Angel Heart

Harry Angel ist ein New Yorker Detektiv, keiner der mit viel Pathos große Fälle aufklärt, eher der, der fremdgehenden Ehemännern hinterher spioniert. Sein heruntergekommenes Büro in Brooklyn zeugt nicht gerade von wirtschaftlichem Erfolg, da kommt ihm der Auftrag des geheimnisvollen Louis Cyphre gerade recht. Angel soll Johnny Favorite ausfindig machen, einen ehemaligen Schlagersänger, der Cyphre noch etwas schuldet. Angel stößt schnell auf erste Spuren, doch ebenso schnell stirbt sein erster wichtiger Informant, noch bevor Angel ihn ein zweites Mal aufsuchen kann, um mehr über den Verbleib Johnny Lieblings herauszufinden. Angel bekommt kalte Füße, Tote sind nicht seine Welt, zudem befindet er das Risiko zu hoch für den Tod des Doktors im Knast oder auf dem Elektrischen Stuhl zu landen. Louis Cyphre kann ihn nicht zuletzt mit 5.000 $ Honorar überreden weiter nach Favorite zu suchen. Am Strand von Coney Island erhält Angel den entscheidenden Hinweis, die Reise führt nach New Orleans.

Mickey Rourke soll Alan Parker während der Dreharbeiten das Leben zur Hölle gemacht haben, und hört man Alan Parker in den damaligen Interviews zu Angel Heart genau zu, muß es tatsächlich am Set das eine oder andere mal zu Unstimmigkeiten zwischen Hauptdarsteller und Regisseur gekommen sein. Ohne Umschweife schwärmt Parker von der Professionalität Robert de Niros, von seiner konzentrierten Arbeit, von seinem Gespür für die jeweilige Szene und wie er Rourkes Leistung in den gemeinsamen Szenen anspornte. In Anbetracht der Tatsache, daß Mickey Rourke 1987 schon als neuer Marlon Brando gehandelt wurde, nicht nur eine Anerkennung Robert de Niros, sondern sicherlich auch eine höflich verpackte Lektion für den jungen Darsteller, der schon vor Angel Heart mit dem System Hollywood auf dem Kriegsfuß stand und über das Ende seiner Schauspielerei nachdachte. Vielleicht sind solche Spannungen am Set gar nicht mal dem Endergebnis abträglich, denn eines steht fest, Angel Heart gehört eindeutig zu Alan Parkers und Mickey Rourkes besten Arbeiten. Ein Film aus einem Guss, wie man gerne sagt. Eine anfangs klassische Detektivgeschichte, die sich im Laufe der Erzählung immer mehr zu einer bitterbösen Reise in die Vergangenheit entpuppt, an dessen Ende der Teufel die Schulden mit Zinseszins einfordern wird. Ein klassisches Thema, welches jedoch anders als bei Goethe oder in vielen Märchen und Legenden kein gutes Ende nehmen will und kann. Zu sehr hat sich Favorite in der Annahme seinen Gläubiger überlisten zu können auf schlimmste Weise an der Unschuld vergangen, als daß man es ihm verzeihen könnte, auch wenn man es vielleicht wollte. Eine universelle Parabel, die sich mit Leichtigkeit in reale Lebensbereiche transferieren läßt. Dem Interpretationswillen seien hier keine Grenzen gesetzt.

