Knowing

O.K., jeder macht mal Fehler. Zum Beispiel grundsätzlich auf den letzten Drücker an der Kinokasse zu erscheinen, keine Karten für die Vorstellung reserviert zu haben, obwohl das mittlerweile ja auch online ganz gut funktioniert. In einer Mischung aus Trotz und kindlichem Übermut dann Karten für die Filmvorführung zu kaufen, vor der alle, zumindest diejenigen, die man ernst nehmen kann, ausnahmslos gewarnt haben. Allein aus der Erwartungshaltung heraus sich wenigstens knappe zwei Stunden über unfreiwilligen Humor köstlich amüsieren zu können. Zum Lachen ist man schließlich im Kino erschienen. Man ist Profi, kann mit schlechten Filmen umgehen, und schließlich ist auch noch Kinotag. Der Eintritt im Verhältnis zu Parkhausgebühr, Bier und Popcorn zusammen nicht mehr als ein Trinkgeld. Was soll da schon schief gehen?

Ab hier wird nur noch gespoilert. Das muß sein, damit der Leser die Ausmaße Alex Proyas neuesten Film verstehen kann. Damit er verstehen kann an welchem Punkt das Blockbusterkino mittlerweile angekommen ist. Es geht hier nicht um bayschen Schwachsinn, nicht um Spielbergkitsch, nicht um ein billiges Drehbuch. Es geht hier nicht um Blödsinn aus Emmerichs CGI Werkstatt. Es geht hier um etwas größeres, es geht hier um den totalen Krieg gegen den Verstand.

John Koestler ist trotz seiner nicht hinnehmbaren Frisur Universitätsprofessor für Astrophysik, alleinerziehender Vater und glaubt fest an den Zufall der Natur. Sein neunmalkluger Sohn ist ein ganz lieber und schaut ausschließlich Discovery Channel. Ist klar. Vor 50 Jahren malten Kinder Bilder der Zukunft, die in einem feierlichen Akt zur Einweihung ihrer Schule mittels Zeitkapsel im Boden versenkt wurden. Zum jetzigen Jubiläum werden sie wieder ausgegraben und an die heutigen Schüler verteilt. Caleb, Koestlers Sohn, der die selbe Schule besucht, bekommt das Bild von Lucinda Embry überreicht. Doch darauf sind keine Ufos und Raumschiffe zu sehen, sondern Zahlenreihen. Einen Whiskeyfleck und eine durchgegooglete Nacht später weiß Koestler dann schließlich, daß die Zahlenreihen auf Lucinda Embrys Bild Datums- und Opferangaben der schlimmsten Katastophen der letzten 50 Jahre sind. Davon berichtet er seinen Freund und Kosmologen Phil, der jedoch ganz der Dramaturgie dienend Koestlers Entdeckung als hanebüchen abkanzelt. Schließlich sind auf dem Stück Papier auch noch eine ganze Reihe Zahlen, die nicht zugeordnet werden können. Nach einem wirklich beeindruckenden Flugzeugabsturz weiß Koestler dann auch diese Zahlen einzuordnen. Es handelt sich um die Längen- und Breitengrad Koordinaten der prophezeiten Katastrophen. Soweit Hollywood, soweit X-Files, soweit absehbarster Hochglanz Trash. Doch was Proyas danach zu bieten hat, ist nur schwerlich in Worte zu fassen. Koestler fährt nach New York, wo er Zeuge eines weiteren beeindruckend inszenierten Unglücks wird, er lernt Lucinda Embrys Tochter kennen, die ebenfalls alleinerziehend ist und eine Tochter in Calebs Alter hat. Koestler versucht Diana von den Prophezeiungen ihrer Mutter zu überzeugen, Dianas Tochter Abby versteht sich gut mit Caleb. Man findet heraus, daß die nächste vorausgesagte Katastrophe der Weltuntergang sein wird. Sonneneruptionen gigantischen Ausmaßes stehen bevor, deren Flamen bis zu einer Meile tief ins Innere der Erde eindringen werden. Die dunklen Männer entführen Caleb und Abbey, Diana hinterher, Autounfall, sie ist tot. Koestler fährt zu Lucinda Embrys Haus, die schwarzen Männer tauchen auf, Koestler fordert mit vorgehaltenem Revolver die Herausgabe der Kinder. Die Kinder erscheinen im Gebüsch mit zwei weißen Kaninchen auf dem Arm. Papa, die dunklen Männer sind hier, um uns zu retten. Wir dürfen mit. Papa darf nicht mit, er hat keine Stimmen im Kopf. Die dunklen Männer reißen sich die Klamotten vom Leib und entpuppen sich als engelsgleiche Wesen, die dem Raumschiff, oder was immer es sein soll, auf ihren Schwingen hinter her eilen. Papa bleibt zurück. Wer jetzt glaubt, daß ihm der Unterkiefer nicht mehr weiter nach unten fallen kann, wird von Proyas eines besseren belehrt. Koestler fährt wieder nach New York, wo seine streng gläubige Familie wohnt, mit der er sich vor Jahren anscheinend verkracht hat. Die Straßen sind voll von Militär, Menschen, Apokalypsenstimmung. Langsam fährt er durch die panische Menge und steht dann endlich vor dem Elternhaus. Er schafft es rechtzeitig zur Versöhnung mit seinem Vater, seines Zeichens Pfarrer, er schafft es rechtzeitig zu glauben. New York, und damit die Erde, wird von den Eruptionen erfaßt. Flamentodestsunamie. Nein, es ist noch nicht aus. Proyas kann noch härter. Schnitt. Klein Adam Caleb und klein Eva Abby laufen im neuen Garten Eden mit ihren weißen Kaninchen in den Armen auf den Baum des Lebens zu. Abspann. Ich mache mir Sorgen um Hollywood, um das Kino. Wie kann so ein Film in die zweite Woche starten? Was läuft verkehrt? Man möchte darüber lachen, doch es geht nicht. Zu ernst trägt Proyas den religiösen Unfug zwischen harmloser Esoterik und Marketingfilm christlicher Ufo-Sekten vor. Man möchte den Produzenten schwere Hirnschäden unterstellen, Proyas in einer psychatrischen Klinik unterbringen. Doch ein Blick auf die Box Office Zahlen läßt erst wirklich erschaudern. Knowing hat bisher 95 Millionen Dollar eingespielt, mehr als das dreifache des bisherigen Einspielergebnisses eines Battlefield Earth. Knowing ist wahrscheinlich erst der Anfang.

