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Die Brücke hat ihre besten Tage schon hinter sich. Lose liegen die vermoderten Balken auf den metallenen Querstreben. Ein Bild aus einem Abenteuerfilm, Indiana Jones vielleicht. Tatsächlich, da hinten tut sich was, ein rauchender Nudist. Freundlich ist er, zu Hause in seinem Garten findet er keine Ruhe, da glotzen die Nachbarn, und das Nacktsonnenbad ist ja doch noch das Gesündeste, da nicht nur Arme und Beine braun werden. Die Idylle inmitten der Natur findet nicht lange statt, schnell kommen wir mit Sonneborn in einer Neubausiedlung an. Hier wohnen vor allem Wessis, ebenfalls freundlich zum Wanderer, der sich auf der Suche nach der einzigen Ostfamilie in diesem Planquadrat von Eigenheimfreiheit mit einheitlichem Friesengiebel befindet. Hier eine Familie aus dem Osten? Oh Gott, da kann ich ihnen nicht helfen. Probleme hat es mit den Ostlern in der Vergangenheit gegeben, die haben den Westler nicht verstanden. Der Witz entwickelt sich in Heimatkunde ganz von allein. Sonneborn muß nichts weiter dazutun, als Bilder, Gespräche unkommentiert stehen zu lassen, die noch nicht einmal der Provokation bedürfen. Der Ossi wohnt in 6 Familienwohnhäusern, in deren Mitte der aus Bayern zugereiste Bürgermeister vier Parkbänke samt Hundeklo und einen als Holocaustmahnmal getarnten Grabstein mit einer an SED-Funktionäre erinnernden Ernsthaftigkeit als Wohltat für die Bürger seines Städtchens einweiht. Spielen ist an dieser Begegnungsstätte verboten. Weiter geht es über Kleingartenplanschbecken in der Einflugschneise des Schönefelders Flughafens, jugendlichen Autotunern an der nächtlichen Shelltankstelle, natürlich der Marzahner Platte, einem eingezäunten Asylantenheim, bis zum verfallenen Friedhof. Überall kommt Sonneborn mit den Menschen ins Gespräch, auch wenn einige erst reserviert auf den sofort als Wessi enttarnten Wanderer reagieren. So erfahren wir zwar oberflächlich betrachtet doch nur das, was wir schon längst aus dem Fernsehen wissen oder uns in all den Jahren zurecht gelegt haben, doch im Kern vermittelt Heimatkunde in seiner letzten Konsequenz ein erstaunliches Bild. Denn Heimatkunde würde wohl auch im Umland Hamburgs, Frankfurts oder jedem anderem Ballungszentrums Deutschlands funktionieren. Die Ressentiments gegenüber den anderen, die Trostlosigkeit der Provinz , die Spinner, Harmlosen, Vergessenen und Normalos sind dann doch austauschbar wie die Reportagen über den Wilden Osten im sonntäglichen Spiegel TV auf RTL. China, so erfahren wir am Ende aus erster Hand eines Touristen aus dem Reich der Mitte, wird uns in der Zukunft eh platt machen, und zwar Ost- und Westdeutschland. Braucht es noch einen weiteren Beweis für Deutschlands längst vollzogene Wiedervereinigung?
8/10 Punkte
6 Kommentare:
Ich glaube den muss ich sehen.
Kannst du sogar schon am 17. November nachholen. Irgendwann nach Mitternacht auf dem NDR. Früher ist wohl zu gefährlich.^^
gute "Doku", auch wenn ich deiner Konklsuion nicht ganz zustimme.
Naja, als Doku würde ich den Film nicht bezeichnen wollen. Das ist immer noch Satire durch und durch.
deshalb auch die Gänsefüsschen:-)
Komm schon, die hast du gerade erst reingemogelt.^^
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