Texas Chainsaw Massacre

Er ist der Inbegriff des modernen amerikanischen Horrorfilms, kaum ein Genrebeitrag der letzten 35 Jahre, der sich nicht auf Tobe Hoopers ersten abendfüllenden Film bezieht. Egal ob der Mörder eine Maske trägt, der Autofahrer an einer verlassenen Tankstelle nach dem Weg fragt oder ob es Teenager sind, die in ihre körperlichen Einzelteile zerlegt werden. Er ist die Blaupause des Teenslashers und auch der in den letzten Jahren in Mode gekommenen Folter Pornos. Allein die Nennung seines Namens läßt die Haare von Jugendschützern und Moralaposteln zu Berge stehen. Sein Ruf ist schlimmer als der jeden anderen Films der Kinogeschichte, zumindest bei all denen, die ihn nur von Hörensagen kennen. Selbst die Aufnahme ins Archiv des Museum of Modern Art hat daran nichts geändert. Eigentlich zweifelsohne ein Hinweis darauf, daß der Film schon etwas mit Kunst zu tun haben könnte, daß sich Kunst und Exploitation nicht gegenseitig ausschließen. Dabei bin ich mir gar nicht mal so sicher, ob es sich bei Texas Chainsaw Massacre um Exploitation handelt, weder ist Hoopers Film besonders blutrünstig noch geschehen die Morde selbstzweckhaft oder sind sie besonders detailliert inszeniert. Es ist vielmehr die ausweglose Situation, die Sinnlosigkeit der Morde, der Wahnsinn, das nicht Nachvollziehbare, das hier für den Terror und damit für den Horror sorgt. Der ganze Film, die Geschichte, von der er erzählt, ist die Sensation an sich. Und natürlich die Art und Weise wie Hooper das dünne Drehbuch auf die Leinwand bringt. So radikal wurde zuvor noch nie mit den Konventionen eines Genres gebrochen, so dumpf schlug zuvor noch nie ein Mörder im Kino zu. An die Namen der Opfer wird man sich kaum erinnern können, die Täter haben erst gar keine richtigen. Leatherface erscheint in der Tür, der schwere Hammer fährt auf den Kopf seines Opfers nieder, das sofort zusammenbricht und noch ein wenig zappelt. Aber das sind nur die Nerven des Toten, wie man es von Haustierschlachtungen kennt. Dann zieht Leatherface sein Opfer in den Raum, von dem wir nur einen Ausschnitt in Form einer roten Wand sehen, die mit unzähligen Totenschädel verschiedenster Tiere geziert ist. Tür zu. Die Szene des ersten Mordes dauert knappe zwanzig Sekunden, kein Blut, aus der Distanz gefilmt, nur das Grunzen und Quieken eines Schweines ist zu hören und natürlich der dumpfe Aufprall des Hammers auf den Schädel Kirks. Es ist diese Selbstverständlichkeit mit der Leatherface und die anderen Familienmitglieder töten, die einem dem Atem verschlägt, die auf den Zuschauer genauso unvorhergesehen eintrifft wie wahrscheinlich auf das Schlachtvieh im längst geschlossenen Schlachthof, von dem der durchgeknallte Anhalter den jungen Menschen zuvor im Auto erzählte. Kein Todeskampf, kein Fluchtversuch, nur eine sehr kurze Sequenz der Suspension zuvor, als Kirk vorsichtig den dunklen Flur des Hauses betritt und nach den Bewohnern ruft. Das ist exakt der gleiche Horror, den auch schon Hitchcock vierzehn Jahre zuvor mit Psycho ins Kino einführte, und Kirks Todesszene ist dann auch nur die schmutzige Version Norman Bates Mordes an Milton Abogarst. Insgesamt hat Texas Chainsaw Massacre mehr Verbindungen zu Hitchcocks Film und Blochs Roman, der vom wahren Fall des Ed Gein inspiriert wurde, als zu seinen direkten und indirekten Nachkommen. Hooper befreit das Thema des pathologischen Serienmörders von jeglicher ästhetischer Ausschmückung, sowohl dramaturgisch als auch inszenatorisch. An seinem Film gibt es nichts Schönes, nichts was man außerhalb der emotionalen Herausforderung des Terrors als angenehm empfinden würde. Weder die mit Symbolen des Todes und der Degeneration gefüllte Exposition hält solche Elemente bereit, noch das Ende. Auch wenn Sally überlebt, Leatherface Totentanz im Licht der aufgehenden texanischen Sonne läßt nicht aufatmen, der Wahnsinn geht auch nach dem Abspann weiter. Der Score des Filmes besteht dann auch nur aus Arrangements unangenehmster Töne, die die so schon beklemmende Atmosphäre noch einmal zu steigern wissen und in der letzten halben Stunde durch das Schreien Sallys und dem unerbittlichen Aufheulen der Kettensäge abgelöst werden. Das ist Terror pur, hier ist der Film selbst so gnadenlos mit dem Zuschauer wie sein Mörder mit den Opfern. Mag sein, daß ihn manche Zeitgenossen heutzutage ein wenig angestaubt empfinden, das kann aber auch damit zusammenhängen, da sie einen ganz anderen Film zu sehen bekommen, als sie erwarteten. Denn eines ist sicher, Tobe Hoopers Film ist bis heute einzigartig.


