Turkish hat es nicht leicht. Als selbsternannter Boxpromoter muß er seine Geschäfte in einem runter gekommenen alten Wohnwagen planen. Aber schlau wie er ist hat er ja schon für ein neues Büro gesorgt und bei den Pavees, den irisch stämmigen Zigeunern Großbritanniens, einen neuen Wohnwagen klar gemacht. Tommy muß ihn nur noch abholen und es wäre nicht schlecht, wenn er noch ein wenig Wechselgeld zurückbringt. Daraus wird leider nichts, denn erstens erweist sich der gerade erworbene Nuttenpalast kaum an der Anhängerkupplung hängend als schrottreif und zweitens ist ein Deal ein Deal. Es kommt noch schlimmer. Tommy, dieser Obertrottel von einem Assistenten, läßt auch noch Gorgeous George gegen Mickey O'Neil in einem spontanen Boxkampf antreten, um die verlorene Kohle zurückzugewinnen. Was Tommy und Gorgeous George nicht wissen, „One Punch“ Mickey ist Meister im Bare-Knuckle Boxen. Boxen ohne Boxhandschuh und so fällt Gorgeous George für den nächsten von Brick Top angesetzten Kampf aus. Gar nicht gut. Dieser Brick Top ist so ungefähr das widerwärtigste was man sich als Gangsterboss vorstellen kann. Nicht nur das er so ziemlich alles organisiert auf das sich wetten läßt, Hauptsache es ist blutig und schmerzhaft, er hält auch zufällig ein paar Schweine. Sechzehn Schweine beseitigen zweihundert Pfund Fleisch in acht Minuten. Willkommen in Londons Unterwelt.
Das waren nur vier der skurrilen Figuren in Guy Ritchies Ganovenposse, in der er unentwegt kleine Fische gegen große Haie antreten läßt und daraus eine schiere Flut an Situationskomik und schwarzen Humor kreiert. In der die Charaktere nur das Grundgerüst für eine vergnügliche Show der zynischen Klamotte darstellen. Die ist selbstredend eine Ausstellung aller möglichen übertriebenen Klischees des Gangsterfilms und darüber hinaus. Von Boris „The Blade“, dem Ex-KGB Agenten, der schneller mit dem Metzgerbeil zur Hand geht als man Metzgerbeil buchstabieren kann bis zu „Bullet Tooth“ Tony, der mit seiner Desert Eagle .50 und dem elektrischen Fensterheber seines alten Jaguars für klare Verhältnisse und todsichere Informantentipps sorgt. Jeder Figur widmet Ritchie lediglich die Aufmerksamkeit, die nötig ist, um ihre Schrullen in den Vordergrund zu stellen. Und schrullig sind sie alle irgendwie. Tiefgang ist hier nicht zu erwarten, der wäre auch so nützlich wie eine Knarre, die mit ihrer Harmlosigkeit mittels der ihr deutlich erkennbar eingestanzten Buchstaben R E P L I C A kokettiert.
Die Handlung ist dabei eher nebensächlich. Klar, es geht auch um einen fetten Diamanten, den Franky „Four Fingers“ von seinem letztem Coup in Antwerpen mit nach London gebracht hat und der eigentlich in New York von Cousin Avi erwartet wird. Aber was soll's, der Klunker dient nur dazu die drei Handlungsstränge und ihre Figuren aufeinander treffen zu lassen. Deren Pläne werden immer wieder durch komische Zufälle unterminiert, sodaß sich ständig neue Situationen ergeben, die in immer neue Katastrophen für die Beteiligten enden und die spärlich vorhandene jedoch vortrefflich konstruierte Handlung wiederum vorantreiben. Dabei glaubt jeder die jeweilige Situation unter Kontrolle bringen zu können, oder sie schon unter Kontrolle zu haben. Doch Pustekuchen, lediglich einer geht hier halbwegs als Sieger aus dem Ring und der hat eigentlich gar nichts mit den Dingen zu tun, da ihn eh keiner für voll nimmt. Das liegt nicht nur an seinem unverständlichen Dialekt.
Visuell ist Snatch eine wahre Wucht. Sowohl Kamera als auch Schnitt erhöhen noch einmal das Tempo und die Dynamik der Gauner Farce. Ja, man muß feststellen, daß sie einen nicht unerheblichen Teil der Attraktivität des Filmes ausmachen. Jump Cuts, Montagen, Splitscreens und Zooms ohne Ende. Was bei anderen Regisseuren oftmals zu nervender Redundanz mutiert wird von Ritchie so virtuos eingesetzt, daß es selbst zu einem Element der Komik wird, die der Film in Unmengen bereit hält, sofern man dem makaberen Humor nicht abgeneigt ist. Sicherlich, auch Snatch ist unübersehbar von Tarantinos Pulp Fiction inspiriert, doch bleibt es nur bei der Inspiration, denn Snatch ist vor allem eine britische Komödie. Dafür sorgen schon die wunderbar unverbrauchten schrägen Gesichter des britischen Kinos und TV's aus denen Gaststar Brad Pitt noch nicht einmal im besonderen Maße heraus sticht. Für Jason Statham und Vinnie Jones war Snatch der Katalysator ihrer bis jetzt ganz ansehnlichen Film- und Fernsehkarriere, allein Vinnie Jones ist dieses Jahr in sieben Produktionen zu sehen. Der wahre Star ist jedoch Alan Ford in der Rolle des schon erwähnten Gangsterbosses Brick Top. Selten Noch nie wirkte ein starrer Blick in Kombination mit einer Brille deren Gläser wahrlich den Vergleich mit Glasbausteinen standhalten so diabolisch, fies und menschenverachtend. Gelobt werden sollte an dieser Stelle einmal die Synchronstimme Alan Fords, Reiner Schöne verleiht Brick Tops Bösartigkeit das I-Tüpfelchen. Im Original wirkt er doch ein wenig harmloser. Ich weiß, die Dogmatiker schreien jetzt auf, denn um das Original kommt man gerade bei Snatch nicht herum. Wenn Turkish und Tommy mit Mickey die Konditionen für den nächsten Boxkampf aushandeln, ist das wohl eine der lustigsten Szenen des Filmes überhaupt. Hier treffen zwei sprachliche Welten aufeinander und der Humor, der sich daraus ergibt, ist einfach unbeschreiblich.
9/10 Punkte
Acid – Tödlicher Regen
vor 6 Stunden
8 Kommentare:
Der Film hat mich total genervt und Guy Ritchie ist sowieso super scheiße.
Hör nicht auf den - der Film ist geilomat und Ritchie 'n dufter Kerl.
der Film ist geilomat
Da gibt von meiner Seite überhaupt keine Gegenargumente.
"Golden brown texture like sun
Lays me down with my mind she runs
Throughout the night
No need to fight
Never a frown
With golden brown."
Ja, ich mußte jetzt tatsächlich ein wenig überlegen und erstmal nachschauen. Sehr schöne Szene;)
Ja, ja, ja. Ich sehe, wir verstehen uns. Aber: Was danach von Ritchie kam/kommt, is´ kagge.
Naja, Kagge nicht unbedingt. Sagen wir mal er hat sich kräftig überhoben. Revolver Review folgt;)
verhoben natürlich.
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