Labore des Schreckens

La|bor [österr.: la...; Kurzform von Laboratorium] das; -s, -s (auch: -e): Arbeits- u. Forschungsstätte für biologische, physikalische, chemische od. technische Versuche vom lateinischen laborare = arbeiten, leiden

Ich habe lange über die Einleitung zu diesem Post gebrütet, zu lang, zu ausufernd waren meine Denkansätze. Zu wenig Zeit um sie letztendlich richtig aus zu formulieren. Da lese ich heute Morgen in der Zeitung eine Meldung, die nicht besser als Einleitung zum Thema passen dürfte.

Das britische Parlament traf gestern eine Entscheidung, die wohl wie keine andere in diesem Jahrtausend moralische Fragen aufwirft, die Angst vor der modernen Medizin schüren und die auch die von der Aufklärung begonnene Diskussion, in wie weit der Mensch mit Gott als Schöpfer unserer Welt konkurrieren darf, neu anheizen wird. Von nun an wird es in Großbritannien erlaubt sein menschliches Erbgut mit dem eines Tieres zu verbinden. Im konkreten Fall wurde menschliches Erbgut in die ausgehöhlte Eizelle einer Kuh eingesetzt. Aus reiner Not der Forschung, der einfach zu wenige menschliche Eizellen zur Verfügung stehen. Stellt schon diese Entscheidung die Gesellschaft vor nur sehr schwer zu beantwortende moralische und ethische Fragen, ist es in Großbritannien ab sofort auch erlaubt Kinder künstlich zu zeugen mit dem Hauptziel älteren Geschwistern das Leben zu retten. Anscheinend schon wissenschaftliche Realität.

Ein Grund um einmal einen Blick auf 4 Labore des Schreckens zu werfen, stellvertretend für den Argwohn und der Angst unserer Gesellschaft gegenüber der Wissenschaft. Aber auch als ein Beispiel für das visionäre, philosophische und moralische Streben im fantastischen Kino.

Frankenstein
Er ist der berühmteste Wissenschaftler der Literatur und des Kinos. Sein Monster das meist adaptierte. Sucht man in der IMDB nach Filmtiteln, die den Namen Frankenstein beinhalten bekommt man 178 Treffer gelistet. Das schafft noch nicht einmal Godzilla. Zwar verfilmten die Edison Studios 1910 zum ersten Mal Auszüge aus Mary Shelleys Roman, doch gilt eigentlich James Whales Film von 1931 als erste erfolgreiche Umsetzung des Stoffes. Der Film wurde sehr frei umgesetzt und läßt wichtige Fragen der Vorlage aus. Er verkürzt die Handlung auf die Aussage, daß der Mensch nicht Gott spielen sollte indem er künstliches Leben erschafft. Frankensteins Geschöpf wird aus Leichenteilen vom örtlichen Friedhof zusammengesetzt, das Hirn stammt von einem Mörder. Selbstverständlich kann dies nicht gut gehen und so beginnt auch das Monster zu morden. In der Uraufführung wurde übrigens die wichtige Szene in der klar wird, daß das Geschöpf aus Naivität zu töten beginnt nicht gezeigt. Erst später wurde diese Szene wieder hinzu gefügt und somit das künstliche Geschöpf zum eigentlichen Opfer der Geschichte. Dr. Frankenstein, der Wissenschaftler, der alle moralischen Fragen außen vor läßt nur um sein Ziel der Erschaffung des perfekten Menschen zu erreichen ist das wahre Monster. Er wird dafür bezahlen.

Die Fliege
Basierend auf eine Kurzgeschichte die 1957 im Playboy erschien drehte Kurt Neumann 1958 seinen größten Erfolg. Er verstarb kurz vor der Premiere des Films. Eigentlich als Edeltrash verschrien ist seine Mischung aus Drama, Science-Fiction und Tierhorror doch auch Ausdruck der damaligen Technikfeindlichkeit in der Gesellschaft. Die 50er Jahre waren sicherlich für die Menschheit in der westlichen Welt ein einziges Wunder der Technik und Wissenschaft. Das Automobil, der Fernseher, elektrische Küchengeräte und Atomstrom zogen in das bürgerliche Leben ein. Düsenflugzeuge sorgten für schnelle Reiseverbindungen weltweit, Sputnik 1 läutete die Ära der Weltraumfahrt ein, 1953 entdeckten Watson und Crick das menschliche Genom, die abstrakten Theorien Albert Einsteins schienen Wirklichkeit zu werden. Andererseits zeigte der Abwurf der Atombombe 1945 über Hiroshima, daß die neugewonnen technischen Errungenschaften auch menschliches Verderben mit sich bringen werden. Es herrschte nicht mehr die Angst vor einem Krieg allein, es herrschte die Angst vor der Bombe, der Technik, die da hinter stand. Die von Wissenschaftlern erforscht wurde, die sich oberflächlich betrachtet keine Gedanken über die Auswirkungen ihrer Entwicklungen zu machen schienen. All dies kann man in Neumanns Film entdecken. Dr. Delambre scheitert bei seinem Versuch das Reisen zu revolutionieren. Das Experiment mißlingt zweimal. Zum ersten Mal als er den Kater für sein Experiment mißbraucht und er nie wieder auftaucht. Nur noch das Miauen ist aus den Apparaturen zu vernehmen. Und auch sein Selbstversuch endet in einem Fiasko. Zerstört er doch die heile Welt seiner Familie, ist an ein weiteres Zusammenleben selbst in dieser kleinsten Einheit der Gesellschaft nicht mehr zu denken. Die Folgen seiner Forschungen sind zerstörerisch. Genauso wie die Entdeckung des Atoms das Monster der Bombe schuf, auch wenn dies nicht im Sinne der Forschung war, schuf seine Entdeckung das Monster Menschenfliege. Eine Warnung an die Wissenschaft auch die Konsequenzen ihrer Entdeckungen zu überdenken.