9/10 Punkte

11 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da hat sich aber jemand seine Begeisterung von der Seele geschrieben.^^
Im Ernst, sehr schöne Kritik, wobei "schön" wohl das falsche Wort ist. Jedenfalls hat sie bei mir nun ein massives Interesse an dem Film ausgelöst, kenne ihn nämlich noch nicht. Danke dafür.

tumulder hat gesagt…

Unbedingt darauf achten, daß es sich dann um die ungeschnittene Version handelt. Die enthält gerade in der letzten halben Stunde doch so einiges an verstörender .ähm. Verbalgewalt? Kann man das so schreiben?^^

Flo Lieb hat gesagt…

Wird dich natürlich nicht überraschen, dass ich den Film nicht so gut fand wie du es tust.

Rajko Burchardt hat gesagt…

Der Einleitung würde ich - "filmgeschichtlich" - nicht zustimmen, ist aber auch egal, der Rest passt. Großartiger Film, dessen Ungeschliffenheit und Stilwillen mich immer wieder wegblasen. Ein Schlüsselfilm.

Mag das Sequel trotzdem noch ein Stück mehr.

tumulder hat gesagt…

Mag das Sequel trotzdem noch ein Stück mehr.

Das ist nur verständlich, denn den hier kann man eigentlich nicht mögen. Jedenfalls nicht in der gleichen Art wie man sonst Filme mögen kann.^^

Anonym hat gesagt…

ich sach dazu besser nix:-)
Obwohl...wie sagt Hr. Burchardt immer so schön: dat Ding is dated

tumulder hat gesagt…

dat Ding is dated

Du hast doch keine Ahnung.*lachendmitderkettensägedeinenkommentarzersägend*:D

Anonym hat gesagt…

Bei den Benzinpreisen heutzutage ist das mit der Kettensäge völlig unrealistisch:-)

tumulder hat gesagt…

*gg*

Rajko Burchardt hat gesagt…

Dated trifft es doch schon deshalb nicht, weil der zeitliche Bezugsrahmen bei TCM sich allerhöchstens in den Frisuren und Schlaghosen der Reisegruppe widerspiegelt, ansonsten ist das ganze Set-Up, ebenso wie das Sujet absolut undated.

Klar ist das ein "typischer" 70's-Terrorfilm, aber wäre das, was er verhandelt, so dated, dann würden nicht 90% der aktuellen Horrorfilme, die da so jede Woche die Videotheken fluten, wie Geistesverwandte des Films wirken. Ich sage nur Torture Porn...

Anonym hat gesagt…

jajaja
Das war auch nicht ganz ernst gemeint. Problem ist doch dass Hooper mehr wollte als den üblichen Splatterfilm abliefern, dabei aber auf halber Strecke stehenblieb. Der Doku Stil mag damals stilbildend und aussergewöhnlich gewesen sein, heute langweilt es nur noch, da jede Dynamik flöten geht.
Das wirkt nicht mal, wie bspw. "I spit on your grave" nicht unfreiwillig komisch, sondern nur langweilig.

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