Spider-Man, das ist der Superman des anderen Comicverlags. Ebenfalls Waisenkind, blau-rotes Superheldenkostüm, bei der Zeitung beschäftigt und mit den Frauen läuft es auch nicht so richtig. Louis Lane oder Mary Jane, Peter Parker oder Clark Kent, egal. Nein, nicht wirklich. Peter Parker wirkt trotz seiner auch schon 48 Jahre, die er mittlerweile bei Marvel erscheint, immer noch eine ganze Ecke jünger, frecher und moderner als der stramm auf die 80 zugehende Kryptonier. Das gilt auch für die noch nicht allzu alten Hollywoodausgaben dieses Jahrzehnts auf der großen Leinwand. Während Bryan Singer Clark Kent in Superman Returns äußerst konventionell auf die Erde zurückkehren ließ, was die Kinogänger mit eher mäßigen Zahlen an den Boxoffices quittierten, scheint der Erfolg Sam Raimis Spider-Man Version ungebrochen. Das mag vielleicht daran liegen, da Peter Parker auch im Kostüm nie echter Superheld ist, sondern ein augenscheinlicher Normalo, der sich unter größtem Einsatz seiner spärlichen Spinnenkräfte weniger den Gefahren der Verbrecherjagd stellt, als den Gefahren der moralischen Versuchung. Dadurch bietet er mehr Identifikationspunkte, als die üblichen Milliardäre mit all ihrem Technoschnickschnack im Dienste der örtlichen Polizei oder die guten Mutanten im Kampf gegen die bösen Mutanten. Peter Parker ist unter all den Comic- und Leinwandsuperhelden der offensichtlichste 16 jährige pubertierende Junge von nebenan, der nachts im Schutz der Maskierung seinen Peinigern vom Tage zeigt wo der Hammer hängt und dabei Gefahr läuft, sich selbst Schuld aufzuerlegen. Sam Raimi wußte diesen inhaltlichen Kern der Comics schon in seinem ersten Spinnenfilm überaus offensiv an die Oberfläche seiner Erzählung zu spülen. Das wirkte in Anbetracht der vorherigen Comic-Blockbuster erfrischend und altmodisch zugleich. Enttäuschte die, die sich auf ein pures Effektspektakel eingestellt hatten und ließ die, die noch kurz zuvor Raimi aufgrund seiner mythologischen TV-Serien – inhaltlich freilich nicht so weit entfernt vom $ 140 Mio Blockbuster - belächelten, in den höchsten Tönen von einer überraschend tiefgründigen Wiederkehr der Werte ins Effektkino schreiben und sprechen.
Im dritten Teil der Franchise legt Raimi noch einmal eine Schüppe moralischer Konflikte drauf. Läßt Peter Parker alias Spidey wie gewohnt nicht nur gegen sich selbst, sondern gleich gegen vier Antagonisten antreten, von denen jedoch nur einer tatsächlich von Grund auf böse scheint. Diese schwarze Materie, die erst von Parker Besitz ergreift und dann von seinem tragischen Konkurrenten beim Daily Bugle. Natürlich hat Parker zuvor selbst bei der Erschaffung der neuen Gefahr kräftig mitgeholfen, was man ihm jedoch nicht wirklich übel nehmen kann. Abgelenkt vom eigenem Erfolg, den Sorgen über den vom Hass auf Spider-Man geplagten Freund Harry, der in die Fußstapfen des eigenen Superbösewichtevaters tritt und dann auch noch Flint Marko aka Sandman an den Hacken, der urplötzlich für den Tod Parkers Onkel Ben verantwortlich sein soll. Selbstverständlich nicht die obligatorischen Beziehungsprobleme mit Mary Jane zu vergessen, denen sich Parker wieder einmal kaum erwehren kann. Und tatsächlich versteht es Raimi die verschiedenen Handlungsstränge trotz der vielen Charaktere und der ihnen innewohnenden Konflikte verständlich zu verweben. Keine Chance den Überblick zu verlieren. Die einfache Strukturierung der Geschichte, der für den Zuschauer immer mögliche Einstieg in die Handlung, das sind und waren schon immer die Erfolgsgaranten amerikanischer TV-Serien. Es wäre verwunderlich, hätte Raimi dies nach all den Jahren TV-Serienerfahrung in einem Zweistünder nicht auf die Reihe bekommen. Längen, wie noch in seinen beiden Vorgängern, können da gar nicht erst aufkommen, wenn auch die zweite Fortsetzung alles andere als gehetzt daherkommt. Ohne Frage können Parkers Widersacher in diesem Berg von Geschehnissen nicht ihre volle Potenz ausschöpfen, gibt sich die eine oder andere Actioneinlage wieder einmal ein wenig aufgesetzt und natürlich läßt sich immer noch über die Besetzung streiten, die sich im Fall Peter Parker und Mary Jane Watson mehr als konträr zur Vorlage verhält. Doch sind das alles nur Geschmacksfragen, mehr nicht.
