen, die Rationalisierungsmaßnahmen erfordern schon Berechtigungskarten für Krankenhausbehandlungen. Die Polizei, längst privatisiert, haust in einem dem Abriß geweihtem Gebäude. Draußen am Tor kann man noch Hall of Justice lesen, das U in Justice baumelt schon bedeutungsschwanger. Auf den Straßen hat der Mob das Kommando übernommen, marodiert durch die kleinen verschlafenen Ortschaften. Raub, Mord, Vergewaltigung. Helden werden bitter benötigt, Max Rockatansky, Polizist der Highway Polizei, ist einer von ihnen. Wenn seine Kollegen bei der Verbrecherjagd versagen ist Rockatansky erfolgreich, den Tod des Kontrahenten immer mit einkalkulierend. Rücksicht auf das Leben der Delequenten kann sich die Polizei in diesen Zeiten nicht mehr leisten, die Unerbittlichkeit Rockatanskys treibt die von ihm Gejagten in die Selbstaufgabe. Er ist ein Polizeistar, zumindest für Polizeichef Fifi, dem man die Vergangenheit auf der Straße sofort ansieht. Wie ein Fels in der Brandung stellt er sich vor seine Leute, doch vor den Winkeladvokaten, die die letzten Reste rechtlicher Ordnung für ihre Klientel auszunutzen wissen, kann er auch sie nicht beschützen. Da muß er sich dem korrupten System beugen und das gerade auf frischer Tat ertappte Bandenmitglied der Höllenjockeys, im Original zynisch Glory Riders genannt, laufen lassen. So stehen Rockatansky und sein Freund Goose schnell ganz oben auf der To Kill-Liste Toecutters, dem Anführer der Höllenjockeys. Für die beiden Freunde im Polizeidienst eigentlich kein Problem. Bis Goose von Toecutter in einen Hinterhalt gelockt wird und nach einem Autounfall bei vollem Bewußtsein verbrennt. Rockatansky möchte daraufhin seinen Job an den Nagel hängen, nicht etwa weil er Angst vor Toecutter und seiner Gang hätte, sondern Angst vor sich selbst. Er verspürt am Kampf auf der Straße gefallen zu finden, den einzigen Unterschied zu Menschen wie Toecutter und seiner Gang sieht er in seiner Rolle als guter Polizist. Rockatansky fährt also mit seiner jungen Familie aufs Land, um Abstand zu gewinnen. Doch das Schicksal meint es nicht gut mit ihm. Nachdem seine Frau Jessie an einem Badeort die unangenehme Bekanntschaft mit Toecutter und seiner Meute macht, und bei ihrer Flucht vor dem Bösem ein Bandenmitglied schwer verletzt, schwört Toecutter Rache und stellt ihr nach. Rockatansky wird die Familie genommen werden.

