Posts mit dem Label kathryn bigelow werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label kathryn bigelow werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Tödliches Kommando - The Hurt Locker

Noch 39 Tage, dann geht es für die Soldaten des Munitionsräumdienstes der US Army, E.O.D. (Explosive Ordinance Disposal), zurück in die Heimat. 39 Tage können in Bagdad eine verdammt lange Zeit sein. Der Tod wartet an jeder Ecke, jeder Passant könnte sich als Terrorist entpuppen, der im entscheidenden Augenblick die getarnte Bombe zündet. So muß auch gleich zu Beginn Gruppenführer Sergeant Thompson durch Staff Sergeant James ersetzt werden. Der erweist sich als risikofreudiger Hund, der gerne sein Leben und das seiner Kameraden während der Ausübung seines Jobs unnötig auf's Spiel setzt. Das führt natürlich zu Spannungen innerhalb des Teams, zu dem in erster Linie noch der besonnene Sergeant Sanborn und der unerfahrene, psychisch angeschlagene Privat Eldrige gehört. Einen Kriegsfilm aus der Sicht des einfachen Soldaten möchte uns Kathryn Bigelow einschenken, rein von politischen Ansichten, rein von Anti- oder Prokriegsansichten. Nur das Leben einer Einheit, die sich tagtäglich in höchste Lebensgefahr begibt. Die Sucht nach dem Adrenalin-Kick erforschen, den die gefährlichen Missionen bei manchem Soldaten hervorruft. Auf der Texttafel zu Beginn des Filmes angekündigt. Krieg ist eine Droge.

Ich weiß gar nicht was schlimmer ist, die naiv vorgetragene Verherrlichung des Soldatentums im 80er Jahre Actionkino Ronald Reagans, das vor Pathos triefende Soldaten sind arme aber heldenhafte Schweine Kino der Herren Spielberg und Bruckheimer aus den 90ern, oder diese schmierenkomödiantische Version des Kriegsfilms, die uns Kathryn Bigelow hier unterjubelt. Natürlich, der Soldat im Irak übt nur seinen Job aus, gefährlich ist der, keine Frage, und Bomben gibt es auch in Bagdad und Umgebung genug zu entschärfen. Von denen, die nicht entschärft werden konnten hört man ja fast täglich in den Nachrichten. Natürlich ist es erlaubt jeden Passanten und Schaulustigen auf Bagdads Straßen von ihren Helden wider Willen argwöhnisch betrachten zu lassen, der Feind ist in diesem Krieg nicht an der Uniform zu erkennen, es gibt keine klaren Fronten. Möchte man es da den Soldaten verübeln, wenn sie dem Iraker grundsätzlich mißtrauisch gegenüber stehen? Heckenschützen, Selbstmordattentäter, explosive Müllhaufen. Alles Realität. Kathryn Bigelow kann diese vermalledeite Situation alles andere als unattraktiv in Szene setzen. Da wackelt die Handkamera was das Zeug hält, schicke und beeindruckende Explosionen, investigative Digital Zooms. Bigelow ist in erster Linie Action-Regisseurin, das merkt man, hier liegen ihre Qualitäten. In der Erzeugung von spannungsgeladenen Bildern. Auch wenn man das alles vielleicht so oder so ähnlich schon in anderen Filmen der letzten 20 Jahre gesehen haben wird. Unübersehbar, die Vermählung von Buddymovieaction- und Kriegsdrama, nicht daß dies etwas vollkommen Neues im Kino wäre. Was das alles jedoch mit der Suche nach der Droge Krieg zu tun hat, das bleibt über sehr weite Strecken fraglich.

Schwamm drüber. Das wirklich Fatale an Bigelows Film ist etwas völlig anderes. Es wäre halb so schlimm, wenn The Hurt Locker ein reiner Actionfilm geworden wäre. Warum nicht? Solange er als solcher zu erkennen wäre, kein Problem. Doch Bigelow und das Buch verbiegen sich förmlich, um aus dem Ganzen auch ein Drama werden zu lassen. Was mit Feingefühl und dem nötigen Durchblick zu einem Schlußplädoyer der Verteidung für den einzelnen Soldaten im Krieg hätte werden können und vielleicht auch werden sollte, artet leider in einen unerträglichen Freispruch der amerikanischen Streitkräfte generell aus. Kein einziger unschuldiger Zivilist, der durch Bigelows fiktive Befreiungsarmee ins Gras beißen muß. In angespannten Situationen wird von ihr lieber der Kamerad geopfert, als daß der Soldat auch nur einmal im Zweifel den Abzug betätigt. Gestorben wird hier nur auf Initiative des unbekannten Feindes, was der von Bigelow angestrebten Authentizität sicherlich mehr als entgegensteht. Und natürlich, wenn einer für das schlechte Verhältnis zwischen Amerikaner und irakischem Volk verantwortlich ist, dann die von Dick Cheney und Ronald Rumsfeld angeheuerten Söldner aus dem Hause Blackwater, deren Nennung selbstredend vermieden wird. Die dürfen als einzige in Bigelows abstruser Beugung der Wahrheit wehrlose Gefangene schlecht behandeln und im Zweifel auch über den Haufen schießen, wofür sie jedoch postwendend selbst mit dem Tod bestraft werden. Meine Kinder tun das nicht, das waren die Gören der Nachbarn, schreit es aus diesen Szenen. Selbstverteidung, das ist es was die US Army laut The Hurt Locker im Irak betreibt. Aber Selbstverteidigung war ja auch schon der Grund für Bushs Präventionskrieg.

Absolut lächerlich wird Bigelows Chose spätestens, wenn sie versucht ihren Helden in geradezu bemitleidenswerter Art und Weise Menschlichkeit einzuhauchen. Da dürfen sie ihren Adrenalinspiegel bei dämlichen Saufgelagen und Prügeleinlagen abbauen. Ihr Ego mittels privater Racheaktionen zurecht rücken. Aber hey, ist ja alles nur Spaß, genau wie der allzu naive Stabsarzt, der tatsächlich in der Tradition 50er Jahre Sci-Fi Propaganda Filmchen mit den Aliens spricht und selbstverständlich auf dem Fuß folgend von den Fremden über den Tigris geschickt wird. Zuvor durfte sich Staff Sergeant James von den perfiden Kriegsmethoden dieser Aliens überzeugen. Was für ein abgrundtief häßlicher Feind ist das wohl, der Bomben in Jungenleichen stopft? Man kann gar nicht soviel Popcorn fressen, wie man angesichts solch dümmlicher Propaganda kotzen müßte. Aber Hirn hat ja im amerikanischen Kino schon lange nichts mehr verloren, wer es mit in den Saal nimmt, ist halt selbst schuld. Den absoluten Höhepunkt bietet das Finale, in dem sich die grandiose Selbstüberschätzung Bigelows in einer ebenso grandios angelegten Aneinanderreihung von Anmaßungen selbst entlarvt. Man darf sich getrost fragen, welche Drogen bei der Erstellung dieses Scripts und seiner Verwirklichung im Spiel waren. Ich tippe auf Klebstoffschnüffelei.

3/10 Punkte

Demnächst