Selbstversuch - Franz Josef Wagner spielt mit seinem Leben

"Jetzt sind wir unter der Erde Berlins, die Wände sind mit Spray beschmiert, zwei Typen in Gangster-Rap-Klamotten tauchen auf. Meine Tante würde ohnmächtig werden."

Franz Josef Wagner ist ein ganz harter, mit Justizministerin Brigitte Zypris wagte er sich in den Untergrund. Dabei ist ein Kleindod ungewollter Heiterkeit entstanden. Lesen und sehen Sie doch selbst.

Der nächste Selbstversuch schon einmal vorab hier an dieser Stelle:

Deutschland diskutiert über Gammelfleisch

BILD mit Verbraucherschutzminister in Berlins gefährlichster Dönerbude

„Eine Menge Freunde sind nicht mal gewillt, Döner zu essen“, sage ich, während wir die Tür öffnen zum Anadolu Grill am Halleschen Tor.

Der Minister sagt: „900 Millionen Gäste wurden 2006 in Berliner Dönerbuden satt gemacht. 11 596 Fälle von Überkeit haben die Krankenhäuser registriert. Den größten Teil machen Übersättigung und Alkoholvergiftung aus.“

Jetzt stehen wir an der Futterkrippe Kreuzbergs, die Wände sind mit Bildern Erdogans geschmückt, zwei Typen in Gangster-Rap-Klamotten tauchen auf. Meine Tante würde ohnmächtig werden.

„Ich kann verstehen, dass manche älteren Menschen sich bedroht fühlen“, sagt der Minister. „Auch wenn nicht jeder, der wild aussieht, auch gefährlich ist.“

Es ist 11 Uhr nachts. In meiner Kolumne hatte ich den Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (59, CSU) aufgefordert, mit mir einen Döner essen zu gehen, weil er meiner Meinung nach ein Verharmloser ist. Auge in Auge wollte ich mit ihm die Situation erleben. In der Dönerbude riecht es nach abgestandenem Leben.

„Riechen Sie den Döner?“, frage ich. Wir bestellen, freuen uns auf unser hoffentlich genießbares Fleisch vom Spieß. Drei Betrunkene betreten den Grill, sie haben Bierflaschen in den Händen. Ich habe keinen Augenkontakt mit den Biertrinkern. Herr Seehofer auch nicht. Wir sprechen über die Architektur der Großstädte, die auch Übelkeit auslöst, über Hochhäuser.

Herr Seehofer glaubt, dass Gammelfleisch von der Unmenschlichkeit der Unternehmenssteuern ausgeht.

Wir essen auf. „Was soll ich machen“, frage ich den Minister, „wenn mir plötzlich übel wird?“ Vor mir eine Cola und hinter mir Erdogan an der Wand. Der Minister sagt: „Es gibt mindestens ein Handy in jedem Grill. Wenn Sie Manns genug sind stecken Sie sich einfach den Finger in den Hals. Am Zäpfchen kitzeln.“

Ich stelle mir vor, wie ich mageninhaltsüberströmt zum Ausgang krieche bevor der Inhaber des Grills mich per Fußtritt auf die Straße befördert.

Wir gehen die Straße entlang. Um uns herum die müden starren Gesichter, einsam, verloren. Dönerbudenbesitzer-Gesichter, Gammelfleischhändler. Niemand guckt jemanden an. Niemand interessiert sich für einen.

Wir sehen Bettler mit Hunden, ich gebe 1, 2 Euro. Wir gehen bis zum Kurfürstendamm. Ich sage dem Minister, dass ich lieber im Mövenpick esse – mit Messer und Gabel.

Bei unserer Dönermahlzeit geschah nichts. Uns wurde nicht übel und wir wurden nicht krankenhausreif geschlagen – aber ich war froh, dass wir aus der Dönerbude raus waren und der Himmel funkelte und ich atmen konnte.

Wir rauchten eine Zigarette. Wir verabredeten uns für ein Glas Wein demnächst.

In Berlins Dönerbuden herrscht ein anderes Leben. Es ist nicht mein Leben. Der Minister sagt: „Wann hat jemals Koch härtere Strafen gefordert, wenn das Haltbarkeitsdatum hessischer Schweinchen abgelaufen war?“

Wir verabschieden uns mit Küsschen auf die Wange. Ich mag Herrn Seehofer, ich mag ihn als romantischen Freund sogar sehr.

Herzlichst

Ihr F. J. Wagner

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