Das besondere an George Millers Film ist keineswegs das schon unzählige Male zuvor erzählte und einfach strukturierte Racheepos, welches sich natürlich auch zu einem gutem Stück aus den zahlreichen Rape'n Revenge und Selbstjustiz Streifen der 70er Jahre generiert. Millers Film ist in seiner Summe mehr als die Geschichte eines Mannes, der den Tod seines Freundes und seiner Familie rächt. Mad Max ist viel mehr. Road Movie, Dystopie, Western, Horror und vor allem die Werdung des Anti-Helden, also auch die Wiederentdeckung des Film Noir. Dabei läßt Miller seinem Protagonisten nicht die geringste Chance dies zu verhindern. Setzt ihn in eine nicht wirklich ausformulierte düstere Zukunft des Zerfalls, die wie eine Allegorie Rockatanskys Seele wirkt. Die sich auf der einen Seite roh und unzivilisiert zeigt, wie Max selbst zu Beginn des Filmes, als er Toecutters Bruder Night Rider in den Tod treibt. Jedoch auch Platz für die schönen Dinge läßt, wie Max Haus am Meer und sein glückliches Familienleben. Noch ist die Endzeit nicht erreicht, wie sie im zweiten Teil der Trilogie vorherrschen wird. In der Max schon längst zu dem geworden ist, dem er sich hier noch erwehren möchte. Er möchte die letzte Chance nicht selbst zu verrohen, seine Ideale zu wahren nutzen. Die Ideale, die er am Ende des Films über den Haufen geworfen haben wird, da er den Glauben an eine gute Welt und alle Hemmungen gegenüber der Gewalt verloren hat. Millers Film mag in seiner Konsequenz an Cravens frühe Filme erinnern, in der unbescholtene Bürger selbst jegliche rechtschaffene Moral verlieren und zu Totschlägern werden, nachdem ihnen ihre Angehörigen auf brutalste Weise genommen wurden. Doch anders als bei Craven ist Rockatansky jemand, der sich mit dem Geschäft des Todes schon längst auskennt und daher seinen Amoklauf vorrausahnen kann, ihn verhindern möchte. Er möchte nicht so wie diejenigen enden, die er tagtäglich jagt. Das implementiert der Geschichte das zusätzliche tragische Moment, daß uns gleichsam der Brutalität und Hinterhältigkeit Toecutters Verbrechen Rockatanskys Taten vielleicht ein wenig leichter akzeptieren läßt. Uns auf seine Seite zieht, obwohl wir wissen, daß die Form seiner Rache nicht rechtens sein kann, unterscheidet sie sich doch nicht von der des Antagonisten. Miller bereitet eine über einstündige Exposition, in der er uns sehr gezielt und genau auf den Ausgang seines Filmes vorbereitet. Doch wenn Max im Finale seinem Opfer nur die Möglichkeiten läßt sich das Bein abzusägen oder den Tod zu akzeptieren, hat er schon längst die Schwelle von der einfachen Rache zur absoluten Bösartigkeit überschritten. Und wenn wir über diesen Zynismus schmunzeln oder gar lachen können, wenn er in uns ein Gefühl der Genugtuung hervorruft, das Siegergefühl auslöst, das wir schon als Kinder empfanden, als Old Shatterhand mit Winnetous Hilfe am Sonntag Nachmittag über den Ölprinzen siegte, dann hat Miller sein Ziel erreicht. Dann sind wir selbst zum Mad Max geworden..., dann haben unsere Gefühle über unseren Verstand gesiegt, dann haben wir uns selbst von der Gewaltspirale vereinnahmen lassen, der der Film trotz seiner exploitativen Attitüden doch eindeutig skeptisch gegenübersteht. Max Rockatansky ist am Ende nicht Brave Max, er ist der Irre, der Wahnsinnige Max. Der Wahnsinn ist kein gesellschaftlich akzeptierter Zustand. Der Wahnsinn wird isoliert. Miller verfolgt einen teuflischen Plan und der geht auf. Keine überflüssigen Worte zu seinen grandiosen handwerklichen Mitteln, die gibt's on top. Ein exzellenter Film.

9/10 Punkte

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Oh yeah! Da merkt man richtig deine Liebe zu dem Film. Sehr schön geschrieben. :)

C.H. hat gesagt…

Jau, da war der Gibson noch jung...

Anonym hat gesagt…

...und noch kein Arsch

tumulder hat gesagt…

Da isser noch ein richtiger Sympath. Aber mal ehrlich, der Film hätte wohl nur mit einem Darsteller nicht wirklich funktioniert. ->klick<-

Doc Savage hat gesagt…

Oh man... ich liebe diesen Film! Den zweiten Teil zwar insgesamt mehr, aber Teil 1 ist höchsten 0,5 Punkte dahinter!

Flo Lieb hat gesagt…

Sehe ich nicht ganz so euphorisch (bei mir gibt es einen Punkt weniger), aber dennoch ein sehr guter Film, der auch bestens altert.

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