Idi Amin war angeblich der Sohn eines Königs und einer Medizinfrau, war der Boxmeister aller Klassen seines Landes, bekleidete den höchsten Rang, den ein Schwarzafrikaner in der Kolonialarmee Großbritaniens erreichen konnte, und stieg unter Milton Obote zum Generalstabschef Ugandas auf. 1971 putschte er sich an die Macht und sollte bis 1979 Diktator eines der schlimmsten Terrorregimes des 20. Jahrhunderts bleiben. In seiner Amtszeit starben nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisationen zwischen 100.000 bis 500.000 Menschen. Seiner an Stalin erinnernden Paranoia fielen vor allem Oppositionelle zum Opfer oder die Menschen, die er für sie hielt. Berichten nach ließ er Leichen von Krokodilen fressen, da nicht genug Gräber ausgehoben werden konnten. Auf der Suche nach politischen Verbündeten in der arabischen Welt entwickelte er einen deutlichen Rassismus, ließ Israelis, Juden und Asiaten des Landes verweisen, versuchte sich mit Großbritannien anzulegen und ließ angeblich ein Denkmal Adolf Hitlers in Kampala, Ugandas Hauptstadt, errichten. Nach seinem Sturz lebte Idi Amin bis zu seinem Tod im August 2003 im Exil in Saudi-Arabien. Für seine Taten wurde er vor keinem Gericht der Welt zur Rechenschaft gezogen. Der letzte König von Schottland ist die fiktive Geschichte des jungen schottischen Mediziners Nicholas Garrigan, der durch Zufall von 1971 bis 1976 Idi Amins Leibarzt war.
Garrigan nimmt nach seinem Examen 1971 eine Stelle als Arzt in der Mission Dr. Merrits und seiner Frau Sahra an. Er möchte der konservativen Welt seines Elternhauses in Schottland entfliehen und Uganda scheint ihm der richtige Ort für die abenteuerliche Herausforderung, die er sucht. Die Arbeit auf dem Land, das Leid in den Dörfern fordern ihn emotional heraus und Dr. Merrit und Sahra zweifeln schnell an Garrigans Eignung für die Tätigkeit als Missionsarzt. Doch Garrigan versteht es das Herz Sahras zu erobern, die sich von ihrem Mann übergangen sieht und immer mehr Zeit mit Garrigan verbringt, da Dr. Merrit oft allein im Land unterwegs ist. Nach einem Besuch Idi Amins im Dorf kommt Garrigan zum ersten Mal mit dem Despoten in Kontakt. Er behandelt die Hand Amins auf offener Straße, nachdem er sich bei einem Autounfall leicht verletzt hat. Die mutige Art des jungen Arztes beeindruckt Amin dermaßen, daß er ihn nur wenige Tage später nach Kampala in seinen Regierungspalast einlädt, um ihn eine Stelle als Leibarzt anzubieten. Garrigan lehnt zuerst ab, doch Amin erkennt, daß es die Anziehung der Frau seines Chefs ist, die Garrigan daran hindert das Angebot anzunehmen. Verheiratete Frauen, das paßt zu dem Abenteurer Nicholas Garrigan. Amin führt Garrigan in die Machtclique Ugandas ein, pinselt Garrigans Bauch und präsentiert ihm auf einem abendlichen Empfang seine vierte und wunderschöne Frau Kay. Garrigan beißt an und erhält obendrein noch die Leitung des ugandischen Staatskrankenhauses.
