Die weiße Göttin der Kannibalen

Die abstrusesten Drehbücher, die schlechtesten Schauspieler, die kleinsten Budgets, die abgebrühtesten Regisseure und Produzenten, die unglaublichsten nicht eingehaltenen Versprechungen, die wahnsinnigsten Filmtitel, die schlechtesten Kostüme und bedauerlichsten Tricks. Das ist Exploitationkino. Aber, und das Aber ist ein großes ABER, hier finden sich auch die fantastischsten Geschichten, die echtesten Machos, die größte Kreativität, Mut zur politischen Unkorrektheit, eine nicht zu unterschätzende avantgardistische Ader und ganz viel Leidenschaft für das Kino. Im Exploitationkino ist nichts unmöglich, jeder ungesehene Titel gleicht einem Los mit Gewinngarantie an der Kirmesbude, entweder Hauptgewinn oder billiger Trostpreis. Meist billiger Trostpreis, was jedoch kaum etwas ausmacht, weiß man doch um das eingegangene Risiko. Die Grenzen sind fließend, die Exploitation hat die talentiertesten Filmemacher hervorgebracht und den untalentiertesten Stümpern Ruhm und Ehre verschafft.

Susan Stevenson steht irgendwann mit ihrem Bruder Arthur auf der Matte des Professors Edward Foster. Sie bittet um Hilfe bei der Suche nach ihrem Mann, der seit seiner verbotenen Expedition im Dschungel Neuguineas als verschollen gilt. Foster weiß sofort wo Henry Stevenson wohl zu finden ist und willigt, ganz im Gegensatz zu sonstigen filmisch dramaturgischen Gepflogenheiten, sofort ein die Rettungsexpedition zum verfluchten Berg Ra Ra Me zu leiten.

"Where life has remainded at its primordial Level."

Wie gefährlich der Dschungel Neuguineas ist, erfährt Susan ziemlich schnell. Mit ihren schicken und modischen Stiefeln bleibt sie im Unterholz hängen, stürzt und sieht sich im Angesicht einer fetten Spinne. Foster macht mit dem Vieh, welches sich als Vogelspinne entpuppt kurzen Prozeß. Hätte die Spinne Susan gebissen, der Tod wäre ihr gewiß. Eine Vogelspinne zu töten bringt jedoch Unglück und um dieses abzuwenden zerlegen die eingeborenen Träger der kleinen Expedition erst einmal einen lebenden Leguan in seine Einzelteile und vergnügen sich an seinen blutigen Innereien. Zuviel für Arthur, der erst verbal gegen dieses unvorstellbare Grauen protestiert - "Kann man das nicht verbieten?" - und wenig später auf die Träger eintritt, die sich daraufhin ins Dickicht der grünen Hölle verdünnisieren. Ja, dieser Arthur hat keinen Respekt vor den jahrhunderte alten Traditionen der Eingeborenen Neuguineas und bringt dadurch gleich zu Anfang die Rettungsmission in Gefahr. Die verbliebenen schaffen es dennoch erschöpft vom Gewicht der Ausrüstung zur Küste von der aus man zur Insel mit dem berüchtigten Berg übersetzt.

"Today, on the dawn of the space age, it seems unimaginable that only twenty hours' flight from London..."

