Die Menschheit hat es in George Lucas Zukunft ziemlich hart getroffen, wurde ihr doch dort in dieser unterirdischen Stadt nicht nur die Individualität geraubt, sondern auch noch ihre Gefühlswelt. Sie ist nur noch Produktionsfaktor, der in diesem technokratischen, auf völlige Effizienz rationalisierten System - von einem Staat kann keine Rede mehr sein – lediglich konsumieren darf und dessen Gefühle mittels vom System verordneten Psychopharmaka ausgeblendet werden. Wer gegen die Einnahmepflicht der Pillen verstößt ist ein Verbrecher. Die Bilder des Filmes künden davon in großen und kleinen Details. Daß den Schauspielern von George Lucas noch Augenbraue, Brust- und Intimbehaarung gelassen wurden, kann nur auf eine Unaufmerksamkeit oder einem Kompromiß des Regisseurs mit dem Cast zurückzuführen sein. Einen Kompromiß, den er seinen Zuschauern nicht zugesteht. Zahlenreihen, das Rattern der Computerrelais und Plotter, verschwommene Bilder aus den Überwachungskameras, sich ständig wiederholende Phrasen von Tonbändern. Lucas verlangt dem Interessierten in der ersten Hälfte seiner ökonomischen Hölle eine Menge ab. Er läßt ihn ohne Gnade an der Monotonie seiner Welt teilhaben.
Das ändert sich jedoch als THX 1138 etwas neues an sich entdeckt. Seine Mitbewohnerin LUH 3417 ändert heimlich die Zusammenstellung der täglichen Medikamentation, was zur Folge hat, daß THX 1138 zum ersten mal in seinem Leben Gefühlen ausgesetzt ist, mit denen er letztendlich nicht zurechtkommt, da sie fremd für ihn sind. Er weiß nicht was mit ihm los ist, sucht Rat in einer der vielen Beratungsboxen, die ihm ähnlich einem Beichtstuhl in der Kirche vom System angeboten werden. Dabei ist er doch nur in LUH verliebt. Das System duldet solch starke Emotionen wie Liebe jedoch in keinem Fall, und so werden THX und LUH aufgrund der Drug Violation und des noch viel schwerwiegenderen Vergehen der Sexual Perversion angeklagt. Das System ist effizient, THX wird einer medizinischen Kognition unterzogen und in die Psychiatrie verlegt, um vielleicht später einmal wieder dem System zu dienen.
Das ist eine gar nicht mal so entlegene Welt, in die uns George Lucas anno 1970 in seinem Debutfilm THX 1138 schickte. Natürlich, Dystopien sind doch auch nur ein Konglomerat aus Gegenwartsproblemen und den sich daraus ergebenden Zukunftsängsten der Menschheit. Vielleicht kann man sich genau deshalb auch erst Jahre später erst wirklich frei mit ihnen beschäftigen. Zum Glück ist ja doch nicht alles ganz so arg gekommen, wie vom Erzähler prophezeit. Lucas thematisiert die Angst vor der ökonomischen Technisierung und den mit ihr einhergehenden Verlust der Identität des Einzelnen. Dabei geht er in seiner Zukunftsvision soweit, daß er den Film selbst äquivalent effizient zum System über das er erzählt gestaltet. Was sich nicht nur im äußerst reduziertem Setdesign, das selbst nur aus Betongängen, Computerbildschirmen und karg ausgestatteten Wohnzellen zu bestehen scheint, widerspiegelt - die Psychiatrie schildert er sogar als einen einzigen unendlich tiefen weißen Raum, in dem die Figuren irgendwann als Punkt am Horizont erscheinen oder verschwinden -, sondern auch in der simplen, doch ausreichenden Storyline, die auf ein DIN A4 Computerausdruck passen dürfte. Das ist natürlich der Duft New Hollywoods, mit seinem typischen künstlerisch intellektuellen Geist. Heute im völlig durchkatalogisierten Kino wohl auch Arthouse genannt. Da wirkt das Finale des Filmes mit seiner Verfolgungsjagd, die unweigerlich an Lucas noch folgende Blockbuster erinnert, schon fast wie ein Fremdkörper. Die im Directors Cut nachträglich eingefügten Computereffekte verstärken diesen Eindruck nicht unwesentlich.
7/10 Punkte
8 Kommentare:
Scheint ja ne ordentliche Bild-Qualität zu haben, die DVD.
Ja, digital remasterd von Lucas. Ist in jedem Fall schärfer als das Finale von den Klokriegern.;)
Hm... :)
@rajko
Ja, THX könnte man mit "Hm... :)" auch gut beschreiben.^^
Ich schätze ihn stärker ein als du. Nicht nur, dass er imho wegweisend ist für viele Nachfolgerdystopien, er eröffnet sozusagen eine "Neue" Hollywood-Ära und ist wichtiger Film der American Zoetrope, was nicht auf die Qualität des Films schließen muss.
Wenn man THX gesehen hat, wirkt Equilibrium, naja, ziemlich schwach.
@kaiser
Naja, das THX 1138 die New Hollywood Ära einleutete halte ich für vermessen. Zoetrope ist nur ein Teil von New Hollywood, auch wenn es in der Doku auf der Bonus DVD vielleicht ein wenig anders herüberkommt. Der Grundstein wurde doch schon viel früher gelegt. Ich könnte jetzt nicht sagen, daß es genau einen Film gibt, der die Veränderungen Hollywoods auslöste, auch nicht Easy Rider (der jedoch aufgrund seines Erfolges ein wichtiger Faktor für die Geldbeschaffung New Hollywoods sein dürfte). Was ist mit Midnight Cowboy, 2001, Once Upon ...(nicht nur fürs Genre wichtig), Rosemary's Baby etc.. Der Anfang New Hollywoods kann nicht an American Zoetrope festgemacht werden.
Das stimmt. Ich wollte auch eher sagen, dass er ein Teil dieser Ära ist, ein wichtiger, vor allem und unter anderem, für das Sci-Fi-Genre, für Filme mit Subtext. Und nicht, dass THX der Film ist, der alles einleitete. Das kam vllt. oder ganz sicher falsch rüber.
@kaiser
Ich hatte mich auch schon stark gewundert.^^
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