Der hinlängliche bekannte Plot des Filmes ist aber mit Sicherheit nicht der eigentliche Star, diese Rolle beanspruchen Narration und Visualisierung, denen Mickey Rourke mit seiner unglaublichen Leinwandpräsenz und seinem intensiven, immer glaubwürdigem, Spiel das Sahnehäubchen aufzusetzen, vermag. Oftmals wurde ihm hier vorgeworfen die Geschichte aufgrund eben dieser Präsenz zu unterdrücken, doch darf nicht außer Betracht gelassen werden, daß er die einzige Hauptperson des Filmes ist. Daß es einzig und allein um ihn geht, was natürlich dank Parkers ausgeklügelter Erzählweise erst im Finale des Filmes ersichtlich oder besser gesagt dem Zuschauer bestätigt wird. Parker geizt von Anfang an nicht mit gut versteckten Hinweisen und Symbolen, die mit Angels Vorankommen allmählich deutlicher werden und mit Kenntnis des Plots schließlich ihren ganzen Charme preisgeben. Bei jeder weiteren Sichtung des Filmes sogar an Offensichtlichkeit gewinnen, Angel Heart lädt geradezu zu einer Zweitsichtung ein. Da läßt Parker Angel schon anfangs in Umgebungen herumwandern, in denen er fremd ist. Ob es die Methodistenkirche in Harlem ist, in der er das erste Treffen Angels und Cyphres verlegt, Angel in einem Fall ermitteln läßt, der überhaupt nicht seinem Profil als kleiner Schnüffler entspricht oder ihn später in New Orleans in der Straßenbahn auf einen Platz setzt, der nur für coloured people vorgesehen ist. Am Strand von Coney Island, dort wo Angel zum ersten Mal mit dem Namen Margaret Krusemark konfrontiert wird, ziehen bedrohlich dunkle Wolken am Himmel auf. Auch kann man Angels brüchige Absteige, in der es nur so von der Decke tropft, obwohl Angel von Cyphre ein gönnerisches Spesenbudget zugestanden wurde, wohl aus diesem Blickwinkel betrachten und nicht nur dem kreativen Setdesign anrechnen. Parkers Bildsprache darf man durchaus als brillant bezeichnen und so ist sie auch für einen nicht unbeträchtlichen Teil der unheilvollen Atmosphäre des Filmes verantwortlich, die sich bis zum Ende hin stets zu steigern weiß und in Angels Visionen immer wieder ihre Höhepunkte findet. Angels Beischlaf mit Epiphany Proudfoot sei hier im Besonderen erwähnt, erreicht diese Szene doch schon fast prophetische Ausmaße in ihrer Wirkung auf den Zuschauer. An dieser Stelle muß Lisa Bonet, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gerade einmal achtzehn Jahre alt war und mit der Rolle der jungen Voodoopriesterin geradezu das Ende ihrer Karriere in Bill Cosbys Familienserie aufs Spiel setzte, einfach nur Respekt gezollt werden. Mit welch einer Gelassenheit und ausdrucksvollen Unschuld sie ihre Rolle auszufüllen vermag, obwohl sie wohl kaum Erfahrung auf solch schwierigem schauspielerischen Terrain gehabt haben dürfte, ist mehr als beachtlich. Ob Angel Heart jedoch generell eine Auseinandersetzung mit dem Glauben, dem Okkulten darstellt, möchte ich zumindest anzweifeln. Ich sehe da mehr einen gekonnt erzählten Genremix, der sich eines übersinnlich magischen Umfeldes bedient, als einen religiösen Diskurs. Was hinsichtlich des mir bekannten übrigen Werkes Parkers schlüssig erscheint. Parker ist nicht gerade der Auteur, der mit doppelten Böden arbeitet, sondern eher der plakative Handwerker, der es glänzend versteht Emotionen zu provozieren. Man denke nur an seinen nur ein Jahr später erschienenen Mississippi Burning oder älteren Midnight Express. Parker spielt hier zwar natürlich mit religiösen Symbolen, sogar immer wieder in geradezu augenzwinkender Art und Weise - ein unvergeßliches Bild, die beiden gefallenen Engel Angel und Cyphre in der Kirche, im Hintergrund, die vom flackernden Kerzenlicht erleuchtete Madonna. „Are you an atheist?“, fragt Cyphre, und Angel antwortet:“Yeah, i'm from Brooklyn.“, - doch für mehr als eine die Lesart des Filmes öffnende Inszenierung können die Konnotationen letztendlich nicht herhalten. Sie bleiben immer nur Teil des Geschehens, Puzzlestücke des großen Rätsels um Johnny Favorite und seines Schicksals.