Auf der Insel angelangt finden die Abenteurer die Leiche eines Leprakranken. Foster erklärt, daß die Eingeborenen Aussätzige aus der Gemeinschaft verbannen und sich selbst überlassen. In der Nähe findet man auch Henry Stevensons Messer, sie scheinen auf der richtigen Spur zu sein. Einen Krokodilangriff später, bei dem einer der übrig gebliebenen Träger ums Leben kommt, begegnen sie mysteriösen Eingeborenen, die auch den Rest der Träger erst in eine Raubtierfalle tappen lassen um sie danach offensichtlich zu verputzen. Doch man hat Glück im Unglück, stößt Susan doch auf unerwartete Hilfe des Arztes Manolo, der mit Pater Moses ganz in der Nähe eine Mission leitet. Moses und Foster sind sich nicht unbekannt und so erfreuen sich alle ersteinmal der Sicherheit des Dorfes. In der Nacht tötet ein Puca die Frau eines Dorfbewohners, die sich gerade mit Arthur in einer Hütte vergnügt. Foster kann den Angreifer zur Strecke bringen, wird dabei jedoch vom Speer des Eingeborenen verletzt. Foster beichtet, die unheimlichen Eingeborenen die Puca genannt werden zu kennen. Vor Jahren war er ihr Gefangener, wurde jedoch als Mitglied des Stammes aufgenommen, da er einem der Eingeborenen durch seine ärztliche Hilfe das Leben rettete. Pater Moses fordert Foster, Susan und Arthur auf die Mission zu verlassen, denn sie haben Zwietracht und Leid ins bisher friedliche Leben der dort lebenden Eingeborenen gebracht. Manolo, der seit letzter Nacht ganz scharf auf Mrs. Stevenson ist, schließt sich der Expedition an. Das ist auch bitter nötig, denn Foster ist durch seine Verletzung arg gehandicapt.

"Tiere folgen einzig und allein ihrem Instinkt, so wie letztlich alle Lebewesen. Sie töten und fressen. Der Mensch hat den selben Instinkt, er benutzt nur raffiniertere Methoden um ihn zu befriedigen. Lügen und Tricks."

Die weitere Reise zum Berg des Kannibalen Gottes erweist sich nicht weniger dramatisch. Foster ist auf die Hilfe seiner Gefährten angewiesen, erkrankt mangels Antibiotika an Wundbrand. Am Fuße des Berges angelangt entledigt sich Arthur des nicht mehr benötigten Professors und auch Susan Stevenson wird den wahren Grund ihrer Reise offenbaren. Doch zu spät für Manolo umzukehren, die Pucas haben die drei schon gefangen genommen und in ihre Höhle entführt. Arthur wird zur Attraktion ihres Abendbrots.

Exploitation Galore. Die ethnologische Märchenstunde Sergio Martinos geizt gerade gegen Ende nicht mit unappetitlichen Szenen. Da wird aufgeschlitzt, entmannt und noch so einiger anderer Humbug getrieben, daß sich beim unbedarften Zuschauer die Zehennägel aufrollen und die Nackenhaare aufrichten. Keine Frage, auch Die Weiße Göttin der Kannibalen ist kein Familienfilm. Was ihn jedoch von seinen nicht sehr zahlreichen Genrekollegen unterscheidet ist die Tatsache, daß Martino, ein ehemaliger Regieassistent Mario Bavas, der zuvor schon den einen oder anderen ordentlichen Giallo ablieferte, versucht seinen Gore und all die anderen unaussprechlichen Dinge in eine durchaus wendungsfreudige und nicht immer vorhersehbare Geschichte zu verpacken, die auch ohne die explizieten Szenen auskommen könnte. Das gelingt ihm auch auf einer sehr einfachen Ebene. Natürlich bietet auch sein Kannibalenabenteuer alle filmischen Verbrechen, die das italienische Exploitationkino mit sich bringt. Schamloser Tiersnuff, offener Rassismus, der sich vor allem aus der gefühlten Überlegenheit der zivilisierten Welt gegenüber indigenen Völkern speißt. Naiv ist hier das richtige Wort, denn Martino versucht auch den weißen Menschen als Ausbeuter der unerforschten Welt darzustellen. Dabei bleibt es aber nur beim Versuch, denn das Volk der Puca ist letzten Endes doch ein Haufen zurückgebliebener, primitiver Steinzeitmenschen, der jegliches Eindringen in ihr Hoheitsgebiet mit dem Tod bestraft. Ganz und gar dem Bild einer unaufgeklärten Gesellschaft entsprechend. Und hier ist die eigentliche Problematik des Mondo und Kannibalenfilms offensichtlich. Nicht die detailierte grafische Gewalt ist das Verwerfliche, die wird längst auch im Mainstreamkino zelebriert denke ich an Lecters Hauptgang in Ridley Scotts mit der Goldenen Leinwand prämierten Thriller, sondern die Demagogie, diese Menschenverachtung, die den Naturvölkern entgegen gebracht wird und ihnen unterschwellig ihr Existenzrecht abstreitig macht. Wie ein Witz liest sich dagegen so mancher Beschlagnahmungsbeschluß deutscher Richter, in denen vor allem über Gewaltverherlichung gesprochen wird.

