Day of the Dead

Die Menschheit hat den Ausbruch der Zombieseuche nicht in den Griff bekommen. Die Überlebenden der Katastrophe sind längst in der Unterzahl, geschätztes Verhältnis zum wandelnden Tod: 1:400.000. Eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern hält in Florida in einem Bunker Stellung und soll im Auftrag der Regierung mit der Unterstützung des Militärs Untersuchungen durchführen, eine Lösung für das Überleben der Menschheit finden. Doch die Situation scheint aussichtslos. Auf ihren Erkundungsflügen mit dem Helikopter stoßen sie lediglich auf noch mehr Untote, der Funkkontakt zu Washington und den anderen Wissenschaftlern ist abgebrochen, die Militärs unter Führung des längst schon am Sinn und Zweck des Auftrags zweifelnden Capt. Rhodes wollen die Unterstützung der Forscher aufgeben. Schließlich sind es Rhodes Männer, die täglich bei Unfällen im Dienst der Wissenschaft ins Gras beißen.

Das ist schon eine unerhörte Fortsetzung und zugleich ein äußerst eigenständiger Film, den Romero hier abliefert. Während er in Dawn of the Dead noch auf ausgiebige Außenszenen und Actionsequenzen setzen konnte, spielt Day of the Dead fast ausschließlich in den zwar ausladenden aber immerhin unterirdisch abgeschlossenen Bunkeranlagen. Das halbierte Budget ist daran bekanntermaßen Schuld, denn Querkopf Romero weigerte sich gegenüber seinen Geldgebern den Gore und Gewaltanteil des Drehbuches zu reduzieren. Da änderte er lieber das Drehbuch noch einmal ab und gab sich letztendlich mit einer kleineren Produktion zufrieden. Typisch Romero, Hauptsache er kann seine Geschichte erzählen. Mit der Konsequenz, daß sich Day of the Dead wesentlich originärer gegenüber den üblichen Horror- und Actionfilmen der 80er Jahre anfühlt, als es das Originalscript vielleicht zugelassen hätte. Wie schon in Night of the Dead verläßt sich Romero auf die Spannungen und Konflikte zwischen den Figuren und Interessensgruppen in ihrem klaustrophobischen Versteck unter der Erde. Zusammenhalt, Solidarität, wie sie noch in Dawn of Dead zu entdecken waren, scheinen unter den herrschenden Umständen nicht realisierbar. Man fragt sich warum die Soldaten sich überhaupt noch der Gefahr aussetzen, frische Untersuchungsobjekte für die Wissenschaftler zu organisieren. Ein falscher Handgriff und der nächste Hals ist in Fetzen gerissen. Die Gräber oben neben dem Helikopterlandeplatz zeugen von den großen Verlusten der beschützenden Truppe. Ebenso kann man sich auch fragen, warum die Wissenschaftler weiterhin nach einer Lösung des Zombieproblems forschen. Es gibt kein Lebenszeichen da draußen. Wem sollten die Forschungsergebnisse nutzen, die Menschheit scheint ausgelöscht. Die kleine Gruppe von Menschen im Bunker, die letzte ihrer Art. In den langen grauen Gängen und den weiß gekalkten Räumen tickt eine Zeitbombe, die für die Wissenschaftler schnell die an der Oberfläche lauernde Gefahr in den Schatten stellen wird. Capt. Rhodes stellt den Wissenschaftlern, angeführt von Dr. Logan – despektierlich Frankenstein genannt – ein Ultimatum. Sollten die Experimente in den nächsten Tagen keine Ergebnisse liefern, mit denen er und seine Männer etwas anfangen können, wird er mit ihnen den Stützpunkt verlassen. Das Schicksal der Wissenschaftler ist ihm dabei egal. Sollen sie doch zusehen, wie sie zurechtkommen. Während Sarah - die einzige Frau in diesem testosteronübersteuerten Szenario - um Verständnis und Solidarität wirbt, eskaliert die Lage. Rhodes entdeckt die menschenverachtenden Methoden Logans Forschung. Der greift für seine abscheulichen Experimente mit den Untoten auch auf verstorbene Soldaten aus Rhodes Truppe zurück.

