O.K., man hat wieder was zu schreiben. 120 E-Mails sollen in der Schalker Geschäftsstelle aufgelaufen sein, in denen sich muslimische Mitbürger über die von ihnen empfundene Verhöhnung des Propheten Mohammed im Text des Vereinsliedes beschweren. "Mohammed war ein Prophet, der vom Fußballspielen nichts versteht. Doch aus all der schönen Farbenpracht, hat er sich das Blau und Weiße ausgedacht." Egal, ob diese Textzeile nun wirklich den Propheten Mohammed beleidigt oder nicht, egal was der vom Verein nun engagierte Islamexperte dazu sagt, schreibt, meint und feststellt. Ich fand die Strophe schon immer unpassend und dämlich. 1963 hatte Hans J. König den ursprünglichen Text der Hymne umgeschrieben, zum Start der neuen Bundensliga oder warum auch immer. Die dritte und vierte Strophe, die Schalke in sportlicher Bedrängnis sehen und an den Zusammenhalt der Schalker Gemeinde appellieren, gegen zwei leicht zu merkende Reime ausgetauscht. Mohammed war ein Prophet, blablabla, Blau und Weiß. Tausend Feuer in der Nacht, Freunde, Glück, niemals untergehen. Pathos, Schalke, Zeche, Ruhrpott! Die fünfte und die sechste Strophe wurden gleich ganz gestrichen. Vom Tod und von der Meisterschaft wollte man anscheinend nicht mehr singen. Ersteres verständlich, letzteres im Selbstverständnis vielleicht fatal.
Die große Aufregung (oder ist sie vielleicht gar nicht so groß, was sind schon 120 E-Mails und ein paar Foreneinträge?) nun also aufgrund des angeblich beleidigenden Inhalts der dritten Strophe von 1963. Warum eigentlich erst jetzt? Warum nicht schon 1992, 1963 oder 1972? Warum fällt den Leuten erst heute auf, wie bescheuert Hans J. Königs Text eigentlich ist? Ist der Text von Fußballhymnen den meisten Menschen vielleicht doch egal? Im Stadion wird Blau und Weiß nur von einer Minderheit in der Nordkurve vollständig mitgesungen. Ansonsten verhält es sich wie beim Singen in der Kirche. Die Textunsicherheit siegt. Auch wenn ich es absolut albern finden würde, jetzt wegen der paar Spinner - etwas anderes fällt mir nicht dazu ein, wenn Menschen es als Beleidigung empfinden, wenn ihrem Religionsstifter, der lange vor der Erfindung des Fußballspiels verstorben ist, in einer Fußballvereinshymne Ahnungslosigkeit in Sachen Fußball unterstellt wird - die Strophe gestrichen würde, ich mag sie nicht. Sie hat mit Schalke nichts zu tun, ist laut dem Deutschem Volksliedarchiv lediglich eine Abwandlung einer Textzeile aus einem alten Jägerlied, in der die grüne Farbe gelobt wird. Ich habe überhaupt kein Interesse da noch weiter nach zu forschen. Aber einmal darüber grundsätzlich nachzudenken, ob nicht wieder der ursprünglichen Text der Vereinshymne gesungen werden sollte, der ja auch inhaltlich wie die Faust auf die sportliche Lage des Vereins seit nach 1958 paßt, das würde ich mehr als begrüßen.
[edit] Alles zur Entstehung und Abstammung des Vereinsliedes im Gutachten von Prof. Dr. Bülent Ucar (PDF) und der Stellungsnahme des Vereins.
2 Kommentare:
Sehr schöne Gedanken (und vor allem eine sehr gute Recherche, denn in der Tat kannte ich den "alten Text" noch gar nicht) zu einem Thema, das mich nun schon seit mehr als zehn Tagen beschäftigt und das ich aus diversen Gründen mittlerweile nicht mehr ganz so locker nehmen kann. Ich muss dir allerdings widersprechen, dass "Blau und Weiß" nur in der Nordkurve von einer Minderheit laut mitgesungen wird. Im Gegenteil ist das Schalker Publikum in Bezug auf die eigene Vereinshymne noch die textsicherste in Deutschland das ich kenne. Diese Meinung konnte ich mir bei verschiedensten Auswärtstouren in den letzten Jahren bilden. Leider eignet sich die Diskussion auf beiden Seiten ideal dazu, alte Vorurteile hochzukochen. Eine "saubere Lösung" wird es deshalb auch nicht geben können. Ich glaube allerdings auch nicht, dass den Initiatoren überhaupt jemals an einer sauberen Lösung gelegen war.
Na, o.k.. Die Textsicheren haben sich mittlerweile im ganzen Stadion verteilt. Was aber nichts an der Lautstärke auf Haupttribüne und Gegengerade ändert. Aber vielleicht geht das auch immer im Lautsprecherlärm unter.
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