1/10 Punkte

13 Kommentare:

C.H. hat gesagt…

Man merkt dir die Leidenschaft an, wenn du über diesen Film und das Genre im Allgemeinen schreibt, gerade im ausgezeichnet gelungenen ersten Absatz des Textes ist das ganz deutlich zu sehen.

Und das bringt mich dann auch dazu, solche Reviews in Gänze zu lesen, auch wenn das Genre, wie du ja weißt, nicht mein Fall ist. Aber das ist ja in diesem Fall auch völlig egal, denn der Text gefällt und das ist die Hauptsache ;-)

tumulder hat gesagt…

Ich muß zugeben, das war bisher vielleicht der einfachste Film zu dem ich meine Meinung kund getan habe, aber bei weitem auch das schwierigste Review überhaupt. Eigentlich wollte ich noch über Stacy Keach, Ursula Andress, die Musik, die eigentlich nur in zwei oder drei Szenen zu dem gezeigtem paßt, schreiben. Ich fand aber die letzten Sätze drücken treffen den Kern des Filmes und des Genres und was von ihnen, trotz meiner Begeisterung für die Exploitation, halte ganz gut aus;)

tumulder hat gesagt…

Oh Gott, was für einen Quark habe ich da gerade geschrieben. Einfach die falschen gegen die richtigen Worte in Gedanken austauschen.

C.H. hat gesagt…

Ist auf jeden Fall bei mir so angekommen, wie von dir gewollt. Sowohl im Text, wie in dem Kommentar ;-)

Anonym hat gesagt…

naja, schwaches review... erst wird groß eingeleutet was exploitation alles darf, wie frei dieser bereich des kinos doch ist..! nur um im endeffekt doch noch mit der großen moralkeule draufzuhauen und sich irgendwelche thesen zusammen zu dichten..

der reviewer sollte sich mal wirkliche trash-kannibalen-grütze zu gemüte führen, anstatt genre klassiker so runterzuziehen...

tumulder hat gesagt…

Wo schreibe ich was Exploitation alles darf? Wo bastle ich Thesen zusammen? Und sorry, ich habe die paar Kannibalenfilme, die es überhaupt gibt alle gesehen. Und die waren letztendlich alle Rotz, Trash hin oder her.

Anonym hat gesagt…

ich muss dir doch nicht dein eigenes rewiev erklären?!

fakt ist: das ich dem kannibalengenre absolut nichts abgewinnen kann und nur aus interesse zum regisseur (sergio martino) den film geschaut habe.

ich wurde positiv überrascht durch die qualität der schauspieler, die herangehensweise das genre als durchaus spannenden abenteuerfilm zu inszenieren!

weil er ebend nicht menschenverachtende gore grütze ist wie andere vertreter des kannibalenfilms (die du ja btw alle gesehen zu haben scheinst..)

im ersten absatz erklärst du was man von exploitatoin kino zu erwarten hat, nur um im endeffekt genau diese punkte dem film um die ohren zu hauen (exploitation= engl. ausbeutung)

sorry, wenn du kritik nicht vertragen kannst!

tumulder hat gesagt…

weil er ebend nicht menschenverachtende gore grütze ist wie andere vertreter des kannibalenfilms (die du ja btw alle gesehen zu haben scheinst..)

Nicht der Goregehalt ist ausschlaggebend für die Menschenverachtung, sondern die Darstellung der Figuren. Im übrigen lag ich ein wenig falsch mit der Pauschalverurteilung. Immerhin bekommen es Lenzi oder Deodato später mit Cannibal Ferox/Holocaust noch einigermaßen hin die Eingeborenen eben nicht wie Matteo demagogisch als dumme blutrünstige Untermenschen darzustellen. Und wenn ich in der Einleitung schreibe, was man in der Exploitation alles erwarten kann, heißt das noch lange nicht, daß sie alles darf und das man alles was sie hervorbringt tolerieren muß. Man muß nicht alles beklatschen, nur weils Exploitation ist.

sorry, wenn du kritik nicht vertragen kannst!

