Schon Sokrates klagte:"Die Jugend von heute...", stop. Das ist ja gar nicht belegt, glaubt man den Historikern, die bis heute laut Zeit.de zumindest bei Plato keine Niederschrift des berühmten Zitates gefunden haben. Also muß ich wohl einen anderen Einstieg für meine Einleitung finden. Immer schlimmer werdende Jugendgewalt in den Städten? Hmm, das mediale Gezeter zu Jahresanfang, ausgelöst durch einen unfaßbaren Übergriff zweier Jugendlicher in der Münchener U-Bahn ist spätestens mit der Verurteilung der Delinquenten Geschichte. Aber es wird irgendwann wieder einen ähnlichen Fall geben und wieder wird die Apokalypse gepredigt werden. Die Apokalypse spielt sich augenscheinlich vor allem täglich in unseren Schulen ab, dort wo die Jugend geballt auf die Alten trifft, die ihnen etwas beibringen sollen. Medial groß aufbereitete Einzelfälle scheinen dieses Bild immer wieder zu bestätigen. Die Videos, die Youtube ausspuckt, gibt man entsprechende Suchanfragen ein, scheinen den Verdacht zu bestätigen. Die Schule ist zum Kriegsschauplatz geworden, oder war es schon immer. Schon 1955 sorgte Richard Brooks mit der Verfilmung der Erfahrungen Evan Hunters an einer New Yorker Schule in der Bronx unter dem Titel Saat der Gewalt (Blackboard Jungle) für helle Aufregung. Man muß sich schon wundern, daß das brisante Thema danach nicht öfters von Hollywood aufgenommen und kinoreif verarbeitet wurde. Erst 1982 schaffte es mit Mark L. Lesters Die Klasse von 1984 (Class of 1984) wieder ein Film zu diesem Thema in den Fokus der breiten Masse. Weniger aufgrund seiner Thematik, sondern eher durch seine ausufernde Gewalt.
An der Abraham Lincoln High herrscht das reine Chaos. Der rote Backsteinbau ist runtergekommen, beschmierte Wände, eingebrochene Fensterscheiben, marodierende Schülerbanden auf den Fluren, der Campus mit Müll verdreckt. Einzig der Sicherheitsdienst, der mittels Metalldetektoren am Eingang versucht so etwas wie Kontrolle und Disziplin aufrechtzuerhalten zeugt von staatlicher Aufsicht. Doch auf dem einem Auge ist er blind, hier will sich doch niemand mit dem Feind anlegen. Für was auch? Die machen ja eh was sie wollen. Hier kommt es nur darauf an zu überleben. So trägt Lehrer Corrigan auch stets eine Waffe bei sich. Es ist der erste Unterrichtstag für den neuen Musiklehrer aus der Provinz Nebraskas, Mr. Norris. Gleich im erstem Gespräch mit dem Rektor im Kontrollmonitor überfluteten Büro wird ihm verdeutlicht, daß seine Fähigkeiten als Lehrer zweitrangig sind. Viel wichtiger sind seine Flurkontrollen während der Freistunden, ja er ist hier in der großen Stadt, nicht mehr auf dem beschaulichen Land.
Bekanntschaft mit dem Grund allen Übels macht Norris sofort in seiner ersten Unterrichtsstunde. Stegman und seine Gang haben Platz genommen und versuchen die Orchesterprobe zu stören. Zu erkennen sind sie selbst für den dümmsten Rezipienten an der punkigen Kleidung die mit den New Wave Frisuren kollidiert und umgekehrt. Nur Anführer Stegman sieht auf dem Kopf aus als wäre er einer Haarwasserwerbung entsprungen. Es scheint zunächst als würde Norris den aufgenommenen Kampf Lehrer gegen aufmüpfigen Schüler gewinnen als es ihm gelingt die Störenfriede ohne großen Aufhebens aus dem Unterricht zu entfernen. Doch spätestens nach Dienstschluß muß auch er einsehen, daß die Geschichte ins persönliche abrutscht. Sein Auto ist beschmiert und Abends, als er mit seiner schwangeren Frau nach Hause kommt, wird er von Stegmans Gang obendrein noch mit Hühnerblut aus Wasserpistolen bespritzt. In ihrem Punk Club agiert Stegmans Bande jedoch weniger kindisch, Prostitution und Drogenhandel stehen an der Tagesordnung.
Am nächsten Tag betritt Norris nur ein paar Sekunden zu spät das Schülerklo auf dem Stegman mit Drogen dealt. Ohne handfeste Beweise muß der Rektor die Bande laufen lassen, doch kurz darauf verliert ein Schüler im Drogenrausch sein Leben. Norris schwört sich Stegman in den Knast zu bringen. Der Konflikt zwischen Norris und Stegman schaukelt sich nach und nach hoch bis das unfaßbare geschieht. Stegmans Gang vergewaltigt Norris Frau, der daraufhin blutige Rache an den Mitgliedern der Bande und ihren Anführer verübt.