Schnell wird klar, daß Kevin Mcdonalds erster Spielfilm, er drehte bisher ausschließlich Dokumentarfilme, keine Abrechnung mit einem Diktator oder die Abhandlung seiner Gewaltherrschaft darstellt. Der letzte König von Schottland ist vielmehr eine Parabel über Abenteuerlust, falsch verstandenen Glauben an Loyalität, Verführung oder auch nur der Versuchung selbst Teil der Macht zu sein. Nicholas Garrigan versteht das Leben als Abenteuer, er ist jung und geht der Gefahr nicht aus dem Weg. Er sucht geradezu nach dem Nervenkitzel, zu langweilig muß sein bisheriges Leben in der Welt der schottischen Upperclass verlaufen sein. Er ist auf der Suche nach dem Nervenkitzel, was gerade zu Beginn des Filmes wunderbar durch seine angestrebte Affäre mit Sahra zum Ausdruck kommt. Scheiß auf morgen, was zählt, ist das Heute. Dabei begegnet er seinem Gegenüber Idi Amin mit der Naivität eines jugendlichen Abiturienten, der gerade an der neu gewonnenen Freiheit schnuppert. Es ist die skurrile Art Amins Menschen für sich zu gewinnen, die offensichtliche Bauernschläue des Diktators, die Garrigan zum einen sich ihm überlegen fühlen läßt und zum anderen aber auch Armins freundschaftliche Art, die Garrigan in die Arme des Regimes treibt. Soll er zu Beginn seiner Tätigkeit „nur“ Ugandas Gesundheitssystem entwickeln, sieht er sich schon bald als engster Berater des Präsidenten, der ihn auch in wirtschaftlichen Dingen unter die Arme greift. Nur wenn es um die Opposition des Regimes geht, dann ist er wieder „nur“ der Arzt, der ein Krankenhaus leitet. In den Augen der ausländischen Diplomaten ist Garrigan aber vor allem Idi Amins weißes Äffchen. Viel zu spät wird Garrigan klar, daß Amin nur vordergründig auf den jungen schottischen Arzt hört. Er ihn vor allem für die Außendarstellung seines Regimes ausnutzt. Kay, Amins Frau mit der Garrigan mehr als nur eine freundschaftliche Beziehung unterhält, warnt ihn mehrere Male vor ihrem Gatten. Als Amin außenpolitisch immer mehr die Felle wegschwimmen, sich das brutale Vorgehen Amins gegen das eigene Volk in Garrigans Bewußtsein schleicht, glaubt er jedoch immer noch an seinen Einfluß auf den manischen Herrscher. Dabei ist er doch schon lange nur der Fußabtreter Amins, der geduldet wird, der an der Nase herumgeführt wird, um den Schein nach außen zu wahren.
„Was hast du getan, was gut ist ...Hast Du geglaubt, das sei alles nur ein Spiel? ... Wir sind kein Spiel Nicholas, wir sind echt.“
Mcdonalds Film versteht es Idi Amins letzte Worte an Garrigan auf den Punkt zu bringen. Die Leichtigkeit der ersten beiden Drittel der Geschichte verflüchtigt sich auf einen Schlag als sich Garrigan über die Tragweite seiner eigenen Situation bewußt wird. Als ihm Amin sein Spielzeug Kay wegnimmt, er seinen Komplott durchschaut, den Garrigan plötzlich aus eigener Not gegen ihn plant. Da wird Mcdonalds leichtes von Schmunzlern durchzogenes biographisches Afrika Drama langsam aber sicher zum waschechten Thriller. Kalte, scharfe Bilder lösen die gerade noch warmen und freundlichen ab. Die von Garrigan verdrängte Wahrheit bricht über ihn und den Zuschauer herein, komprimiert in einer von Mcdonald vielleicht zu eindeutig inszenierten Szene. Nein, nicht eindeutigen, sondern verstörenden Szene. Denn Mcdonald versteht es schon vorher immer wieder das Unrecht, die Brutalität subtil doch recht eindeutig im Film unterzubringen. Wenn er Garrigan Fotos von Leichenbergen zeigen, wenn er Menschen verschwinden, wenn er die Fiktion durch geschichtlich festgehaltene Taten Amins vertreten läßt. Garrigan kann sich nicht herausreden, er wußte alles von Anfang an. Zu offensichtlich waren die Dinge um ihn nicht für seine Eitelkeit anzuklagen. Für seine respektlose Sicht auf das Leben, die in Kay das wohl für ihn einzig sichtbare Opfer findet.
Der König von Schottland ist kein Film über den Schlächter Idi Amin, kein Film über Afrika, er ist ein Film über Verantwortung. Ein ziemlich guter noch dazu.
8/10 Punkte
3 Kommentare:
Ich hätte mir etwas mehr historische Darstellung gewünscht, also etwas mehr Amin und Co. und weniger einen fiktive Thrillergeschichte mit aufgesetztem Happy-End. Aber Whitaker spielt schon gut, muss man ihm lassen.
Kann ich durchaus nachvollziehen. Aber so fiktiv schient die Figur Nicholas Garrigans gar nicht zu sein. In der UK/Kenia Coproduktion Idi Amin - Der Schlächter von 1981, die nahezu die gleiche Geschichte erzählt, nur halt ein wenig exploitiver, kommt die Figur des Leibarztes ebenfalls vor. Der landet aber im Knast anstatt am Haken zu zappeln und kann, wenn ich mich recht erinnere, auch mit den Geiseln aus Uganda fliehen. Forest Whitaker ist gut, da gibt es nichts zu deuteln. Aber McAvoy spielt seinen Part ebenso glaubhaft.
das ist wohl wahr. Einer der bessere Whitakers, bei dem er mal nicht einen Autisten spielt. Trotzdem liess mich der Film leider recht kalt, für Wärme sorgte nur Gillian Anderson:-)
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