If it didn't happen on camera, it's like it didn't happen, right? Eine Gruppe Filmstudenten dreht in einem Wald die Abschlußarbeit ihres Kommilitonen Jason Creed, und während sich Jason noch über das amateurhafte Kostüm der Mumie aufregt, kündet das Radio über das Ende der Welt. Die Toten erheben sich mal wieder von den Bahren und beißen den Lebenden in den Hals. Da Jason eigentlich eh Dokumentarfilmer werden möchte, dokumentiert er jetzt halt die Apokalypse mit seiner HD Kamera und eigentlich heißt Diary of the Dead dann auch Death of the Death. Es ist das Videomaterial Jasons und seiner Freunde, das auf der Flucht im Wohnmobil durch Pennsylvania entstanden ist. Letztendlich geschnitten und mit Musik zum dramaturgischen Ausbau unterlegt von seiner Freundin Debrah. Ja natürlich, da ist eine Verwandtschaft Romeros Filmes zu The Blair Witch Projekt offensichtlich, und Romero selbst sprach im Vorfeld des Filmes auch von seiner Idee zu einem neuen Zombiefilm, der so ähnlich wie das Blair Witch Projekt sein solle. Er betonte den experimentellen Charakter seines Projektes, das er vielleicht zur Serie ausbauen möchte. Digital Video bietet ihm die Möglichkeit kostengünstig zu produzieren, er als Geschichtenerzähler sei nun mal weniger an der Form interessiert, sondern mehr an der Aussicht, die Geschichten zu realisieren. Mit diesem Wissen im Hinterkopf läßt es sich dann auch schließlich leichter mit Romeros Diary of the Dead umgehen, denn erstens darf ein Experiment auch mal nicht gelingen und zweitens darf man davon ausgehen, daß es Romero wohl doch um das Sammeln von Erfahrungen mit dem neuem Medium ging.
Die Apokalypse ist auch hier nur Aufhänger für aktuelle gesellschaftliche Veränderungen, die von Romero auf unverkennliche Art und Weise kommentiert werden wollen. Romeros Film handelt vom Bedürfnis nach dokumentarischer Authentizität, von den Veränderungen in der Wahrnehmung von Ereignissen, die das Medienzeitalter, in dem wir uns gerade befinden, mit sich bringt, von den Grabenkämpfen, die zwischen den klassischen Medien und der Internetgemeinde in der Bloggosspähre und natürlich auf den Videoportalen um Wahrheit und Aktualität ausgefochten werden. Während das Fernsehen noch Regierungserklärungen sendet, die von einer Eindämmung der Gefahrensituation künden, kommen per Internetstream Videonachrichten vom anderen Ende der Welt, die genau das Gegenteil behaupten auf Tracys Handy. Und Tracys Handy kann sogar selbst dank eingebauter Kamera Nachrichten produzieren. Es ist offensichtlich, Romero scheint von den neuen Möglichkeiten der Nachrichtenverbreitung, die das digitale Zeitalter jedem Menschen, der eine Kamera und einen Zugang zum WWW besitzt zur Verfügung stellt, begeistert zu sein. Und auch wenn Romero die Gefahr der Manipulation im letzen Drittel seines Filmes andeutet - Jason läßt seine Freunde noch einmal das Haus betreten, da er es zuvor nicht ordentlich mitgefilmt hat -, für ihn steht die Entmachtung des Informationsmonopols der professionellen Medien im Vordergrund. So ist Diary of the Dead dann doch politischer geworden, als es Romero angekündigt hatte. Aber Romero interessiert sich auch für ein anderes Phänomen des Medienzeitalters. Nicht nur der Drang Ereignisse möglichst authentisch und detailliert zu filmen, sondern auch die Bereitschaft der Menschen sich selbst in intimen Situationen filmen zu lassen, die Romero zum Ende hin schon als eine Selbstverständlichkeit inszeniert. Die Kamera ist immer dabei, dokumentiert das Beziehungsgespräch, den Moment der Trauer und selbst den eigenen Tod. Dokusoap extrem, gerade im Hinblick auf die Entwicklung des täglichen TV Programms eine überspitzte aber treffende Feststellung. Ob inszeniert oder nicht, das spielt keine große Rolle, denn was gefilmt wird, ist irgendwie geschehen. So der Umkehrschluß, der sich aus dem einleitenden Filmzitat schließen läßt.
Viel Stoff, und jeder einzige Teilaspekt hätte eine besondere Aufmerksamkeit und filmische Ausarbeitung mehr als verdient. Doch das Konzept Romeros, das die Aussagen und Beobachtungen schon durch die Form des Filmes transportieren möchte, scheitert nicht nur an der inhaltlichen Überfrachtung, sondern vor allem an der eigenen Inkonsequenz. Da kann man den gewollten amateurhaften Look und die einfach schlechten darstellerischen Leistungen des Casts nachvollziehen, schließlich kann ja mittlerweile jeder einen Film drehen und ihn anschließend verbreiten. Irgendwie jedenfalls. Doch wird genau dieses Moment der Pseudodokumentation, das in The Blair Witch Projekt noch so prächtig funktionierte, durch die Stilmittel des klassischen Spielfilms konterkariert. Eher inszeniert als tatsächlich geschehen erscheinen die Szenen und Bilder seines Filmes. Romero muß die Rolle der Handkamera im aktuellen Kino verkennen. Ihren dokumentarischen Charakter hat sie schon längst durch den exzessiven Einsatz in Action Blockbustern, in denen sie vor allem zur Erzeugung von Dynamik und Nähe zum Geschehen eingesetzt wird, verloren. Anstatt der suggestiven Wirkung der nackten Filmaufnahmen Jasons und seiner Freunde zu vertrauen, unterlegt er sie immer wieder mit einem dramatisierenden Score, was allein gesehen nicht sonderlich desaströs ausgefallen wäre, hätte er nicht auch noch den mehr als kontraproduktiven Voiceover Kommentar Debrahs über das Geschehen gelegt. Der dem Zuschauer die Intention des Regisseurs nicht nur bis ins kleinste Detail vorzukauen, ihn auch noch überflüssiger Weise irgendwie zu bevormunden scheint. Als ob Romero seinem eigenen Braten nicht trauen würde. Das will einfach alles nicht so recht passen, auch weil die einstige unterschwellige Sozial-Satire seiner Filme in Diary of the Death mit fast schon bemitleidenswerter Holzhammermethode vorgetragen wird. Wo bleibt da der Spaß des stupid fucking mummy movie with a threat of underlying social satire?
4,5/10 Punkte
2 Kommentare:
Hach, jetzt rücken alle mit ihren Reviews zu dem raus... na ja, ich muss ihn noch mal gucken. Es ist kein guter Film, ja, aber ich fand damals trotzdem, dass es der ist, der seinen Stil im Gegensatz zu [REC] und Konsorten am cleversten nutzte. Kann ich aber nicht ausführen jetzt, kommt sicher noch.
Ich fand gerade das Gegenteil ist der Fall, da mir Romero zuviel zwischen Doku- und Spielfilmelementen herumeiert. Sicherlich hat der Film auch seine guten Szenen, die Dreharbeiten im Wald sind schon herrlich selbstreferenziell, aber dagegen steht z.B. auch der überflüssige Schluß. Rec ist jetzt nicht unbedingt inhaltlich der bessere Film, aber stringenter gehen die Spanier schon mit dem Format um. Ist zumindest meine Meinung, in Anbetracht des experimentellen Charakters halte ich Diary aber nicht unbedingt für einen Beinbruch.
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