Was Spider-Man 3 leider wie schon seine Vorgänger an der Mauer zur beeindruckenden Comichelden-Filmwerdung zerschellen läßt, ist die absolut unerträgliche Inszenierung, die in jeder Minute, jeder Sekunde über das Ziel hinausschießt – over the top agiert - und damit das Drama des Superhelden, den zynischen, ironischen Witz mit denen Stan Lee und Steve Ditko ihren menschlichen Gegenentwurf zum unmenschlichen Superman, den sie ganz sicher unter den Eindrücken einer sich von Diktionen befreienden jungen Gesellschaft in den 60ern Jahren des letzten Jahrhunderts entwarfen, zu einer operettenhaften Klamotte verkommen läßt. Der schüchterne Teenager, ausgestattet mit übernatürlichen Kräften und den normalen Problemen des Alltags, wird zum trotteligen Clown. Selbst noch, oder noch verstärkt, als er das Böse in sich trägt. Das ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern längst eine Frage der Interpretation des Stoffes durch Raimi. Peter Jackson darf man zur Last legen, in seiner Ring-Trilogie ernsthafte Nebenfiguren wie den Zwerg Gimli zur Belustigung des Zuschauers als Slaptick liefernden Sidekick verheizt zu haben. Raimi dagegen macht dies mit seinem Hauptcharakter, immer wieder, durch und durch. Und als ob er sich gegen Ende des zuvor gezeigten groben Unfungs bewußt wird, läßt er ihn dann zum schwülstigen Score weinen. Achtung Drama. Da haben wir dann den weinenden Clown. Die Trotteligkeit weicht den Tränen, die jedoch auch nicht all die viel zu dick aufgetragene Theaterschminke wegwischen können, um der Geschichte über Freundschaft, Schwäche und Verführung den festen Grund zu geben, den sie dringend benötigt, um überhaupt über den Status des dramaturgischen Elements hinaus Eindruck hinterlassen zu können. Stattdessen müht sich der Zuschauer bis zum Abspann weiterhin durch glitschigsten Kitsch - ich schreibe das jetzt mal ganz unverblümt - auf dem Niveau einer Daily Soap mit den Möglichkeiten einer Big Budget Produktion.
5/10 Punkte
8 Kommentare:
Auch wenn ich den Film extrem anstrengend fand, gab es eine Szene, die mir diesen langweiligen Kinoabend doch noch versüßte:
Bruce Campbell als Maítre (oder wie das heißt). Köstlich, unser Bruce. Der Rest... ne, Spiderman konnte mich noch nie begeistern und das haben die Filme dann erst recht nicht geschafft...
Raimi interpretiert Parker/Spidey doch nicht als clownigen Sidekick, der wie ein Hampelmann auf Slapstick getrimmt wurde. Das sehe ich ja so anders.
Und bitte!!!: auf Niveau einer Daily Soap... schüttel, das in Verbindung mit diesem tollen Film... geh gar net.
@kaiser
Von Parker als Sidekick habe ich auch nicht geschrieben. Aber was bitte sollen denn die Bilder von Parker auf seiner Mofa mit schief sitzender Halbschale anderes evozieren, außer daß er ein Trottel ist? So geht das den ganzen Film hindurch. Von seiner dämlichen Art, in der er Mary Janes Gefühlslage nicht checkt noch nicht einmal gesprochen. Sorry.
@doc
Ja der Bruce und auch noch J.K. Simmons.^^
5 Punkte?! Erstaunlich hoch, vom Spider-Man-Film-Hasser-Nummer 1 (oder Nummer 2, ist jmk die Nummer 1? Ach, ihr seid beide die Nummer 1).
@flo
Naja, du denkst da ja mal wieder nur in Schwarz/Weiß. Warum sollte ich Spider-Man hassen? Nur weil ich mit Raimis Interpretation nichts anfangen kann? Ich weiß auch nicht ob ich der einzige bin, der Spider-Man 3 für nicht so dolle hält. Meine Meinung weicht da sicherlich nicht von der großen Masse ab. Auf der IMDB aus über 130 tsd Stimmen auch nur knapp 6 Punkte. Also warum sollte ich da jetzt unbedingt aus der Reihe tanzen?
Für mich bist du neben "ich-bin-fast-eingeschlafen"- bzw. "ich-bin-beinah-rausgegangen"-JMK der Spider-Man-Film-Hasser, abgeleitet aus deinen etwaigen Kommentaren bei anderen Besprechungen. Wenn das für dich s/w ist, dann soll es halt so sein. Für mich ist es einfach nur die Realität.
Ich bitte dich, weil man einen Film nicht gut findet, haßt man ihn gleich? Nicht gut finden = hassen. WTF?
FTW! OMG! BB!
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