Weil ich nachhake?

Anonym hat gesagt…

natürlich muss man nicht alles beklatschen! aber die bewertung wird dem film meiner meinung (und auch die überwiegenden reviews sprechen eine andere sprache) nicht gerecht..

1/10 ist ein schrottfilm.

und für das exploitation genre ist dieser nun mal nicht schlecht, sondern erfüllt/übertrifft voll und ganz die erwartungen die man an ihn stellt!

(abenteuercharme, fragmente einer story mit überraschender wendung am ende..)

wenn dir ein teilaspekt des ganzen (für damalige verhältnisse durchaus übliche, mittelalterliche stigmatisierung der eingeborenen völker) so sauer aufstösst, dann will ich mal deine wertung zu Indy 4 hören! welcher 2008 dieselben klischees im mainstream kino bedient..

tumulder hat gesagt…

aber die bewertung wird dem film meiner meinung (und auch die überwiegenden reviews sprechen eine andere sprache) nicht gerecht..

Das mag durchaus sein, ändert aber nichts an meiner Meinung.

1/10 ist ein schrottfilm.

Richtig, neben den formalen Schwächen vor allem aufgrund der inhaltlichen.

und für das exploitation genre ist dieser nun mal nicht schlecht, sondern erfüllt/übertrifft voll und ganz die erwartungen die man an ihn stellt!


Ich sehe Exploitation keinesfalls als Genre und wenn es so wäre, warum sollte dann dieses Genre anderen Bewertungsmasstäben unterliegen als die übrigen Genres?

wenn dir ein teilaspekt des ganzen (für damalige verhältnisse durchaus übliche, mittelalterliche stigmatisierung der eingeborenen völker) so sauer aufstösst, dann will ich mal deine wertung zu Indy 4 hören! welcher 2008 dieselben klischees im mainstream kino bedient..

Ich bezweifle, daß in den 70ern, der Hochzeit des gesellschaftskritischen Kinos eine derartig dümmliche und unaufgeklärt eindimensionale Stigmatisierung indigener Völker üblich war. Aber nun gut, Du fragtest ja nach meiner Meinung zu Indy 4. Ich möchte es einmal so ausdrücken, während Matteos Werk in der real existierenden Welt spielt["Today, on the dawn of the space age, it seems unimaginable that only twenty hours' flight from London..."] und die Figuren auch dementsprechend agieren, wandelt doch Spielbergs und Lucas Abenteuer eindeutig in einem überspitzem Kinouniversum, es gibt weder Riesenarmeisen, noch kann man eine Atomexplosion in einem Kühlschrank überleben etc.. Von daher ist auch sein Eingeborenen Volk alles andere als real exisztent und läßt erst gar keine Bezüge zur echten indogenen Bevölkerung aufkommen.

Anonym hat gesagt…

absolute zeitverschwendung (ha ha). google dir doch die antworten zu deinen unbeholfenen fragen selber :)

das gute daran - jetzt kann wenigstens jeder nachvollziehen wie merkwürdig die maßstäbe deiner bewertung sind und wie du dir immer wieder selbst widersprichst!

kritik kann schon hart sein!

zeitverschwender blog 1/10 punkten ...

tumulder hat gesagt…

Drogen? ADS? Vergessen die Pillen einzunehmen, die der Doktor Dir verschrieben hat?

Anonym hat gesagt…

genau, geh kacken...

an die 3 blogleser und die leute die hier durch OFDb gelandet sind (so wie ich): schaut euch den film an, er ist viel besser als erwartet!

der blogbetreiber ist ein verkappter spiesser, der sich wenn man sein einfältiges weltbild nicht teilt tief gekränkt fühlt, fakten + argumente ignoriert um bloss keine diskussion zu zulassen.

muss mich jetzt leider verabschieden, viel spass noch beim leben im kohlepott!!

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