Romero läßt mit Day of the Dead seiner in den beiden Vorgängern schon genüßlich vorgetragenen gesellschaftspessimistischen Sichtweise freien Lauf. Die darf man freilich nicht mit Misanthropie verwechseln, denn Romero bringt durchaus Verständnis für die Figuren seines Films und ihre Handlungsweise auf. Wer möchte den emotionalen Rhodes vorwerfen, daß er die Wissenschaftler fallen lassen möchte? Er hat auch die Verantwortung gegenüber seinen Männern und verstorbenen Freunden. Logans Schreckenslabor hingegen läßt gar nicht erst so etwas wie Vertrauen in die Wissenschaft aufkommen. All die verstümmelten Leichen. Wer möchte aber Logan vorwerfen in seiner rationalen Denkweise des Forschers Grenzen der Menschlichkeit und Pietät zu überschreiten. Die Bedingungen lassen ihm seiner Sichtweise nach keine andere Wahl. Und bringt er nicht erstaunliche Ergebnisse, wenn er herausfindet, daß es sich bei den Untoten immer noch um menschliche Wesen handelt? Zwar offensichtlich einzig und allein vom Trieb und einer minderen Intelligenz gesteuert, aber mit Gefühlen, Erinnerungsvermögen und dem Wissen um ihre eigene Individualität. Romero lotet wie schon in den vorherigen Teilen die Solidaritätsfähigkeit seiner Menschgruppe unter erschwerten Bedingungen aus. Enden kann das für die Sturköpfe natürlich nur in ihrem eigenem Untergang, während die Vernünftigen, die sich zusammenraufen können, überleben dürfen. Oder auch nicht, je nachdem ob man das Ende des Films als Traum oder Realität interpretieren möchte, denkt man an Sarahs Alptraum direkt im Opener.

Da erstaunt es, daß Romero trotz all des Pessimismus soviel Humor in die Inszenierung des Endes der Menschheit einfließen läßt. Da treibt er nicht nur mit Rhodes und Logan Klischees auf die karikatureske Spitze, läßt den Soldatenführer Rhodes mit seinem Patronengurt und den beiden fetten Revolvern in den Händen eher wie Yosemite Sam aus den Looney Tunes wirken und Logan als Abziehbild des Mad Scientist schlechthin. Wie er da steht, mit seinem wirrem Haar, der tief auf dem Nasenrücken liegenden Brille und seinem blutverschmierten Kittel. Da läßt Romero auch noch in den spannendsten Szenen des Finales in den blau und rot ausgeleuchteten Stollen der Anlage eine völlig surreal wirkende Mario Bava Fledermaus durchs Bild fliegen, während Rhodes und seine mittlerweile gar nicht mehr so großspurigen Spießgesellen mittels des Handwerks Tom Savinis im wahrsten Sinn des Wortes zerrissen werden. Die Kreativität, mit der Romero und Savini hier inszenieren ist einzigartig und enthält unübersehbar das selbe humoristische Element, das Peter Jackson ein paar Jahre später zur Vollendung führen wird. Erstaunlich, daß der Humor Romeros im Gegensatz zur englischsprachigen Rezension so selten in deutschen Kritiken und Reviews angesprochen oder erkannt wird. Dabei läßt Romero schon in der famosen Anfangssequenz seinen feinsinnigen Humor zur Geltung kommen, wenn er einen Alligator auf die Treppen zur Bank setzt oder die Zombies alles andere als bedrohlich kostümiert durch die Gegend stackseln läßt. Keine Frage, Day of the Dead ist keinesfalls als Horrorkomödie zu betrachten, dazu sieht sich Romero viel zu sehr seinem Kernthema verpflichtet, nimmt er seine Story viel zu ernst. Doch läßt sich unschwer erkennen, daß er das Thema wesentlich lockerer angeht als noch in seinen vorherigen Filmen. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, daß Day of the Dead im Gegenteil zu den viel stärker im Fokus der Öffentlichkeit gebliebenen Vorgängern über all die Jahre hinweg besser gereift ist als eben diese. Nicht immer noch, sondern gerade jetzt …

9/10 Punkte

7 Kommentare:

Kaiser_Soze hat gesagt…

Ich habe, halte dich fest, noch keinen Romero gesehen. Aber: The Night of the Living Dead und Dawn sind gerade auf dem Weg zu mir. Mit der US-DVD von Suspiria übrigens. Ich mache meine Hausaufgaben ;-)

Flo Lieb hat gesagt…

Kenne nur die beiden Vorgänger (neben LAND), von denen ich DAWN aber besser als NIGHT fand.

tumulder hat gesagt…

@all
Bei Dawn ergibt sich meiner Meinung nach die Schwierigkeit der Bewertung aus den vielen Schnittfassungen. Da kann man ja kaum den Überblick behalten.;)

Rajko Burchardt hat gesagt…

Ich finde alle Filme des Zyklus ungealtert. Mehr Euphorie hätte ich schon erwartet, aber dennoch schöne Besprechung.

Und bei DAWN kann ich nur den Romero-DC empfehlen, mit Argentos Euro-Fassung habe ich so meine Probleme und über den so genannten Final Cut hüllen wir eh besser den Mantel des Schweigens.

tumulder hat gesagt…

@rajko
Bei 131ern sollte man ja immer ein wenig aufpassen was man schreibt. Schere im Kopf.;)

Rajko Burchardt hat gesagt…

Ach scheiß drauf, sehe ich gar nicht ein... die Teile stehen im Museum of Modern Art, for fuck's sake. :)

Außerdem darf man drüber schreiben so viel und so gut man will übrigens.

tumulder hat gesagt…

Genau! Scheiß drauf.:D

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