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Gamer

Die Sims sind vielleicht das erfolgreichste Stück Computerspielsoftware überhaupt. Seit der Markteinführung im Februar 2000 ging das Game samt Nachfolger und unzähliger Erweiterungen über 100.000.000 Mal über den Ladentisch. Ganz zu schweigen von den quantitativ kaum auszumachenden gecrackten Kopien, die der Erfahrung nach wahrscheinlich die Verbreitung des Spiels noch einmal mindestens verdoppeln dürften. Dabei geben die Sims noch nicht einmal ein spezifisches Spielziel vor, es gilt den selbst erstellten Sim bei Laune zu halten. Ein Dach über dem Kopf, Freunde, Party, Schlaf, schicke Möbel und natürlich einen Partner finden. Zwar kann der Spieler den Sim nicht direkt steuern, jedoch durch Veränderung der Umwelt beeinflussen. Die Freiheiten, die Maxis und EA Games ihm dabei mit auf den Weg geben sind phänomenal. Bis auf Nudity scheint bei den Sims alles erlaubt, sogar gleichgeschlechtliche Beziehungen und der Tod im Swimmingpool. Unzählige Videos auf Youtube zeugen von der sadistischen Ader, die das eigentlich gewaltfreie Game bei Spielern offensichtlich frei legt.

In Gamer hat Ken Castle dieses Spielprinzip revolutioniert und ein eigenes Unterhaltungsimperium aufgebaut. Der Spieler darf hier echte Menschen durch eine bunte Feel Good Welt steuern, die die Befehle direkt in ihre Hirnsynapsen gesendet bekommen. Bioelektronik sei dank. Anders als bei den Sims sind die Darsteller, laut Stellenbeschreibung Schauspieler, jedoch dem Willen des Gamers völlig ausgesetzt. Was das bedeuten kann, siehe Einleitung. Was soll's, ist ja nur ein Job. Nicht nur eine Nummer härter, sondern gleich die oberste Stufe menschlicher Verwerflichkeit stellt aber Castles neues Spiel Slayer dar. Hier werden freiwillige Todeskandidaten des Justizsystems in einen Multiplayer-Online-Shooter geworfen. Echte Waffen, echtes Blut, der Frag bedeutet realen Tod. 30 Runden Deathmatch als Avatar überleben, und es winkt die Freiheit.

Natürlich sollte man vom Duo Neveldine und Taylor keine tiefgründige oder überhaupt eine Unterhaltungsmedienkritik erwarten. Ihr selbst vergebener Auftrag lautet seit jeher die Experience der elektronischen Unterhaltung auf das Kino zu übertragen. Und mit keinen anderen ihrer beiden vorherigen Filme gelingt es ihnen so gut wie mit Gamer. Die Kamera ebenso wild und ungeordnet, wie die Ego-Perspektive ihres verhandelten Objekts auf einen passiven Zuschauer nur wirken kann, die Narration so abgehackt und der Storyline lediglich das erhebliche zufügend, wie in jenen der als Schmuddelunterhaltung kolportierten Millionenseller. Der Plot, selbst auf das nötigste begrenzt, als Zwischensequenz zu verstehen, die dem Spieler die Ladezeiten der nächsten Map verkürzt. Die Verhinderung der Weltherrschaft eines Superschurken. Zwar sind die Grundlagen der Handlug in oberflächlich betrachtet ähnlichen gelagerten Filmen wie Deathrace, Battle Royal und ganz besonders Running Man zu finden, doch spielt der in ihnen liegende sozial-apokalyptische Kern eher als Formfaktor eine Rolle, als grundsätzliches Anliegen zu sein. Wäre ja auch noch schöner, wenn ein Game die eigenen Mechanismen in Frage stellen würde. Gamer erzählt nicht über ein Game, Gamer ist das Game. Und das viel pointierter und auch geradliniger durchgezogen, als noch Crank oder Crank 2 es konnten.

Das wird nicht jedem gefallen, da Taylor und Neveldine sich nicht nur noch weiter vom klassischem Kino entfernen, als sie es schon mit ihren ersten Filmen taten. Sie wechseln auch das Genre. Lustiges Oneplayer Action Adventure ist etwas völlig anderes als düsterer und roher Online Shooter, der nur mit Schnittauflagen die Freigabe der USK erhält. Zudem spielen die beiden vermeintlichen Anarcho-Regisseure, die ja gar nicht so anarchistisch vorgehen wie man annehmen möchte, noch wunderbar mit den Klischees und Vorurteilen der Killerspielkritiker, wenn sie den Gamer des brutalen Ego-Shooters als fairen und aus guten Verhältnissen stammenden Saubermann darstellen, und den Spieler des so niedlichen und absolut gesellschaftlich akzeptieren Tamagotchi Derivats als sozialverkümmerten Fettwanst, der in Real Simcity seinen dunklen Allmachtsfantasien fröhnt. Das kann als kritischer Blickwinkel missverstanden werden, ist jedoch allenfalls eine Zusammenfassung einer Diskussion, in der selbst ernannten Experten, die zu wissen glauben der Mensch könnte nicht zwischen Pixel und realem Fleisch unterscheiden, mehr Redezeit geboten und Gehör verschafft wird, als der realen Wissen- und Gesellschaft, die die Thesen der Kritiker tagtäglich widerlegen. Neveldine und Taylor überschreiten zwar gerne Grenzen, aber nicht die Grenze zur Dummheit. Da würde man sie einfach unterschätzen.

7/10 Punkte