Fast Forward >> Der Dialog

Natürlich kann man Francis Ford Coppolas Film ausschließlich aus der Sicht eines Thrillers betrachten. Dann bietet Der Dialog um Harry Caul, dem Abhörspezialisten, der auf eigene Rechnung arbeitet, eine solide Geschichte mit unerwarteten Ausgang. Dann bietet er einen famosen Plottwist, aber dann mag er auch die eine oder andere Ungereimtheit, die eine oder andere Länge mit sich bringen. Es ist jedoch vielmehr die Analyse der Figur Harry Cauls, die Coppolas Film so außergewöhnlich macht, die auch ein gutes Stück nicht nur der gesellschaftlichen Verunsicherung Amerikas in Zeiten des Watergateskandals offenlegt, sondern auch gerade wieder in Zeiten der Bespitzelungsaffären in der Wirtschaft – der Fall Telekom ist noch nicht abgeschlossen, da kommt die Bahn um die Ecke - an Aktualität gewinnt. Bundestrojaner und Vorratsdatenspeicherung einmal außen vor gelassen. Harry Caul weiß selbst am besten was die Ergebnisse seiner Arbeit auslösen können, auch wenn er den Mord an den Gewerkschaftspräsidenten, der nach einer seiner Abhöraktionen Ende der 60er für Schlagzeilen sorgte, bisher verdrängen konnte. Es ist dieses Wissen um die möglichen Folgen, das ihn letzten Endes lähmt, ihn nicht nur überaus mißtrauisch gegenüber seinen Auftraggebern und Angestellten werden, sondern ihn auch paranoid auf selbstverständliche Fragen seiner Lebenspartnerin reagieren läßt. Die Bezeichnung Lebenspartnerin für Amy, seine Geliebte, ist aber schon mehr als übertrieben, weiß sie doch noch nicht einmal von seinem Beruf, geschweige denn wo er wohnt. Harry Caul ist eindeutig krank und Coppolas lange Exposition dient zu nichts anderem, als uns dies vor Augen zu führen. Caul hat schon längst den Bezug zum realen Leben hinter sich gelassen als der Film beginnt. Er ist nur noch Beobachter dieser Welt, die er nur aus seiner Warte heraus interpretieren kann, an der er selbst jedoch nicht mehr aktiv teilnimmt. Seine größte Angst ist es von ihr entdeckt zu werden. Aus Scham wegen seines Berufes, wegen der Folgen seiner Arbeit. Es ist dieser innere Disput, der Caul letztendlich lähmt in die Ereignisse aktiv einzugreifen. Und gibt ihm das Erlebnis auf der spontanen Feier in seiner Werkstatt nicht Recht? Da hat er sich für einen kurzen Moment geöffnet und schon wurde dieser Moment von seinem Kollegen und Konkurrenten ausgenutzt, um ihn vorzuführen. So sieht er gar nicht erst die Möglichkeit, sich der Polizei anzuvertrauen, um einen eventuellen Mord zu verhindern. Er weiß um das wahrscheinlich stattfindende Verbrechen in Zimmer 773 des Jack Tarr Hotels. Wer an jenem Sonntag Opfer eines Mordes wird ist dabei völlig zweitrangig und letzten Endes lediglich eine weitere Facette des Plots, die aus der Sicht des Thrillers interessant ist, aber für die viel tiefere Botschaft des Filmes keine besondere Rolle spielt. Man kann der eigenen Schuld nur begegnen indem man sich ihr stellt, es ist die Verdrängung der eigenen Schuld, die zu Harry Cauls Katastrophe führt.

8,5/10 Punkte

3 Kommentare:

Flo Lieb hat gesagt…

Sehe den Film nicht so gut. Dafür hatte er, besonders das Drehbuch, zu viele Schwächen.

tumulder hat gesagt…

Ich habe Dein Review gelesen, aber wir beide sehen Filme ja grundsätzlich aus verschiedenen Perspektiven.;)

Flo Lieb hat gesagt…

Tun wir.

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