1/10 Punkte

12 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hahaha grossartig.
Aber ich wusste schon immer: Nagerfreunde leben länger.
Und Stimmen im Kopf hab ich auch.
Macht's mal gut und danke für den Fisch:-)

tumulder hat gesagt…

Ich glaube die Stimmen im Kopf sind für die Rettung am wichtigsten.^^

Flo Lieb hat gesagt…

Ich glaube ja, das war der Baum der Erkenntnis und nicht der des Lebens. Schließlich sind die ganzen Kinder jetzt alleine auf dem Planeten, der weder Haus noch Werkzeug hat. Die müssen ja jetzt irgendwoher Wissen erlangen, wie sie Überleben können. Ergo: Baum der Erkenntnis. Ich kenne außer Roger Ebert bisher niemand, dem das Teil gefallen hat. Aber der Absturz des Flugzeuges, der war "beeindruckend", also die 5 sek., die das Ganze gedauert hat.

Armer Proyas, dabei waren THE CROW und DARK CITY doch so gut...

tumulder hat gesagt…

Ich wollte auch erst Baum der Erkenntnis schreiben, aber ich habe keine Äppel in Erinnerung.:D

Ja, der Roger, ist vielleicht mittlerweile schon ein wenig senil. Obwohl, der stand glaube ich schon immer auf so einen Quark und beim Publikum scheint der Film dann doch ganz gut anzukommen. Ich habe etwas von geilen Effekten und toller Atmosphäre gelesen.^^

Rajko Burchardt hat gesagt…

Hab nur auf die Punkte geguckt. Hach, ich gehe die Tage noch rein, das wird ein Fest! *freu*

tumulder hat gesagt…

@rajko
Viel Spaß.:D

Mr. Hankey hat gesagt…

Oha! Erst am Donnerstag hat mich Bretzel (mit dem ich ja Woche für Woche in die Sneak gehe) versucht zu überzeugen, dass der Film gut ist und sich die anfängliche Skepsis nicht bewahrheitet (seine Ofdb-Kritik spricht ja für sich) und nun reißt der tumi wieder alles ein.

Aber ich bleibe standhaft und gehe nicht rein. Zumal Ihr beide bei solchen Filmen nicht die glaubwürdigsten Ansprechpartner seit! ;-) ;-) ;-)

sequencer hat gesagt…

Och, schon alles verraten...
Und ich fand den Trailer schon selten dämlich.
"Sie waren hier, die Flüstermenschen."

tumulder hat gesagt…

Zumal Ihr beide bei solchen Filmen nicht die glaubwürdigsten Ansprechpartner seit! ;-) ;-) ;-)Hankey, ich glaube der könnte Dir gefallen. Handlung und solche Dinge sind Dir ja meist nicht so wichtig.;)

@sequencer
Der Film ist sooooo schlecht... Paahh, da kam ich einfach nicht drum herum. Verantwortungsgefühl und so weiter...^^

Francis hat gesagt…

Zugegeben, Cage hat immer noch eine besch... Frisur - und von Proyas hätte ich wohl mehr erwartet, aber der Film war wohl alles in allem besser als eine "1/10".

Ich hätte wohl "6.5/10" gegeben, denn ich fand den Film alles in allem recht spannend.
- Nur das Ende war völlig daneben(!)

Mr. Hankey hat gesagt…

Handlung und solche Dinge sind Dir ja meist nicht so wichtigApropo, wo bleibt Deine Meinung zu "Crank II"? ;)

tumulder hat gesagt…

@francis
- Nur das Ende war völlig daneben(!)Ich wüßte zu gerne wieso nur das Ende daneben ist, wenn der ganze Plot des Filmes auf diesem Ende basiert? Der ganze Film ist damit schlecht, was er aber auch wahrscheinlich mit einem anderem Ende wäre. Die ganze Haltung der Geschichte, das Drehbuch, die Dialoge, einfach alles ist hier geistiger Dünnpfiff der besonders üblen Sorte. Ich habe mit Absicht nur die Handlung gespoilert, anstatt mich ernsthaft mit dem Film auseinanderzusetzen. Ich dachte, eigentlich ergibt sich daraus von allein die ganze Unverfrohrenheit dieses Machwerks. Aber anscheinend reichen heute ein paar halbwegs ordentliche CGI und das Publikum ist zufrieden. Wie ja jeder an der imdb Durchschnittsnote und dem bisherigen Einspielergebnissen ablesen kann. Über den Inhalt eines Films wird anscheinend überhaupt nicht mehr nachgedacht.

@hankey
Ich habe erst zweimal in meinem Leben eine Kinovorstellung freiwillig verlassen. Das letzte mal gestern Abend bei Crank 2.:(

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