Mark Lesters Film schaut sich an wie sich Berichte über kriminelle Jugend in den Boulevardzeitungen lesen. Reißerisch. Weniger die eigentliche Thematik steht im Vordergrund als vielmehr die möglichst emotionale Schilderung und übertriebene Darstellung des Geschehens. Dabei verliert sich die immergrüne Geschichte über revoltierende Jugend und überforderte, resignierte Pädagogen in einen durchschnittlichen Rachethriller, dessen Highschool Millieu austauschbar ist wie das tägliche Mädchen von nebenan auf den Titeln der Bildzeitung. Kein Problem die Handlung in einem anderem Sujet unterzubringen. Lester hat gar kein Interesse an den Gründen für die von ihm so schön übertrieben in Szene gesetzte Gewalt, geschweige denn an einer differenzierten Betrachtung oder gar eines sozialverträglichen Lösungsansatzes. Kann er auch gar nicht, seine Hauptfiguren lassen dies nicht ansatzweise zu. Hier ist niemand bereit auch nur ein Stück weit aus seiner Rolle auszubrechen. Norris, dem schneller klar zu sein scheint mit was für einen Typen er es bei Stegman zu tun hat als er seinen ersten Gehaltscheck erhalten kann. Der noch nicht einmal versucht mit Stegman ein Gespräch unter vier Augen zu führen, nachdem ihm vorgeführt wird welch ein musikalisches Talent in ihm steckt. Auf der anderen Seite eben dieser Stegman und seine Bande, die nicht nur auf dem Schülerklo Koks verkauft und den Unterricht schwänzt, sondern auch noch neben der Schule eine waschechte Verbrecherorganisation aufzieht. Ganz schön viel kriminelle Energie für eine Highscholl Bande. Wie alt mögen sie sein? 16 oder 17? Daß Stegman nicht Kind aus sozialem Brennpunkt ist sondern eine verwöhnte Upperclass Göre scheint nur auf dem ersten Blick ein Brechen mit dem Klischee, vielmehr zielt Lester auf den Faktor unterschwelliger Neid um die eh schon vorhandene Abneigung des Zuschauers noch weiter voranzutreiben. Alles nur um sein reaktionäres und von blinder Rachsucht getriebenes Finale zu rechtfertigen, in dem Norris nicht weniger konsequent vorgeht als Marv in Sin City, der seine tote Goldie rächt. Wie hier mancher Kritiker von nihilistischer Herangehensweise an das Problem Jugendgewalt bzw. Kriminalität schreiben kann und dies auch noch beachtenswert nennt kann ich nicht nachvollziehen. Lester geht es letztendlich gar nicht um das Thema Gewalt an Schulen, das benutzt er lediglich als Aufhänger für einen mehr oder weniger reinen Rape and Revenge Reißer. Nicht eingangs erwähntes Schuldrama von 1955 ist hier Vorbild, sondern Filme wie Cravens Last House on the Left oder Zarchis Day of the Women. Man muß sie nicht mögen, aber ihnen zugestehen ihr Hauptthema nicht annähernd so schmierig und manipulativ anzugehen, wie es Lester mit seinem Film versucht. Der Authentizität vorgaukelt, wenn er mit einer Texttafel anfängt, der man entnehmen kann wie viele Gewalttaten an Lehrern im letzten Jahr von Schülern begangen wurden, der Film unglücklicherweise auf wahren Begebenheiten beruht. Das ist pure Scheinheiligkeit. Hier geht es ausschließlich um die Rechtfertigung von Selbstjustiz. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Gewalt als einziger Ausweg aus der Misere. Einzig und allein bewilligt durch die im wahrsten Sinne des Wortes unglaublichen Taten des Antagonisten und dem Versagen des Gesetzes, das in Lesters aus gutem Grund zaghaft in die Zukunft verlegter Geschichte handlungsunfähig erscheint. Natürlich, es gibt noch ein paar nette Schüler, die ihre Tuba, Klarinette oder Querflöte im Koffer mit sich herumtragen und auf den alten Lehrer hören. Denen zeigt Lester aber auch ziemlich eindrucksvoll am Ende was mit ihnen passiert sollten sie den Pfad der Tugend verlassen. Eine eher unfreiwillig komische Szene.
3/10 Punkte
2 Kommentare:
So 'nen Exploitation-Klassiker mit 3/10 abzuwatschen, da braucht man schon echt Eier in der Hose für.
Gut, dass du welche hast. ;)
Bei dem fällt es mir leicht. Der versucht ja nur Exploitation zu sein. Noch so eine Lüge, die der Film auftischt;)
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