Das Geheimnis der Zauberpilze

Kommen wir jetzt einmal zu einem ganz anderem Thema. Dem Amateurfilm. Wenn ich jetzt noch ein wenig genauer werde und das Ganze in Richtung deutscher Splatter Amateurfilm präzisiere, dann werden die meisten meiner Leser garantiert die Hände über den Kopf schlagen und schreiend davon laufen. Zurecht. Was da in mitunter in den Videotheken auftaucht oder auf Börsen zu Wucherpreisen an den Mann gebracht wird, kann in der überwiegenden Mehrheit einfach nicht akzeptiert werden. Also reden wir auch nicht mehr vom deutschen Amateur Splatter, sondern lieber vom Independent Kino, wenn wir uns hier an dieser Stelle in die Ruhrgebietsrandzone Gevelsberg begeben, was den beiden Regisseuren Christian Markhoff aka Crippler Criss und Werner Timm aka Master W definitiv gerechter wird.

MTV Generation, das war einmal. Beavis & Butthead sind Geschichte, Jay und Silent Bob selbst nur noch ein verrauschtes Bild der Erinnerung. Jugendkultur, du hast es schwer, denn das Fernsehen liefert keine weiteren Vorbilder nach, nur noch arschglatt aus des Controllers Sicht rationiertes Klingeltonwerbejingelgewitter, das zwischendurch von billigst Casting Shows, die elfjährige Mädchen möglichst früh an ein konsumfreundliches Frauenbild heranführen sollen, unterbrochen wird. Also machen sich in das Geheimnis der Zauberpilze tatsächlich die beiden Inkarnationen oben erwähnter Abbilder der Jugend längst vergangener Tage auf den Weg in den Wald, um das Wochenende mit Zelt und Alk zu verbringen. Was soll man sonst auch machen. Alkohol kann bekanntlich gefährlich werden und so kommt es zur unausweichlichen Tragödie, aus Spaß wird ernst, der Lange erschlägt den Kurzen im Rausch. Ein Unfall im Delirium, unverzeihlich, tragisch. Doch die Chance auf Wiedergutmachung ergibt sich am nächsten Morgen als der Lange die Leiche seines Freundes im Wald verscharren will und ihm Rumpelstilzchen über den Weg läuft. Es gibt da Pilze mit vitalisierender Wirkung, die Tote wieder zum Leben erweckt. Er müsse sich nur auf dem Weg zum Einsiedler machen, der könne ihm mehr verraten.

Man kann natürlich auf seiner Couch sitzen bleiben, eine Silberscheibe nach der anderen in den Player werfen und sich jahrelang immer nur wieder über die Filme unterhalten, streiten oder ablachen, die von großen und kleinen Studios auf der anderes Seite des großen Teichs produziert werden. Oder man schreibt selbst ein rudimentäres Drehbuch, schnappt sich die HD Kamera und geht in die Wälder der näheren Umgebung und läßt seiner filmischen Ader freien Lauf. Daß dies gar nicht so einfach ist, davon kann man sich auf den Videoportalen im Internet überzeugen. Umso respektabler ist das hier vorliegende Ergebnis so eines irren Plans. Markhoff und Timm haben es tatsächlich geschafft einen dichten 90 Minüter herbeizuzaubern, dessen Essenz sich keineswegs aus einer losen Aneinanderreihung von Schmuddeleffekten generiert. Dazu lieben sie den Film an sich zu sehr, was man ihrer Produktion vor allem in der zweiten Hälfte deutlich ansieht, der hier nicht wie so oft an Fahrt verliert, sondern erst so richtig aufnimmt. Da verläßt ihre Reise in den Horrormärchenwald endgültig die Restrealität, nur unterbrochen von den überflüssigen Unterbrechungen, die den Zuschauer direkt ins Wohnzimmer von Crippler Criss und Master W katapultieren, wo sich darüber gestritten wird, ob das Gesehene nun Der Herr der Ringe des No-Budget Films oder reiner Trash ist. Die Wahrheit liegt wie immer dazwischen. Trash na klar, das soll es sein. Aber für echten Trash ist ihr Film dann doch nicht dämlich genug. Die Vermischung des Fun Splatters mit den Topoi des Märchens ist einfach zu intelligent und eigentständig, als daß man die Nase rümpfen dürfte. Der Vergleich mit Peter Jacksons Monumentalwerk kann dann auch nur im Aufwand begründet sein, den die Postbearbeitung des Videomaterials der einjährigen Dreharbeiten offenlegt. Denn auch optisch kann sich Das Geheimnis der Zauberpilze locker von der üblichen No-Budgetkost absetzen, da hätte es der verdreckten Objektive gar nicht bedurft, das sieht schon eh alles nach echtem Zelluloid aus. Der erstaunlich gelungene Score weiß diese Atmosphäre noch einmal zu untermauern. Was man mit 1000 Euro filmisch so alles erreichen kann. Und da wären wir auch schon an der Schattenseite des Films angelangt. An Schauspieltalent mangelt es dem Film natürlich, denn Markhoff und Timm mußten alle Rollen selbst übernehmen, und da verhält sich ihr Können äquivalent zu dem ihrer großen Vorbilder, die dann auch höchstens mal in einer Nebenrollen zu sehen sind. Gerade in der ersten Hälfte stört dieser Makel dann doch stärker, als daß der ansonsten sehr gelungene Film dagegen ankämpfen könnte. Denn so manches was als lustig, satirisch oder einfach nur wild aufgefaßt werden möchte, schlägt dann doch in Nerverei um. Schade, in Anbetracht der dürftigen Produktionsbedingungen, kann dies dem insgesamt mehr als positiven Eindruck des Filmes jedoch nicht wirklich etwas anhaben. Hauptsache Christian Markhoff und Werner Timm haben ihren Film gedreht, der im letztem Drittel sogar noch mit interpretationsfreudiger Selbstreferenzialität aufwarten kann. Für den in Deutschland so gut wie nicht existenten Genrefilm kann das nur gesund sein. Mehr davon.

5/10 Punkte

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