Formal glänzt Angel Heart mit einem fantastisch detailliertem Production Design, das auf der einen Seite mit aufwendig hergestellten Straßenbildern, bevölkerten Kneipenszenen und Schauplätzen im für New Orleans typisch französischen Kolonialstil auftrumpfen kann. Andererseits aber auch mit Akzenten der 80er Jahre nicht spart. Am ehesten wohl an Harry Angel zu erkennen, wie er da mit legere weitem Anzug auch ganz passabel in eine Miami Vice Episode auftreten könnte. Und Epiphany Proudfoot dürfte ebenfalls in jedem Modeführer dieser Zeit eine gute Figur abgegeben haben. Ebenfalls ausgesprochen zu gefallen weiß Michael Seresins Kamera, die der an und für sich einfachen Geschichte nicht selten ein poetisch künstlerisches Antlitz verschafft und sie so doch erheblich aus dem großen Ozean des Genrefilms herausstechen läßt. Keinesfalls jedoch aufgesetzt oder anmaßend wirkt. Ebenso behutsam kommt Trevor Jones Score daher, nie das Feld für sich vereinnahmend und mit seinen Blues, Dixie und Jazzelementen die Stimmung und das Sujet des Filmes auf den Punkt bringend. Insgesamt ist Angel Heart ein faszinierender Film, filmkünstlerisch nicht unambitioniert auf den Pfaden des Film Noirs wandelnd und doch auch mit seinem Mystery Plotwist am Ende vielleicht mehr als in Anlehnung der schon in den 50er Jahren so erfolgreichen und in den 80ern wieder aufgelegten Twilight Zone zu sehen. In jedem Fall aber eine unvergeßlich teuflische Begegnung mit einem ausgezeichneten Mickey Rourke und Robert de Niro, die bis in die kleinste Nebenrolle bestens besetzt scheint. Die den Zuschauer lange im Ungewissen hält und doch mit Hinweisen nur so um sich wirft. Die obendrein noch sehr stilvoll geraten ist und mit ihren Schockmomenten dosiert und effektiv umzugehen weiß. Ein Film aus einem Guss, wie man gerne sagt.

9/10 Punkte

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Bei der Erstsichung vor vielen, vielen Jahren Hals über Kopf verliebt. Intelligentes Gruselkino vom Feinsten!

Timo K. hat gesagt…

Warte schon seit Ewigkeiten, dass die Arthaus Premium mal im Preis sinkt. Die war ja mal für Amazon für kurze Zeit bei 12,97 EUR datiert, aber da hab ich absurderweise nicht zugegriffen. :(

tumulder hat gesagt…

@moviescape
Kann ich voll verstehen.:D

@fincher
Du meinst doch bestimmt die Kinowelt Premium Edition, oder? Ich weiß jetzt nicht inwieweit die Goodies den hohen Preis rechtfertigen, aber an der eher matschigen Bildqualität dürfte sich nichts ändern. Falls Du einen DVD Player mit Upscaling einsetzt, geht die aber auch noch in Ordnung. Da kann noch etwas rausgeholt werden.

Timo K. hat gesagt…

Ja, ich meinte die von dir genannte Edition. Bring die Kinowelt Premium Editionen und die Arthaus Premium Editionen (auch von Kinowelt) immer durcheinander, obwohl das so oder so aufs selbe hinausläuft. :D

Doc Savage hat gesagt…

Der Film ist irgendwie bisher immer an mir vorbei gegangen... sollte ich unbedingt nachholen!!

Anonym hat gesagt…

Word.!

Anonym hat gesagt…

Oh Mann, den habe ich ja schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Gehört allerdings auch zu den wenigen Filmen, die man einmal sieht und die einem auf ewig im Gedächtnis bleiben.

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