Kinder berühmter Eltern haben es grundsätzlich ein wenig schwieriger, wenn sie sich entschließen auf den Pfaden ihrer Erzeuger zu wandeln. Der Vergleich ihres Schaffens mit dem ihres Vaters oder ihrer Mutter ist unausweichlich. Wenden sie dann auch noch die Methoden und handwerklichen Kniffe an, die ihre Eltern berühmt und erfolgreich gemacht haben, wird oft allzu schnell von Uneigenständigkeit gesprochen, selbst wenn das Ergebnis bei einem anderen Künstlers als Hommage oder nettes Zitat gewertet würde. Vergessen wir also einmal im Falle Jennifer Lynchs zweiten Films das Werk ihres übergroßen Vaters, das mit Sicherheit wie ein Damoklesschwert über all ihrem weiteren Schaffen baumeln wird, soweit wie irgend möglich. Einfach ist dies jedoch nicht.
Gleich zu Beginn ihres Thrillers läßt Lynch die Gewalt schonungslos von Leine. Ein Schlafzimmer nur erhellt durch das unruhige Taschenlampenlicht des Einbrechers. Schreie, dumpfe Schläge, spritzendes Blut und eine Frau, die in die Dunkelheit der Nacht fliehen kann. Der Täter und seine Motivation bleibt unerkannt. Die drastischen Bilder sorgen für eine gehörige Portion beklemmende Atmosphäre, die Lynch im weiteren Verlauf des Filmes beibehalten und immer wieder auch zu steigern vermag. Schnell wird klar, daß wir es hier mit der Tat eines Serienmörders zu tun haben, der nun im ländlichen, nördlichen mittleren Westen der USA sein Unwesen treibt und die Mordrate schneller in die Höhe schießen läßt als die Kaffeemaschine des Sheriffbüros für Nachschub sorgen kann. Ein Fall für das FBI, die zwei Ermittler Elizabeth Anderson und Sam Hallaway werden ersteinmal vordergründig dem Klischee entsprechend widerwillig von den örtlichen Gesetzeshütern empfangen. Nur Captain Billings scheint erfreut über die Hilfe der übergeordneten Behörde. Drei Zeugen überlebten das letzte Massaker. Officer Jack Bennet, der bei dem Einsatz seinen Partner verlor. Bobby Prescott, eine noch unter ihren offensichtlichen Drogenkonsum stehende junge Frau und Stephanie, ein neunjähriges Mädchen, das den Tod ihrer ganzen Patchworkfamilie auf der verlassenen Straße ansehen mußte. Nach den üblichen kleinen Anlaufschwierigkeiten werden alle drei Zeugen von einander getrennt befragt. Während sich FBI Agentin Anderson des kleinen Mädchens annimmt, Billings seinen Kollegen Bennet und der unerfahrene Officer Wright mit seinem zynischen Kollegen Degrasso Bobby vornehmen, steuert Hallaway die Befragung der drei mittels dem mitgebrachten Videoequipment von einem anderem Raum aus. Alle drei Zeugen erzählen ihre Version der Geschehnisse, was den Kritiker nur allzu schnell mit dem Verweis auf Kurosawas Klassiker Rashomon kokettieren läßt. Doch trifft dies nicht den Kern der Sache, denn die Tatsachen werden von den Zeugen im Groben nicht unterschiedlich erzählt, sie lassen bis auf Stephanie, die nichts zu verheimlichen hat, lediglich die Dinge aus, die ihre eigene Situation noch verschlimmern könnten. So verschweigt Bobby den exzessiven Drogenkonsum und den Tod ihres Dealers. Officer Bennet verschweigt den perversen Zeitvertreib, dem er und sein nun toter Kollege in der Einöde nachgegangen sind. Es geht weniger um die Wahrheitsfindung über den Tathergang, als um die Geheimnisse, die die Figuren der Geschichte in sich tragen. Um Schein und Sein, um Identität. Das Thema, welches sich wie ein roter Faden durch die Werke Jennifer Lynchs Vater zieht. Da denkt man schnell an die großartige TV-Serie Twin Peaks, Mulholland Drive, Lost Highway und nicht zuletzt Blue Velvet, in denen es letztendlich um nichts anderes ging, als um die Geheimnisse der Identität, um die Leichen im Keller.