Day of The Dead
George A. Romeros kammerspielartige Fortsetzung seiner äußerst erfolgreichen Filme Night of the Living Dead und Dawn of the Dead ist etwas Besonderes in diesem Rückblick. Erschafft die Wissenschaft hier nicht das Monster, das Verderben für die Menschheit, kann sie es einfach nicht verhindern. Eine kleine Gruppe bestehend aus Militärs, Technikern und Wissenschaftlern lebt zurückgezogen in einem unterirdischen Bunker. Die Wissenschaftler sollen nach einer Lösung für das Problem der Untoten suchen, während man weiter nach Überlebenden sucht. Sehr subtil thematisiert Romero den wahren Schrecken der 80er Jahre. Während die Medizin immer wieder Erfolge in der Bekämpfung von Krankheiten zu vermelden hat, stößt sie doch Anfang der 80er Jahre auf eine scheinbar schier unlösbare Aufgabe. Aids oder besser gesagt das HI-Virus soll die Geißel des ausgehenden Jahrhunderts werden. Dr. Logan, der unglaubliche und für den Laien sinnlose Experimente mit den Untoten in seinem Labor durchführt ohne den wahren Auslöser der Zombie Epedemie auch nur ansatzweise näher zu kommen symbolisiert so die Machtlosigkeit der Wissenschaft gegenüber dem Virus. Wenn er es schafft, daß Bub, der von ihm trainierte Zombie, nicht über ihn herfällt, ein Telefon benutzt oder in den Seiten eines Buches blättert, erreicht er genau dasselbe was die medizinische Forschung in Hinblick auf Aids bis heute erreicht hat. Der Tod kann herausgezögert werden, doch besiegt ist die Krankheit nicht. Kein Impfstoff in Aussicht. Und so kann das Verhalten Captain Rhodes, das gerne auch als Kritik an den Absolutismus des Militärs betrachtet wird, als Unmut und Ausdruck unserer Enttäuschung gegenüber der Wissenschaft im Kampf gegen diese Krankheit gesehen werden wenn er sagt:"Was zum Henker ist mit Euch los Leute. Sie sind tot. Sie sind tot. Sie sind verdammt noch mal tot und Ihr wollt ihnen Tricks beibringen?"

Alien Resurrection
Jeunet war nicht der erste, der innerhalb der Alienreihe das Wirtschaftsunternehmen, vornehmlich in den vorherigen Filmen als die Gesellschaft bezeichnet, oder auch im übertragenen Sinne den Kapitalismus als unmoralisches, geldgieriges Monster ins Spiel brachte. Doch er ist es, der in seiner Alienversion die Wissenschaftler mit ins Boot holt. Skrupellos klonen sie das Erbgut der infizierten Ellen Ripley bis sie ihr endlich per Kaiserschnitt das Alien klinisch einwandfrei entnehmen können. Birgt das junge Monstrum doch so viele Chancen für den Rüstungsmarkt. Die eindringlichste Szene spielt sich dann auch nicht während eines Kampfes mit den ausgebrochenen Xenomorphen ab, sondern auf der Flucht durch das Raumschiff. Ripleys Klon trifft auf ihre demfomierten vorherigen Klonversuche. In einem Raum bewahren die Wissenschaftler die Resultate ihrer gescheiterten Experimente auf. Zwischen den Behältern mit präparierten stark entstellten nicht lebensfähigen Klonleichen liegt ein weiterer Ripley Klon im Krankenbett und bittet um schnellst mögliche Erlösung von seinem Leid. So kommt man nicht umhin Jeunets Alien Film im Kontext des Genforschungsjahrzehnts sehen. Erste genmanipulierte Lebensmittel eroberten den Markt und aufgrund der noch nicht abzusehenden Folgen wurde der Import nach Europa verboten oder stark eingeschränkt. Die möglichen Gefahren der Gentechnik waren in aller Munde und Medien. Ein Jahr vor der Premiere des Films war es dann auch Klonschaf Dolly, das als erstes aus Zellkernen künstlich geschaffenes Wesen das Licht unserer Erde erblickte.

4 Kommentare:

Flo Lieb hat gesagt…

Hier fehlt mir persönlich THE PRESTIGE. Aber ist schon spät,den Beitrag les ich morgen.

P.S.: Geld schießt keine Tore! In your face, Roman!

P.P.S.: Bin glücklicherweise zufällig auf "Mosquito Coast" in der TV-Zeitung gestoßen, den wollte ich schon ewig sehen, nur gibt es ihn in Deutschland nicht auf DVD. Weder du, noch Vega haben auf diesen Film hingewiesen - I'm very disappointed... :P

tumulder hat gesagt…

The Prestige spricht aber weniger die Angst vor der Wissenschaft an, als das Verhältnis zwischen Illusion und Faktum.

P.S.: Geld schießt keine Tore! In your face, Roman

Da hast Du Recht, der Ronaldo hat seinen Elfer verschossen;)

Mosquito Coast habe ich nicht gesehen, da kann ich dann wirklich nichts zu schreiben. Aber die neuen Tipps sind schon fast fertig:D

Flo Lieb hat gesagt…

Nach Lesen des Beitrages gehört PRESTIGE wohl doch nicht unbedingt dazu. Allerdings haben die Laborszenen in jenem auch ihren gewissen Charme. Oder die Laborszenen aus FOUNTAIN ;)

tumulder hat gesagt…

Definitiv!

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