Auch handwerklich orientiert sich Lynch an ihren Vater, wenn sie auch um Längen nicht so surreal bzw. expressionistisch, sondern eher nüchtern vorgeht. Da untermalt in einigen Szenen das gewohnt unheimliche Brummen auf der Tonspur die Atmosphäre, da bedient sie sich der auf den Zuschauer unvorbereitet einschlagenden Gewalt, wählt für den Soundtrack ähnliche Stücke, wie es wohl auch ihr Vater getan hätte. Da fehlt eigentlich nur noch Angelo Badalamenti, aber das wäre des Guten wohl zu viel. Formal ist Jennifer Lynch kein großer Vorwurf zu machen, daß der Film lediglich dreieinhalb Millionen Dollar gekostet hat, ist nicht unbedingt auf dem ersten Blick ersichtlich. Gekonnt konzentriert sie sich auf wenige Schauplätze, baut in den Szenen im Sheriffbüro auf solides Kammerspiel und in den Rückblenden auf die Szenen auf der verlassenen Straße. Und auch der Cast läßt nicht unbedingt auf Low Budget schließen, hat er doch mit Bill Pullman, Julia Ormond und Michael Ironside zumindest vom Papier her ordentliches zu bieten. Da erweist sich der Film selbst als Teil der Maskerade, die seine Handlung vorgibt. Die Demaskierung des Ganzen findet dann schließlich im miesem Finale statt. Das ist nicht etwa schlecht weil es genau den Plottwist bemüht, den der Zuschauer schon seit der Mitte des Filmes erwartet, sondern weil es einfach so desaströs und stümperhaft inszeniert wurde, daß es all das, was Lynch in mühsamer Kleinarbeit zuvor aufgebaut hat, zusammen fallen läßt wie ein Kartenhaus. Unglaublich wie sich ihre Schauspieler der Lächerlichkeit preisgeben müssen, wie sie die wahren Täter zu Witzfiguren verkommen läßt und damit dem ganzen Film seiner bedrohlichen Atmosphäre beraubt. Nicht zu fassen, wie sie noch in der Schlußszene den pathologischen Serienmörder zu einen Furz von einem obersmarten Bösewicht degradieren muß. Dabei hätten wir Jennifer Lynch bis dahin doch so einiges verziehen, daß sie Bill Pullman immer wieder in eine unpassende Fred Madison Pose verfallen läßt. Daß sie die Officer Bennet und Conrad schräger zeichnet als nötig, daß sie in der Inszenierung ein wenig den Faden hinsichtlich des Titels des Films verliert. Und auch noch die eine oder andere nicht ganz runde Szene. All das hätte einer weitaus höheren Bewertung nicht im Wege gestanden.
4,5 /10 Punkte
11 Kommentare:
weil es genau den Plottwist bemüht, den der Zuschauer schon seit der Mitte des Filmes erwartet
Den erkennt man doch schon, wenn man aufs Plakat schaut. Ganz schwacher Film, lieber auf Papas Kosten leben, anstatt sich selber in seinen Fußstapfen auszuprobieren.
Na klar Mr. Holmes, jetzt wo Sie es sagen fällt es mir Dr. Watson wie Schuppen von den Augen. Dennoch fand ich ihn bis zum unsäglichen Finale gar nicht übel. Ob sich Lynch der Werke ihres Vaters bedient oder nicht. Formal ist ihr Vater ja nicht der schlechteste, eher das Gegenteil ist der Fall und von daher möchte ich da lieber Gnade vor Recht ergehen lassen und so aufdringlich fällt das Ganze dann meiner Meinung auch gar nicht aus. Vielleicht aber auch Geschmackssache. Aber wie schon geschrieben, das Finale ist dann wirklich ein ganz, ganz schwaches.
Immerhin durfte der Billy mal wieder im Kino mitspielen, da wird er sich gefreut haben.
Laß mir den Bill in Ruhe. Auch wenn sein Spiel nicht gerade zu den positiven Dingen des Films gehört.;)
Isch mag den doch och, mönsch ;)
Was darf man schon vom Lynch-Nachwuchs erwarten... wobei ich bei deiner Affinität für solch verschwurbeltes "Mind-Fuck-Kino" (^^), siehe die neuerliche MTV-Prätention SOUTHLAND TALES vom Kiddie-David-Lynch Richard Kelly, da vielleicht doch etwas überrascht bin. ;)
..., weil Du halt zu schnell in Schubladendenken verfällst?:P
Nee, weil ich meine Pappenheimer und ihre Neo-Prätentionen kenne. ;)
LOL:D
Tja, und was lernen wir daraus: Nicht überall wo Lynch draufsteht ist auch Lynch drin. ;-) Wobei ich irgendwie das Gefühl nicht loswerde, dass ich diesen Film vielleicht doch mögen könnte. Na mal sehen...
Da ist soviel Lynch drin wie auch draufsteht. Nur heißt das ja noch lange nicht, daß der Film auch gut ist.;)
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